Freitag, 3. August 2012

Noctambule III - Rückblick: Ein Monster weilt unter uns!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Sittard 1586

Die Schänke war so voll wie seit Jahren nicht mehr. Schwere Rauchschwaden vernebelten den Raum, Flaschen klirrten, hin und wieder erhoben sich die Stimmen zu einem lauten Gewirr, dann lauschte man wieder dem Bericht, den Jan bereits zum vierten Mal bereitwillig wiederholte. Es hatte sich am Tag wie ein Lauffeuer herum gesprochen, dass Jan und Dirk überfallen worden waren. Jedermann versuchte, so schnell wie möglich mit seiner Arbeit fertig zu werden, um den Überlebenden zu sehen und zu hören, was er zu berichten hatte.



Natürlich gab es auch Skeptiker unter ihnen, die vermuteten, dass Jan seinen Partner selbst umgebracht hatte und nun versuchte, es als Überfall zu tarnen. Doch die Sensationslüsternen unter ihnen gaben Jan gerne noch einen Krug Bier aus, um die Geschichte von Anfang an zu hören.
"Ihr könnt Euch meine Angst gar nicht vorstellen! Dieses Bild wird mich mein Leben lang verfolgen!" erklärte Jan und wischte sich mit dem Unterarm den Bierschaum aus dem Bart.
"Ich verstehe nicht, warum du Dirk nicht zu Hilfe gekommen bist." murrte ein Zweifler mit verschränkten Armen. Er erntete einen missmutigen Blick, doch da ein paar Gäste nickend der Äußerung zustimmten, blieb er gelassen.
"Zu Hilfe kommen? Es war bereits zu spät! Außerdem war der Kerl riesengroß!" Jan hob seine Hand am ausgestreckten Arm über seinen Kopf, was ihm ungläubige Blicke einhandelte. Einer lachte höhnisch.
"Klar war der riesengroß. Und stark wie ein Bär, vermute ich? Mich wundert, dass es nicht gleich zehn Mann gewesen sind!" spottete er aus dem Hintergrund. Allgemeines Gelächter erklang, beruhigte sich jedoch, weil Jan die Stimme erhob.
"Warum geht ihr nicht los und sucht zusammen mit mir nach der Leiche? Oder nach dem, was dieses Vieh übrig gelassen hat!" wehrte sich Jan und schlug dabei mit der Faust auf den Tisch. Sofort wurde es wieder ruhig im Raum. Im Hintergrund spülte der Wirt Krüge aus und füllte sie neu aus dem Fass. Für ihn war heute ein guter Tag.
"Wenn, dann ohne dich! Vielleicht führst du uns ja in die Irre!" stichelte ein anderer. Sofort nickte sein Nachbar zustimmend.
"Oder lockst uns in eine Falle!" fügte der Nachbar hinzu. Gemurmel brandete auf, doch Jan schüttelte nur den Kopf und nahm einen tiefen Zug aus dem Krug.
"Leute, ihr kennt mich seit vielen Jahren! Welchen Vorteil hätte ich denn, Dirk zu töten? Ich brauche ihn! Alleine kann ich die Fahrten nicht machen und Dirk ist der bessere Verhandlungspartner! Ich habe ihn nicht getötet, das war dieses Monster!" Er nutzte die Stille aus und senkte die Stille zu einem Flüstern.
"Wenn ihr die Fratze gesehen hättet! Zähne, so lang wie ein Messer. Dirks Blut tropfte an ihnen herunter. Statt Augen waren nur schwarze Löcher in seinem Gesicht." Die Männer gafften ihn an, teilweise mit schreckgeweiteten Augen.
"War er voller Fell? So wie ein Werwolf?" wisperte einer der Jüngeren, der bereit war, jedes Wort von Jan sofort zu glauben. Doch der Händler winkte kopfschüttelnd ab.
"Kein Fell. Nein, das war kein Werwolf, auch wenn die Zähne passen würden. Er hatte Kleidung an. Aber er bewegte sich wie ein Tier, so schnell und geschmeidig. Lange schwarze Haare und das Gesicht so weiß wie der leibhaftige Tod!" Er sah, dass einige seiner Zuhörer blass geworden waren und lehnte sich zurück. Die Männer starrten ihn an oder vor sich auf den Tisch, manche tauschten ratlose Blicke miteinander.
"Es sind schon mehrere Reisende verschwunden." meldete sich nun der Wirt aus dem Hintergrund. "Denkt an das Pferd ohne Reiter, das letzte Woche über den Marktplatz galoppierte wie der Teufel." Wieder murmelten die Männer durcheinander.
"Ja, und die leere Reisekutsche, die man in der Nähe von Bocholt im Wald gefunden hat. Keiner weiß, wer da drin war und wo er nun ist!" rief nun Hinnerk und kippte sein Bier hinunter. Bäcker Olek beugte sich vor und blickte verschwörerisch in die Runde.
