Sonntag, 19. August 2012

Noctambule III: Brut des Teufels

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Caterine stand in ihrer großen Küche vor einem Berg Kartoffeln aus eigener Ernte und grübelte während sie schälte. Das junge Mädchen stellte sie vor ein Rätsel. Nicht nur, dass sie offenbar ihren Namen vergessen hatte, sie konnte auch nicht erklären, warum sie in unschicklichen Hosen herumlief, die noch dazu so schmutzig waren, dass Caterine sie gar nicht mehr richtig sauber bekam.


Höchst seltsam waren die Schuhe, die überhaupt nicht zu dem restlichen Erscheinungsbild passen wollten. Die Schuhe waren eindeutig teuer und aus edlem Material. Sie gehörten zu einem schönen Kleid für einen Spaziergang und Caterine hatte ihr Leben lang von solchen Dingen geträumt.
Nun lag nebenan ein hübsches, junges Mädchen, das durch eine scheinbar leichte Kopfverletzung ihr Gedächtnis verloren hatte. War sie eine Diebin? Doch dagegen sprach, dass die Hose und das Hemd überhaupt nicht gepasst hatten, sondern viel zu groß waren. Die Schuhe hingegen hatten wie angegossen gesessen. Leider waren sie nun so ruiniert, dass Caterine erwog, sie in den Müll zu werfen.
Nachdenklich fiel der Bauersfrau ein, dass die Hände des Mädchens weich und ohne Schwielen waren. Hände einer verwöhnten, jungen Frau aus reicher Familie. Welches Schicksal war diesem jungen Ding widerfahren? Hatte man sie entführt? War sie weggelaufen? Caterine beschloss, ihren jüngsten Sohn in die Stadt zu schicken, um in Erfahrung zu bringen, ob jemand vermisst wurde, auf den die Beschreibung dieses Mädchens passte.

