Sonntag, 5. August 2012

Noctambule III - Rückblick: Aufgebrachter Mob

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Nun sprang Frederic auf, Zornesröte färbte sein Gesicht und seine Faust donnerte auf den Tisch.
"Das beweist nichts?" brüllte er. "Mir beweist das genug! Jan redet von einem schwarzhaarigen Riesen, das Kind von einem blonden Engel! Wo ist Nathan? Der hat doch das Pack in sein Haus gelassen! Die Beschreibung passt doch haargenau! Was wollen wir denn noch mehr?!" Zustimmung wurde laut, man schaute sich suchend nach Nathan um, der still und blass in einer Ecke hockte und seinen Eintopf nicht mehr angerührt hatte. Hinnerk erhob sich wieder.



"Fred hat Recht! Tagscheues Gesindel! Seltsame Schreie im Haus und Tote! Das reicht mir schon als Beweis! Seitdem die hier sind, sterben unsere Bürger wie die Fliegen!" schrie er. Der Bürgermeister hob beschwichtigend die Hände.
"Langsam! Wir dürfen sie nicht einfach verurteilen! Wir haben sie nicht einmal gefragt!" Höhnisches Gelächter unterbrach ihn, Stimmengewirr wurde laut, alle übertönt von dem eifrigen Hinnerk, der keine Fragen mehr hatte sondern Antworten geben wollte. In diesem Moment öffnete sich die Schanktür und störte die Diskussion mit einem Schwall kühler, frischer Nachtluft. In der offenen Tür stand Lucie, die Frau Nathans, der nun aufsprang.
"Was machst du hier, Weib?" fragte er erschrocken. Die Männer wurden still, etliche drehten sich zu ihr und Nathan drängte sich eilig durch die Leute, bereit, sofort mit ihr zu gehen. Lucie trug ihr Kind mit sich, das warm eingepackt in ihrem Arm schlief. Sie nickte ihrem Mann knapp zu und wandte sich sofort an die Männer.
"Man hört euch bis weit die Gasse hinauf." schimpfte sie, als wäre das der Grund ihres Eintretens. Jeder wusste jedoch, dass sie viel zu weit weg wohnte, um sich daran zu stören. Es musste einen anderen Grund geben, daher schwiegen alle weiterhin. "Jan hat richtig gesehen. Auch ich habe diese schrecklichen Zähne schon einmal gesehen. Ich verdanke es wohl nur Gott, dass ich noch lebe." Nathan wurde bleich und packte den Arm seiner Frau.
"Was sagst du da, Lucie?" jappste er schockiert. Sie drehte den Kopf mit funkelnden Augen zu ihm und musterte ihn voller Verachtung.
"Ich habe es dir ja sagen wollen, aber du hörst mir ja nicht zu!" giftete sie nun. "Die blonde Frau! Die habe ich für eine Sekunde gesehen als wir deine Mutter das letzte Mal vor ihrem Tod besuchten! Ich sah das Teufelsgebiss! Ich habe es gesehen!" zischte sie den Männern zu. Etliche waren blass geworden und gafften sie mit offenem Mund an, doch Lucie schaute sich suchend nach Jan um und fixierte sein Gesicht.
"Lange, scharfe und spitze Zähne, nicht wahr? Die Reißzähne zu beiden Seiten besonders lang! Hast du das auch gesehen?" Jan wurde bleich und nickte langsam. Ihm fehlten die Worte, doch die Erleichterung, dass endlich jemand seine Erfahrung bestätigte spiegelte sich in seinem Gesicht, nur getrübt durch den Schock, dass er das alles doch nicht geträumt oder gar den Verstand verloren hatte.
"Was habe ich gesagt? Nathan hat uns mit seinen Mietern Dämonen in die Stadt gebracht! Wir müssen den Teufel vertreiben, ehe er uns alle vernichtet!" schrie Hinnerk aus dem Hintergrund. Frederic knallte zustimmend den Bierkrug auf den Tisch und stand auf.
"Meine Worte! Wir haben keine Wahl! Wir müssen unsere Familien schützen!" Nathan war aschfahl geworden und drängte Lucie zur Tür zurück.