"Es gibt doch einen, der so groß ist. Und richtig blass ist er auch, heißt es. Er wohnt in Amélies Haus!" knurrte er dumpf. Stille trat ein. Die Männer sahen sich unbehaglich an. Das Unheil war plötzlich in greifbarer Nachbarschaft und das machte Angst.
"Männer, wir haben doch keine Beweise! Nur weil der Bursche so groß sein soll, muss er doch kein Mörder sein!" hob der Bürgermeister nun seine Stimme.
"Wer hat ihn denn schon gesehen? Bei wem arbeitet er? Was treibt er denn und woher kann er das Haus bezahlen?" Nathan zog den Kopf ein. Bisher hatte er sich still verhalten aber plötzlich sahen alle zu ihm, etliche drehten sich auf knarrenden Stühlen zu ihm um.
"Er hat es mir zu einem guten Preis abgekauft." verteidigte er sich und setzte eine trotzige Miene auf.
"Und woher hat er das Geld? Von den Leichen, die er getötet und dann ausgeraubt hat?" warf ein Mann ein.
"Nun, das Pferd hatte volle Satteltaschen, aber Geld haben wir nicht gefunden. Und bei der Kutsche war das Gepäck unversehrt, aber vielleicht hatten die Insassen das Geld bei sich?" grübelte der Bürgermeister.
"Ihr müsst mal in der Nacht zu dem Haus gehen! Da werdet ihr schreckliche Geräusche hören!" verkündete Hinnerk nun laut.
"Nicht nur nachts! Ich habe das auch schon am Tag gehört! Vielleicht schleift er seine Opfer in das Haus und quält sie dort, bis sie wirklich sterben!" mutmaßte Frederic, Almas Sohn.
"Blödsinn! Dirk war mausetot!" schob Jan ein, schaute aber unbehaglich. Der Bürgermeister drehte sich wieder zu ihm herum.
"Warum hat er dich denn nicht auch noch angegriffen?" wollte er wissen. Jan wurde rot als er sich daran erinnerte, wie er sich unter dem Teppich verkrochen hatte.
"Ich hab mich unter der Ware versteckt." gab er zu. Die Männer blickten ihn an, einige höhnisch, andere verachtend.
"Aber er hat doch sicher den Wagen durchsucht!" Hinnerk knallte seien Bierkrug auf den Tisch und schaute feindselig zu Jan.
"Hat er nicht! Ich schwöre bei Gott, er hat mich nicht entdeckt!"
"Ja, weil er sich die Zunge blutig gebissen und vor Angst in die Hose geschissen hat!" gröhlte ein Gast höhnisch und erntete brüllendes Gelächter. Jan sprang wütend auf.
"Ich sage euch, das war ein Monster! Es tötet nur um des Tötens wegen! Und wenn es hier unter uns weilt, dann müssen wir es vernichten, bevor es unsere Frauen und Kinder frisst!" brüllte er nun. Einige Männer schauten betreten, andere hoben mit zustimmendem Gebrüll die Fäuste. Die Stimmung schlug um, wilde Pläne wurden geschmiedet, wie man das Monster töten sollte, doch schließlich wurde es dem Bürgermeister zu bunt. Er stand auf und hob die Arme.
"Ruhe! Ruhe, Männer! Seid doch still!" Es dauerte eine Weile, bis es ruhiger wurde. Der Bürgermeister kletterte auf einen Stuhl und sah in die Runde.
"Leute, so geht das nicht! Wenn, dann muss er vor Gericht! Aber dafür brauchen wir Beweise! Ich schlage vor, wir bilden verschiedene Suchtrupps und durchforsten den Wald an der Stelle, wo Jan und Dirk überfallen worden sind. Ein paar von euch besuchen die Station und Gasthäuser an der Straße und hören sich um. Dann sehen wir weiter." Eifrige Zustimmung wurde laut. Männer meldeten sich freiwillig, Gruppen bildeten sich und man verabredete sich zum nächsten Abend wieder hier in der Wirtschaft. Der Einzige, der sich darüber freute, war wohl der Wirt. Jan aber saß stumm am Tisch und versuchte, die schrecklichen Bilder aus seinem Kopf zu verjagen.

1 Kommentar:

  1. Das war ja zu befürchten. Der Überlebende trägt die Geschichte in die Welt und sie verselbständigt sich. Schnell werden Zusammenhänge gezogen, die in diesem Fall vielleicht sogar stimmen mögen, oder auch nicht. Egal!

    Nun geht es also auf die Jagd und irgendwann werden sie es schaffen den Bürgermeister zu übertönen und doch zum Haus ziehen. Dann ist hoffentlich die kleine Mengae a trois schon verschwunden. Wenn nicht, werden sie Probleme bekommen.

    LG
    Joe

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