Dienstag, 28. August 2012

Noctambule III: Wer sucht nach mir?

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Während Yanis beim Abbé Rat und Zuflucht suchte, half Miriam ihrer Gastgeberin so gut sie konnte im Gemüsegarten. Adolphe und Noel hatten die Beete frisch umgegraben und damit die nächsten Schritte zur Vorbereitung der neuen Beete eingeleitet. Caterine zupfte fleißig Unkraut aus der Erde und zeigte der ahnungslosen Miriam geduldig, wie sie helfen konnte.


Miriam versuchte sich zu konzentrieren, doch blieb sie weiterhin still. Die Worte des wütenden Yanis hatten sie beunruhigt. Warum hatte er sie so angefahren? Und was hatte er da von Vampiren geredet?
Miriam erinnerte sich an die Legenden um Vampire ohne zu wissen, woher sie diese Kenntnisse hatte. Natürlich gab es keine Vampire. Dennoch hatten seine Worte ein unruhiges Flattern in ihr ausgelöst, das ihren Magen zusammen zog.
Sie ahnte, dass sie kurz davor war, sich an etwas Wichtiges zu erinnern. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr schien sie genau diese Erinnerung zu blockieren.

Stirnrunzelnd versuchte sie, sich mit der Gartenarbeit abzulenken und Caterines fröhlichen Geplapper zu folgen. Sie gab höfliche Antworten weil sie genau wusste, dass Caterine nur bemüht war, sie vom Grübeln anzuhalten. Aber der Plan schien fehl zu schlagen. Schließlich gab Caterine ihre Versuche auf und beschloss, Miriam alleine weiter im Garten arbeiten zu lassen und selbst längst überfällige Wäsche zu waschen.
Miriam war dankbar über die Ruhe und widmete sich langsam den Unkräutern im Beet, damit sie später den Boden glatt harken konnte. Dann würde er für die Aussaat im Frühjahr vorbereitet sein, hatte Caterine erklärt. Miriam erkannte, wie wichtig ein guter Boden war, denn die Bauern ernährten sich davon. Um so gewissenhafter arbeitete sie weiter, noch immer ihren Gedanken nachhängend. Wieder und wieder beschwor sie Yanis' Worte herauf. Wenn sie nur darauf kommen würde, welches Wort, welcher Satz dieses Gefühl ausgelöst hatte!
Seine Frage nach dem Überfall hatte sie sich selbst schon hundertmal gestellt. Doch die Gedächtnislücke blieb und wollte sich einfach nicht füllen. Woher kam sie, wer war sie und was hatte sie an dieser Brücke getan? War sie vielleicht nur beim Versuch etwas zu trinken oder sich zu waschen ausgerutscht und unglücklich gestürzt? Doch selbst wenn sie das wüsste klärte das immer noch nicht die Frage, wie sie dorthin gekommen war und wohin sie wollte.
"Belle, bist du fertig? Möchtest du mir helfen, die Wäsche aufzuhängen?" Caterines Ruf riss sie aus ihren Gedanken. Ächzend streckte sie den Rücken und stellte die Harke an ihren Platz zurück.
"Natürlich!" rief sie zurück. Gewissenhaft schloss sie das kleine Tor des Zaunes, der die Gemüsebeete vor Kaninchen, Rehen oder gar Wildschweinen schützen sollte und lief auf die andere Seite des Hauses, wo Caterine Unmengen von Hemden in einem Korb zu der Wäscheleine getragen hatte und ihn nun auf einen Baumstumpf wuchtete, damit sie sich nicht so tief bücken musste.
"Wenn die Sonne weiterhin so schön scheint, wird die Wäsche bis heute Abend trocken." plapperte Caterine fröhlich und schüttelte ein Hemd so faltenfrei wie möglich. Miriam nahm es ihr ab und hängte es still auf die Leine ohne den besorgten Blick der Bäuerin zu sehen.
"Ein bisschen Wind würde natürlich helfen. Ich kann dir sagen, bei drei arbeitenden Söhnen fällt so viel Wäsche an. Und man will ja, dass sie ordentlich herum laufen. Jede Mutter will stolz auf ihre Kinder sein. Ach, und ich bin wirklich stolz." schwatzte Caterine unbedacht weiter. Miriam biss sich auf die Lippe. Hatte sie auch Familie? Sicher hatte sie eine, jedes Mädchen in ihrem Alter hatte Familie. Sie wusste nicht, wie alt sie war, schätzte sich selbst aber auf ungefähr sechzehn oder siebzehn Jahre.
Aber wenn sie Familie hatte, musste die doch bestimmt nach ihr suchen? Wieder kamen die Worte von Yanis zurück. Hatte sie jemand die Brücke hinunter gestoßen? Aber warum sollte man das nur tun wollen? Sie konnte sich nicht vorstellen, etwas Böses getan zu haben. Wer konnte sie so hassen, um sie in den Tod stoßen zu wollen? Nach dem vierten Hemd auf der Leine ließ Miriam die Hände sinken und drehte sich zu Caterine um.
"Bestimmt sucht doch meine Familie nach mir oder?" fragte sie kläglich. Caterine ließ das Hemd los, das sie gerade aus dem Korb gefischt hatte, eilte zu Miriam und nahm sie in den Arm.
"Ach Kind! Natürlich suchen sie nach dir." murmelte sie und streichelte das Haar des Mädchens. "Weißt du was? Morgen ist Markttag. Dann verkaufen wir die letzten Winterkartoffeln. Und wir werden dann einmal schauen, ob man irgendwo etwas gehört hat. Auf dem Markt erfährt man vieles, glaub mir!" Sie hielt Miriam nun auf Abstand und lächelte sie aufmunternd an. Doch das Mädchen nickte nur stumm und blinzelte einige Tränen weg. Seufzend zog sie Miriam wieder in die Arme und hielt sie fest.
Beide bemerkten nicht, dass Yanis zurückkehrte und sich sofort in sein Zimmer verzog. Der Schmied hatte ihn unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt, weil es seiner Mutter nicht gut ging und sie sich hingelegt hatte. Yanis würde es morgen wieder versuchen. Bis dahin musste er wohl oder übel warten. Grimmig stand er an seinem Fenster und blickte auf den Garten hinunter. Dort standen seine Mutter und dieses seltsame Mädchen Arm in Arm. Yanis zog die Stirn kraus. Er konnte es nicht begründen, aber er hätte schwören können, dass diese "Belle" unbedingt etwas mit allen Vorfällen zu tun hatte.

1 Kommentar:

  1. Yanis sieht hinter jeder Ecke Gespenster. :) Und er sieht richtig.

    Die Situation für Miriam muss ziemlich übel sein. Man kennt ja selbst das Gefühl, manchmal etwas auf der Zunge liegen zu haben aber es versteckt sich, will nicht hinaus.
    Wie muss es erst sein, wenn man sein ganzes Leben hinter dieser Blockade vermutet? Grausamer Gedanke...

    Was der Markttag nun bringen wird. Wenn Miriam aka Belle mit in die Stadt geht, wird sie wohl jemand erkennen, oder nicht? Miriam dürfte sich nie auf dem Markt herumgetrieben haben.

    Und die einzige Person, die intensiv nach ihr sucht hat ja schon fast aufgegeben, wird aber keinesfalls auf dem Markt erscheinen.

    Es bleibt verzwickt. Und genauso bleibt es eine Frage der Zeit, wann Miriam sich erinnert, dass sie mehr über Vampire weiss, als man annehmen sollte.

    LG
    Joe

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