Mittwoch, 8. August 2012

Noctambule III: Unverträgliche Milch

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Manon hatte das Baby nach dem Baden warm eingewickelt und sich mit dem Kind im Arm direkt an das Feuer gesetzt, damit es nicht mehr frieren musste. Es hörte nicht auf zu greinen, was Manon nur teilweise auf die Kälte zurückführte. Sicher hatte der kleine Kerl auch Hunger und so wartete sie ungeduldig, bis ihre Tochter mit der Ziegenmilch zurück kam. Sie nutzte die Zeit, um die ältere Tochter zum anderen Nachbarn zu schicken, der als Bauer sicher ein wenig Darm übrig hatte.


Julie kehrte zeitgleich mit ihrer Schwester Anna zurück, beide stolz und aufgeregt, weil sie ihre Aufgaben erfüllt hatten und nun zusehen wollten, wie ihre Mutter das Baby fütterte. Doch zuvor musste Julie den Schweinedarm in heißem Wasser mehrfach auswaschen, bis Manon zufrieden war. Dann ließ sie Anna die Milch in eine kleine Falsche füllen und half dabei, den Darm fest um die Öffnung zu schlingen. Schließlich bohrte sie mit einer heißen Nadel ein winziges Loch in die Darmhaut und hatte so einen natürlichen Sauger geschaffen, den sie nun vorsichtig dem Baby an die Lippen setzte.
Das Kind begann sofort gierig zu saugen. Damit es sich nicht verschluckte, drückte Manon mit den Fingern den Darmschlauch ein wenig zusammen und verringerte so den Milchstrom. Lächelnd sah sie, wie sich das Gesicht des Babys entspannte und die Augen schwer wurden, während es an der Flasche sog. Die beiden Mädchen hockten andächtig vor ihrer Mutter und schauten zu.
"Bleibt er nun bei uns, Maman?" fragte Anna flüsternd und strahlte auf, als diese ruhig nickte und lächelte.
"Wie nennen wir ihn denn?" erkundigte sich nun Julie interessiert. Manon schaute zweifelnd.
"Wir werden uns einige Namen ausdenken und sie heute Abend eurem Vater vorschlagen." entschied sie dann und beugte den Kopf wieder über das Baby. Es sog kräftig und schien sehr hungrig zu sein. Die Augen waren schon längst zugefallen von der Anstrengung und der Aufregung. Aber die kleinen Fäustchen waren noch geballt und ruderten hin und her, bis auch sie endlich herunter sanken und fürsorglich von Julie zugedeckt wurden. Das Kind war eingeschlafen.
Manon rührte sich nicht, während sie dem leisen Atem des Babys lauschte. Ihre Augen brannten von der Anstrengung, die Tränen zurückzuhalten. Tränen der Freude allerdings, denn sie konnte das Glück kaum fassen, das Jules einfach so heute Morgen in ihr Haus getragen hatte. Gedankenverloren starrte sie auf das kleine, friedliche Gesichtchen in ihrem Arm und strich sacht über den blonden Flaum auf dem kleinen Kopf.
Es verging nur eine halbe Stunde, ehe das Kind in Manons Arm wieder unruhig wurde. Fürsorglich hob Manon es an, weil sie vermutete, dass es zu viel Luft mit eingesogen hatte, und tätschelte den kleinen Rücken. Doch aus den kleinen, weinerlichen Lauten wurde schließlich ein Weinen. Manon erhob sich und begann im Haus auf und ab zu gehen. Dabei beruhigte sie die besorgten Fragen ihrer Mädchen lächelnd und erklärte, was das Baby alles haben könnte.
"Vielleicht hat es ein bisschen Bauchweh von der ungewohnten Milch. Oder es vermisst einfach seine Mama. Schließlich rieche und klinge ich ja ganz anders als die Frau, die es zur Welt gebracht hat." Doch im Laufe der Zeit wuchs ihre Besorgnis. Das Kind weinte immer lauter und zog die Beinchen immer öfter fest an den Bauch. Obwohl Manon weiter auf und ab ging, das Kind wiegte und streichelte, Lieder summte und erneut die Flasche anbot, schrie das Kind immer lauter. Schließlich erbrach es die Ziegenmilch in zwei heftigen Schwällen. Manon verzog das Gesicht, als die Milch sich auf ihrem Ausschnitt und dem Kleid verteilte, doch die Mädchen kicherten verhalten.
