Samstag, 25. August 2012

Noctambule III: Der Sonntagsbraten

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Caterine wusste, wann sie zu schweigen hatte und so senkte sie den Kopf über ihr Essen und beobachtete stumm die anderen. Das Mädchen vor ihr blieb höflich und aufmerksam, aber still. Sie lobte freundlich das Essen ihrer Gastgeberin und antwortete ebenso artig auf die Fragen der anderen. Caterine konnte gut verstehen, dass die Kleine verwirrt sein musste. Sie fühlte sich fremd, obwohl man sie herzlich aufgenommen hatte und grübelte in jeder Sekunde darüber, ob sie sich nicht doch an irgendetwas erinnern konnte.


Doch auch ihr jüngster Sohn wurde genau beobachtet von Caterine. Yanis stierte das Mädchen unverhohlen an, während er gedankenverloren sein Essen pickte. Er hatte noch nie so herzhaft zugeschlagen wie seine Brüder. Aber die arbeiteten auch schwer auf dem Feld und wenn sie mittags nach Hause kamen, hatten sie Hunger auf deftige Nahrung. Yanis war sonst am frühen Nachmittag aus der Bäckerei nach Hause gekommen und meistens erschöpft in sein Bett gefallen. Oft hatte er schon bei seinem Meister mitessen dürfen und so hatte Caterine ihn mit der Zeit gar nicht mehr zum Essen eingeplant.

Nun aber hatte sie aus reiner Verzweiflung über die unerwartet vielen Esser bei Tisch den Sonntagsbraten hervorgeholt. Der würde auf alle Fälle genügen und so wenig, wie das Mädchen und Yanis aßen, würden sie sogar für Abends noch etwas übrig behalten. Aber diese Gedanken ordnete Caterine nur nebenbei. Yanis hatte sie erst völlig verblüfft angesehen, als habe er noch nichts Schöneres auf der Welt gesehen.
Doch mit der Zeit verdüsterte sich sein Gesicht, was Caterine überhaupt nicht verstehen konnte. Das Mädchen gab sich alle Mühe, niemanden zu stören oder der Gesellschaft zu viel wegzuessen. Dennoch wurden die Blicke ihres Jüngsten immer finsterer und sie hätte schwören können, dass der letzte Blick voller Feindschaft war, bevor er endgültig auf sein Essen sah und den Kopf nicht wieder hob.
Die beiden älteren, allen voran Noel, hatten ihren Spaß bei Tisch. Ohne zu bemerken, was unterschwellig geschah, verdrückten sie große Portionen, lobten die Kochkünste ihrer Mutter und rieten albern herum, welchen Namen ihr junger Gast wohl haben könnte. Doch schließlich war es für sie wieder Zeit zu gehen und es wurde stiller in der Küche.
Als Caterine den Tisch abräumen wollte, sprang das Mädchen auf, um zu helfen, hielt sich jedoch gleich taumelnd am Tisch fest. Caterine drückte sie sanft wieder zurück auf den Stuhl.
"Du bleibst artig sitzen, Kind! Das kann ich schon alleine." Sie wollte Yanis einen mahnenden Blick zuwerfen, damit er aufstand und ihr half, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie sah, wie er das Mädchen betrachtete. Sein Blick hatte etwas Lauerndes, Flackerndes, was ihr überhaupt nicht gefiel.
"Bist du überfallen worden?" schoss die Frage unerwartet aus Yanis heraus. Das Mädchen hob den Kopf und sah ihn verständnislos an.
"Ich weiß es nicht." antwortete sie wahrheitsgemäß. Doch Yanis beugte sich weiter nach vorn.
"Dann musst du dich erinnern! Wurdest du gestoßen? Oder wolltest du dich von der Brücke werfen?" Caterine zog die Brauen zusammen.
"Yanis, das ist genug!" ging sie dazwischen. Doch das Mädchen schüttelte den Kopf.
"Ich wünschte, ich könnte mich erinnern." meinte sie traurig. Yanis hob den Kopf und funkelte seine Mutter an.
"Sie muss sich erinnern, Mutter! Vielleicht war das der Vampir!" Sein Kopf ruckte zu dem Mädchen herum, dass sie zusammenzuckte.
"Hat dich ein Vampir angefallen? Wurdest du gebissen?" zischte er sie an. Sie wich zurück und war kreidebleich geworden. Ihre Finger krampften sich in die Tischplatte und sie rang nach Luft, während sie ihn ängstlich ansah.
"V.. Vampir?" stammelte sie verwirrt. Caterine legte schützend ihre Arme um die zitternden Schultern des Mädchens und blitzte Yanis wütend an.
"Genug damit!! Mit deinem Unfug machst du sie ganz durcheinander! Schluss jetzt!" Stille breitete sich im Raum aus, während Yanis stur dem harten Blick seiner Mutter stand hielt. Schließlich sprang er brüsk auf.
"Unfug, Mutter? Du hast keine Ahnung, in welcher Welt wir leben!" schrie er sie an und stürmte aus der Küche. Sekunden später knallte die schwere Haustür zu und durch das Fenster konnten die beiden Frauen sehen, wie Yanis sich im Laufen noch die Jacke anzog und Richtung Stadt verschwand.

1 Kommentar:

  1. Ein Kreuzverhör von Yanis.

    Der sieht natürlich gerade überall Gespenster und Vampire - wer will es ihm verdenken, nach dieser Nacht und diesem Morgen.

    Und nun sitzt die Fremde da und es ist so merkwürdig. Sie kann sich an nichts erinnern und er stellt automatisch den richtigen Gedanken her.

    Wenn er wüsste, wie richtig er liegt.

    Aber nun zu Miriam a.k.a. Belle: Hat das Wort Vampire sie an etwas erinnert? Eine Amnesie kann ja oftmals durch das Auftauchen von etwas vertrautem geheilt werden. Reichte das Wort um ihr ins Gedächtnis zu rufen, was sie vorher erlebt hat?

    Und was wird Caterine nun tun? Sie ist mit der Kleinen allein und auch sie hat ja einen Verdacht. Wird sie das mit ihr besprechen?

    LG
    Joe

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