Sonntag, 12. August 2012

Noctambule III: Tödliche Furie

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Hier draußen, am Rande der Stadt waren die Häuser noch in weitem Abstand voneinander gebaut und bildeten kleine Gruppen von Ansiedlungen, die meistens durch unwegsame Feldwege mit der Stadt verbunden waren. Dass die Grundstücke, die zu den Häusern gehörten, recht klein waren, war kaum zu erkennen, denn niemand grenzte seinen Besitz mit Zäunen ein, wenn nicht gerade Vieh darauf stand, das sich nicht zu sehr auf dem Land verteilen sollte.


Jetzt, in der zunehmenden Dunkelheit, wirkte die kleine Siedlung geradewegs anheimelnd, denn der rötliche Schein eines Herdfeuers oder von Kerzen erhellte die Fenster. Anya hatte für den romantischen Anblick keinen Sinn. Mit einer Sicherheit, deren Ursprung ihr selbst völlig unklar war, heftete sich ihr Blick auf ein kleines Häuschen, vor dem ein grob gezimmertes Schaukelgestell stand.
Ihr schneller Gang verwandelte sich in Rennen und ihr konzentrierter Blick wich nicht mehr von dem kleinen Gebäude. Sie ging davon aus, dass in diesem Haus eine kleine Familie wohnen musste, doch dort war auch ihr Kind und diese Familie würde nicht mehr lange existieren. Anyas Gesicht hatte jede Sanftheit verloren während sie pfeilschnell den unebenen Weg auf das Haus zu schoss. In ihrem Kopf war kein Raum mehr für Ehrenkodex und Gesetze der Vampire.
In ihrer Konzentration achtete sie nicht mehr auf ihre Umgebung und wurde immer schneller. Der Aufprall kam so unvermutet, dass Anya durch die Luft flog und schmerzhaft auf dem Boden aufschlug. Sofort kam sie wieder hoch, aus dem Augenwinkel die Gestalt erkennend, die ebenfalls gestürzt war. Sie wartete keinen Augenblick sondern stieß ein wütendes Fauchen aus und griff an. Ihr Körper flog durch die Luft, das scharfe Gebiss bereits zum tödlichen Biss geöffnet, als sie im letzten Moment Sergej erkannte.
Doch schon traf sie auf seinen Körper und riss ihn zu Boden. Sie konnte den Kopf noch drehen, doch ihre Zähne schlitzten das Fleisch seiner Schulter auf und sie hörte seinen dumpfen Schmerzlaut, als sie zur Seite rollte und wieder hoch kam. Zwei kräftige Fäuste packten sie an den Schultern und rissen sie herum. Blinzelnd erkannte sie das Gesicht Armands vor sich und sackte zusammen.
Die unglaubliche Wut in ihr wich der noch viel größeren Erleichterung, Armand lebend vor sich zu sehen und mischte sich mit der Angst um ihr Kind. Ein tiefes Schluchzen quoll aus ihrer Kehle, als er sie an seine Brust riss und seine Arme sich eng um sie schlangen.
"Du lebst! Gott sei Dank, du lebst!" hörte sie seine dunkle Stimme und nickte weinend. Seine feste Umarmung raubte ihr fast die Luft, aber sie wollte es auch nicht ändern, war sie doch selbst überglücklich ihn endlich wieder bei sich zu haben. Dennoch trieb sie immer noch irgendetwas in dieses Haus.
"Unser Kind! Armand, unser Kind ist in diesem Haus! Ich muss da hinein!" murmelte sie bebend an seine Brust während sich Sergej völlig unbeachtet wieder auf die Beine stemmte und seine verletzte Schulter dabei hielt. Armand hielt sie eisern fest.
"Du gehst nicht hinein. Nicht in dieser Stimmung. Da sind noch andere Kinder!" bestimmte er mit fester Stimme. Über Anyas Kopf hinweg betrachtete er entschuldigend seinen Freund, der leicht taumelte und nun den Kopf schüttelte, als müsse er einen Nebel vertreiben. Anya blickte ungläubig zu Armand auf.
"Aber ich muss!" beharrte sie noch immer zitternd. Wieder schüttelte Armand den Kopf.
"Ich werde hinein gehen. Nicht du. Bleib bei Sergej und versorg seine Schulter. Du hast ihn gebissen." er grinste kurz bei seinen letzten Worten und da Sergej dies sah, hob er eine Braue.
"Das ist nicht witzig! Diese Furie hat ganz schön zugebissen!" erklärte er nun empört. Anya drehte den Kopf und blinzelte aus der Umarmung hinaus.
"Tut mir wirklich leid." meinte sie reuig, doch Sergej winkte ab.
"Irgendwie glaube ich das noch nicht so richtig." erwiderte er, aber seine Augen glitzerten amüsiert. Armand löste sich aus der Umarmung und schob seine Hand zärtlich unter Anyas Kinn, um ihr Gesicht zu ihm anzuheben. In seinem Gesicht lag ein sanftes Lächeln und Anya konnte die Freude und Erleichterung über das unerwartete Wiedersehen erkennen.
"Ich werde unser Kind dort heraus holen, Kleines. Warte hier." Anya sog die Unterlippe ein und nickte schwach. Er fragte nicht danach, ob es ein Junge oder Mädchen war. Er fragte nicht, wie das geschehen konnte. Und sie war froh darüber, denn sie schämte sich unendlich, zugeben zu müssen, dass sie ihr eigenes Kind verloren hatte.
Zaghaft trat sie einen Schritt zurück neben Sergej. Armand schenkte ihr noch ein Lächeln, dann wandte er sich ab und ging in langen, ruhigen Schritten auf das Haus zu.

1 Kommentar:

  1. Armer Sergej!
    Irgendwie muss er ständig für Anyas Schwierigkeiten büßen.

    Nur gut, dass Vampire das nicht alu krumm nehmen müssen, da es ja minuten Später wieder verheilt.

    Nun war Armand also schneller. Sehr gut.

    Under war auch besonnener. Noch besser!

    Anya ist wieder zur Besinnung gekommen, wenn auch ein Gewaltakt dafür nötig war.

    Nun wird Armand die Familie hoffentlich verschonen. So hat er das jedenfalls vor, denke ich. Sonst hätte er auch Anya hineinlassen können.

    Dann haben sie also ihren Sohn schon einmal wieder und der arme Kerl ist gerettet. In Anyas Brüsten sollte mehr als genug verträgliche Milch sein. :)

    Und dann - eifrig auf die Suche nach Miriam. Wenn erstmal der Säugling an der Brust liegt, wird Sergej auch eine Menge fragen haben.

    Hoffentlich erinnert sich Anya dann an den Karren.

    LG
    Joe

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