"Gib es mir, Maman. Dann kannst du dich umziehen." bot Julie an, womit sie einen verärgerten Blick ihrer Schwester kassierte. Anna war jedoch mehr auf sich selbst wütend, weil sie nicht selbst auf diese tolle Idee gekommen war. Neiderfüllt sah sie zu, wie Julie sich setzte und nun das Baby von Manon vorsichtig in den Arm gelegt bekam. Julies Gesicht strahlte, als das Kind verstummte und schaukelte es vorsichtig.
"Siehst du! Er mag mich!" erklärte sie glücklich und drückte es sacht. Doch die Ruhe währte nicht lange. Wieder begann das Kind zu weinen und nun lief auch Julie durch das Haus. Das Gesicht des Kindes verfärbte sich rot von der Anstrengung des Schreiens und endlich durfte Anna es auch einmal in den Arm nehmen. Wieder verstummte das Kind für eine kurze Weile, doch erneut begann es zu weinen.
Manon war ratlos. Das Kind hatte sehr viel der Milch wieder abgestoßen und musste hungrig sein. Was, wenn es nun bereits krank war und deshalb keine Nahrung behalten konnte? Hatte die Mutter es deshalb ausgesetzt, weil sie das Kind schon abgeschrieben hatte? Konnte eine Mutter so herzlos sein?
Das Baby schlief irgendwann erschöpft ein, doch nicht sehr lange. Während Manon das Essen für die Mädchen zubereitete, wechselten die Beiden sich mit dem Tragen ab. Doch keine der Drei schaffte es, dem Kind erneut Milch einzuflößen. Jedes Mal sog es kurz gierig, dann erbrach es die Milch sofort wieder. Der Tag verging und Manon war am Verzweifeln. Sie glaubte, erfahren genug zu sein, um ein Baby pflegen zu können. Doch weder ein weiteres warmes Bad, noch abgekühlter Kräutertee, den sie in die Babyflasche füllte, konnten das Kind beruhigen. Immer wieder fiel es in einen erschöpften Schlaf, doch jedes Mal begann es schon beim Aufwachen mit dem Schreien.
Das herzzerreißende Weinen des Babys zehrte an den Nerven der Drei. Schließlich war Anna den Tränen nah und musste von ihrer Schwester beruhigt werden, die einfach begann, mit Anna und ihrer Mutter über Namen für das Kind zu diskutieren. Manon begann, das Essen für ihren Mann zu kochen und zog die Stirn in tiefe Kummerfalten. Seufzend beschloss sie, Jules zu bitten, eine Hebamme zu bezahlen, um das Kind zu untersuchen. Das würde ein großes Loch in die Haushaltskasse reißen, doch war sich die junge Mutter sicher, dass ihr Mann es nicht verbieten würde. Seufzend blickte sie aus dem Fenster in die Abenddämmerung, nahm das Essen vom Feuer und beugte sich über das Kind, um es in den Arm zu nehmen. Sie drückte es liebevoll an sich und blickte in das blasse Gesicht.
"Sei nur ruhig, mein kleiner Kerl. Sicher finden wir noch heraus, was dir fehlt." raunte sie beruhigend. Als hätte das Kind sie verstanden, öffnete es plötzlich die Augen und blickte ihr direkt ins Gesicht. Manon erstarrte. Nicht nur, dass sie plötzlich das Gefühl hatte, von diesem Kind bis in die Seele erkannt worden zu sein. Sie hätte schwören können, dass dieses Baby blaue Augen hatte. Doch nun blickte sie in zwei große, tiefschwarze Pupillen und für einen Moment glaubte sie sogar ein kurzes Aufglühen zu sehen, bevor es einen langen, schrillen Schrei ausstieß.

1 Kommentar:

  1. Also doch...

    Vampire züchten ist nicht so einfach. Nichteinmal ihnen wohlmeinend auf die Beine zu helfen.

    Auch die Hebamme wird wohl nicht viel feststellen können, als dass dies ein gesunder Säugling ist, der nicht auf konventionelles Stillen anspricht.

    Aber was war das nun in seine Augen? Ist seine mentale Fähigkeit erwacht? Kann Anya das wahrnehmen oder ist sie so blind, wie sie stumm ist? Hat Armand das warhgenommen, was gerade passierte?

    Das war aber jedenfalls ein stark einschneidender Augenblick im Leben des Kindes und auch der Leihmutter.

    LG
    Joe

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