"Geh nach Hause, Lucie! Rasch! Keine Widerrede!" flüsterte er ihr zu und hielt ihr die Tür auf. Lucie öffnete den Mund zu einer Antwort, doch Nathan schüttelte mit beschwörendem Blick den Kopf und schob sie hinaus. Als er die Tür zuzog und sich den Männern zu wandte, starrten ihn alle an, der Bürgermeister voller Mitgefühl, die anderen jedoch eher feindselig.
"Ja, schick deine Frau und dein Kind nur schutzlos in die Dunkelheit hinaus! Jetzt, wo die Teufel aktiv sind!" höhnte Frederic, was Nathan noch blasser werden ließ.
"Wir müssen etwas unternehmen! So schnell es geht!" rief Peer, ehe Nathan reagieren konnte.
"Holt den Priester!" verlangte ein anderer. Wieder riefen die Männer durcheinander. Nathan blinzelte. Die Angst um Lucie war mit dem Vorwurf erst entstanden, denn noch nie hatte er an einen Überfall auf Lucie oder ihn gedacht. Als er zur Tür griff, um Lucie zu folgen, stürzte Hinnerk nach vorn, packte Nathan an der Schulter und riss ihn zurück. Verblüfft taumelte Nathan gegen die Theke und starrte Hinnerk verständnislos an. Der jedoch hatte die Zornesröte im Gesicht.
"Du gehst jetzt nicht raus!" brummte er und blickte zu den Männern, anklagend den Finger gegen Nathan erhoben.
"Warum ist ihm und seiner Familie wohl noch nie etwas passiert? Habt ihr mal darüber nachgedacht? Wenn er jetzt geht, warnt er sie!" Nathan öffnete den Mund zum Widerspruch, doch sofort wurden die Männer laut. Einige standen drohend auf, andere schüttelten die Fäuste. Nun kroch Wut in Nathan hoch. Obwohl ihm bewusst war, dass Hinnerk Hilfe von den anderen bekommen würde, ballte er die Fäuste.
"Du bist doch irre! Ich will doch nur Lucie sicher nach Hause bringen!" brüllte er. Gleichzeitig stürzte er sich auf Hinnerk und riss ihn mit einem gezielten Faustschlag um. Noch bevor er zu einem weiteren Schlag ausholen konnte, spürte er Hände an den Schultern und Armen. Drei, vier Männer warfen sich auf ihn und drückten ihn zu Boden. In dem Tumult hörte kaum einer auf die mahnende Stimme des Bürgermeisters, doch Ruhe zu bewahren. Er wurde einfach ignoriert.
"Sperrt ihn in den Weinkeller!"
"Holt den Priester!"
"Brennt das Haus nieder!" Die Männer schrien durcheinander, zwei schleiften den sich wehrenden Nathan zur Kellertür, die der Wirt hastig öffnete. Nathan wurde die Treppe hinunter gezerrt und mit den Händen auf dem Rücken gefesselt. Einer steckte ihm seine Mütze als Knebel in den Mund. Als die Tür sich schloss, lag Nathan hilflos im Dunklen. Über ihm polterten Schritte und dumpfe Rufe drangen zu ihm, die er nicht verstehen konnte. Hilflose Wut ließ die Tränen über seine Wangen laufen, die Angst um seine Familie schnürte ihm die Kehle zu.

1 Kommentar:

  1. Da ist er, der Mob mit Fackeln und Forken. Es konnte ja kaum gutgehen mit der aufgebrachten Meute. Dan auch noch Lucie herein und mact es nur noch schlimmer und bringt auch sich selbst noch in Gefahr

    Das nimmt sicherlich ein übles Ende.

    Die Frage ist nur, für wen. Was ist mit Nathan und seiner Familie? Wird man ihnen glauben, dass sie nichts damit zu tun hatten?
    Armand wird davonkommen. Das zeigt der weitere Verlauf der Geschichte. Aber zu welchem Preis? Was ist mit Brid und Inga? Wie kommt das arme Menschenmädchen mit der Meute vor der Tür zurecht?

    LG
    Joe

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