Sie hatte kaum diesen Plan zu Ende gedacht, als sich die Tür öffnete und ihr jüngster Spross herein schlenderte. Er trug ein grimmiges Gesicht zur Schau und obwohl er ihr einen Kuss auf die Wange drückte, bevor er sich in die Eckbank quetschte, schien es Caterine so, als sei er sehr schlecht gelaunt.
"Du bist ja richtig pünktlich, Yanis!" meinte sie lächelnd über die Schulter ohne mit dem Schälen der Kartoffeln aufzuhören. "Hast du etwas in Erfahrung bringen können?" Ihr Sohn stützte seine Ellbogen auf den Tisch und grub die Finger in die Haare.
"Nein. Die glauben mir zwar, dass es eine Frau gewesen ist und ich habe sie ihnen auch beschrieben, aber sie können damit nichts anfangen. Sie glauben nicht, dass eine einzelne Frau – und noch dazu so eine kleine – so viele Männer brutal überwältigen kann." seufzte er erschöpft. Caterina warf ihm einen langen Blick zu und war froh darüber, dass er nicht zu ihr schaute. Auch sie hatte Probleme mit seiner Geschichte.
"Nun, vielleicht haben ja vor dem Haus Komplizen gewartet, die du nicht gesehen hast. Vielleicht haben sie nur darauf gewartet, eine gute Chance zu haben, ihre Freundin zu befreien?" warf sie ein. Sie hatte sich wieder ihren Kartoffeln zugewandt und nun sah sie selbst den bösen Blick ihres Sohnes nicht.
"Mutter! Es gab keine Komplizen! Die hätten sie raus geholt, als ich das erste Mal weg war!" giftete er. Caterine zuckte ungerührt mit den Schultern.
"Was willst du jetzt tun? Hast du dich schon nach einer neuen Lehrstelle umgesehen?" fragte sie mit dem vorsichtigen Versuch, das Thema zu wechseln. Doch sie hörte nur ein unwirsches Schnaufen hinter sich.
"Nein. Ich werde mir Arbeit suchen, bis ich eine neue Ausbildung bekomme. Aber ich war beim Priester. Er hat mir interessante Dinge erzählt." Caterine schaute kurz fragend über die Schulter und sammelte dann die Kartoffelschalen in einer großen Schüssel, die sie später den Schweinen geben würde.
"Was hat er denn erzählt?" verlangte sie halbherzig zu wissen. Sie konnte die Gedankengänge ihres Sohnes seit dem schrecklichen Vorfall nicht mehr nachvollziehen und hoffte inständig, dass er sich beruhigen würde. Doch hatte es gerade nicht den Anschein, als ob er auf andere Gedanken käme.
"Er sagt, dass es immer schon Vampire gab." platzte Yanis heraus und hob trotzig den Kopf. Caterine wischte ihre Hände an der Schürze ab und drehte sich ihm nun ganz zu.
"Yanis Chevrier! Wirst du wohl mit diesem Unfug aufhören?! Vampire sind Märchengestalten! Man hat sie erfunden, um Kindern Angst einzujagen, damit sie auch ja brav im Bett bleiben nachts!" erklärte sie nun energisch, wobei sie die Arme verschränkte und ihn streng ansah. Doch ihr Blick verfehlte seine Wirkung komplett. Yanis starrte stur zurück.
"Ich glaube dem Priester! Es gibt sie! Es sind Dämonen! Gestalten des Teufels! Und ich habe in eine Teufelsfratze gesehen, Mutter!" Er war laut geworden. Caterine seufzte schwer und musterte ihren jüngsten Sohn zutiefst besorgt. Noch immer war sie davon überzeugt, dass er einen mächtigen Schock erlitten hatte. Yanis war noch keine sechzehn Jahre alt und hätte in einem Jahr seine Gesellenprüfung gehabt. Seit vier Jahren schon hatte er bei Bäcker Perlot gearbeitet und war gerne zur Arbeit gegangen. Doch nun hatte Caterines Nesthäkchen ganz offensichtlich einen schrecklichen Alptraum erlebt und konnte sich nicht davon erholen.
Caterines Blick ruhte nachdenklich auf dem gesenkten Schopf ihres Sorgenkindes. Yanis war nach vier Fehlgeburten auf die Welt gekommen und auch wenn sich Caterine nach zwei Söhnen sehnlich eine Tochter gewünscht hatte, so war dieses Kind gleichzeitig ihre größte Freude und tiefste Sorge. Er war immer wieder krank geworden, blieb schmächtig und wollte einfach nicht wachsen. Zwar verfügte er inzwischen über erstaunliche Kräfte, die niemand seinem schmalen Körper zutrauen wollte, doch hatte er als kleines Kind so oft an der Grenze zum Tod gestanden, dass Caterine von ihrem Mann – Gott hab ihn selig - immer wieder ermahnt worden wahr, ihn nicht zu verhätscheln.
"Du hast in das Gesicht einer Mörderin gesehen, Yanis! Ich finde in einem Mörder nichts Menschliches mehr. Sie sind kalt und berechnend! Kein Wunder, dass du nun so denkst! Komm zu dir, Junge!" versuchte sie es erneut, doch Yanis schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass sie zusammen zuckte. Mit offenem Mund blickte sie in seine zornigen Augen.
"Du irrst dich, Mutter! Sie trank das Blut und hatte Zähne wie ein Wolf! Schlimmer noch! Sie war blass wie der Tod und sprach zu Jaques ohne dass ein Wort zu hören war! Er war wie gelähmt, konnte nicht wegsehen und faselte dummes Zeug von ihrer sanften, schönen Stimme!" schrie Yanis und stand nun auf, den Kopf wie ein wütender Stier gesenkt. Seine folgenden Worte waren geprägt von einem festen, unerschütterlichen Entschluss.
"Sie ist ein echter Dämon, Mutter! Wunderschön und schmeichelnd, verlockend wie Eva und doch die reinste Sünde! Aber man kann sie töten, Mutter. Und das werde ich auch tun! Der Priester sprach von einem Kloster in den Bergen. Dorthin werde ich gehen und alles lernen, um diese Brut des Teufels endgültig zu töten!"

1 Kommentar:

  1. *schüttelt sich*

    Jetzt liegt die Vertraute, gar Geliebte, der Vampire im Nebenzimmer des jungen, der versuchen wird sie mit allen Mitteln zu verfolgen.

    Hat Miriam diese Unterhaltung gehört? Was weckt das Wort Vampir in ihr für eine Erinnerung? Hoffentlich verrät sie sich und andere nicht.

    Und Yanis will also nun Haus und Hof verlassen und sein Leben dem Kampf gegen die Vampire widmen und dafür gar in ein Kloster gehen? Na dann bin ich ja mal gespannt, was er dort lernt. Oder schafft Mutern es, ihm das auszureden?

    LG
    Joe

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