Mittwoch, 15. August 2012

Noctambule III: Das Richtige

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Manon war erschöpft und am Rande ihrer Kräfte. Der kurze Moment des Schrecks war bereits wieder verflogen, doch blieb er im Hinterkopf der jungen Mutter während sie versuchte, den kleinen, steifen Körper zu wärmen und den verzweifelten Geist des Kindes zu beruhigen.


Sie wusste nicht mehr weiter und verzweifelte an der Situation. So groß war heute Morgen noch die Freude gewesen. Doch die helle, glückliche Aufregung war der Panik gewichen und nun war dieser kleine Junge die Ursache dafür, dass zwei Mädchen auf dem Bett hockten und sich gegenseitig mit festen Umarmungen trösteten, während Manon das verzweifelte Schreien des Kindes nicht mehr ertragen konnte.
Zweimal war das Baby in der letzten Stunde erschöpft für einige Minuten eingeschlafen. Diese wenigen Minuten der Ruhe hatten Manon gut getan und sofort waren Mitgefühl und innige Liebe für das hilflose Wesen in ihrem Arm wieder erwacht.
Das kleine Gesicht mit dieser unendlich sanften, weichen Haut war so wunderschön, dass sie nicht anders konnte, als sanft ihre Lippen darauf zu drücken. Es fiel ihr nicht schwer, sich einzugestehen, dass keine ihrer Töchter so ein wunderschönes Baby gewesen war. Sie hatte nur ein schlechtes Gewissen bei diesem Gedanken, doch verflog auch dies schnell wieder.
Diese Momente des erschöpften Schlafs endeten immer auf die gleiche Weise. Das Gesicht verzog sich, der kleine Körper krümmte sich kurz und wurde dann stocksteif. Die Hände waren nicht mehr zu Fäusten geballt sondern die kleinen Finger spreizten sich ebenso steif von den Handflächen ab wie die Beine vom Körper.
Nichts schien zu helfen und Manon hatte wirklich alles versucht. Allerdings war sie erleichtert, dass die Augen nun zusammengekniffen blieben und sie nicht wieder ansahen. Sie hatte den Schreck zwar überwunden, doch war ihr dieser tiefe Blick nicht geheuer gewesen. Irgendetwas stimmte mit diesem Kind nicht. Wenn sie nur etwas dagegen tun könnte, dass es die Milch erbrach und nun jede Nahrung verweigerte!

Als sich die Tür öffnete, hob Manon erleichtert den Kopf. Jules war wieder da und er würde wissen, was zu tun war. Bestimmt würde er zustimmen, die Hebamme zu rufen, auch wenn dies ein großes Loch in die Haushaltskasse reißen würde. Doch es war nicht Jules, der das kleine Haus betrat. Manon erstarrte, als der Fremde sich unter dem Türbalken hindurch duckte und wieder aufrichtete.
Es war, als erfüllte dieser Mann den kompletten Raum sofort mit seiner Persönlichkeit. Der bodenlange Umhang war schmutzig und auch die Kleidung, die bei seinen Bewegungen unter dem Umhang zu sehen war, war voller getrocknetem Schlamm. Dennoch fiel das alles nicht ins Gewicht, als Manon in das blasse Gesicht blickte.
Lange, schwarze Haare umrahmten dieses unsagbar schöne, markante Gesicht mit den hohen Wangenknochen und diesen sinnlichen Lippen. Das Kinn war etwas kantig und zeugte von energischem, selbstbewusstem Auftreten. Die Nasenflügel bebten kurz, als habe ein Raubtier Witterung aufgenommen. Doch das alles nahm Manon nur am Rande wahr. Mit angehaltenem Atem blickte sie in diese tiefschwarzen Augen, die kurz den Raum abgetastet und alles aufgenommen hatten, was sich darin befand, bevor sie sich sanft auf Manon und das Kind legten.
Ohne den Blick von diesen Augen abwenden zu können, bemerkte Manon die geschmeidigen Bewegungen, mit denen er den Umhang zurückschlug und ihr zunickte. Sie wollte etwas sagen und öffnete den Mund, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Auch die beiden Mädchen auf dem Bett waren nicht zu hören. Außer dem Weinen des Kindes schien jeder Laut in diesem Raum verschluckt zu werden.
Die Augen des Fremden wanderten zu dem Kind in ihrem Arm und blieben darauf liegen. Für einen winzigen Moment glaubte Manon einen weichen, liebevollen Schimmer in dem Gesicht des Fremden gesehen zu haben, dann war die reglose Maske wieder da und sein Blick hob sich zu Manons Gesicht.
"Gib mir das Kind." Manon spürte, wie es in ihrem Nacken zu kribbeln begann und sich von dort aus eine Gänsehaut über ihrem ganzen Körper ausbreitete. Diese Stimme war betörend! So tief und melodiös, so sinnlich und dennoch fest und vor allem schien sie in ihrem Kopf widerzuhallen wie ein Echo. Blinzelnd versuchte sie, die Benommenheit abzuschütteln, die sie befiel.
"Mein Mann hat es gefunden." hauchte sie stammelnd. Das Kind war nun ihres und sie würde es nicht hergeben! Unbewusst wiegte sie das weinende Kind in ihrem Arm, ohne den Blick von den Augen des Fremden lösen zu können.
"Es ist krank." erklärte sie und spürte ein verzweifeltes Schluchzen in ihrer Kehle aufsteigen. Der Fremde nickte und machte zwei Schritte auf sie zu. Seine großen Hände hoben sich und drehten die Handflächen nach oben in der Erwartung, dass sie das Baby hineinlegen würde. Doch noch immer machte Manon keine Anstalten, ihm zu gehorchen.
"Gib es mir." Manon war sich nicht sicher, ob sich seine Lippen bewegt hatten. Wortlos starrte sie in die schwarzen Augen, die immer größer zu werden schienen und hatte plötzlich das Gefühl zu schweben. Sie spürte nicht mehr die Wärme des Feuers und auch nicht die harte Stuhllehne in ihrem Rücken. Sie spürte nicht einmal mehr das Kleid, das sie auf der Haut trug. Sie fühlte sich leicht und geborgen wie ein kleines Kind im Arm seiner Mutter und mit einem Mal fühlte es sich richtig an, das Baby in diese großen Hände zu geben.
Langsam, wie in Zeitlupe, hob sie das Kind und legte es behutsam in die Handflächen, ohne selbst hinzusehen. Kaum hatte sie das Baby los gelassen, als er sich langsam wieder zurück zog und den Blick auf das Kind senkte. Vorsichtig schob er das schreiende Bündel in seine Armbeuge und zog fürsorglich den wärmenden Umhang nach vorne.
In Manon breitete sich ein Gefühl der Leere aus und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie fror und schlang schützend die Arme um ihren Körper, während der Fremde sich wieder aufrichtete und ihr zunickte.
"Du hast das Richtige getan." raunte er leise, drehte sich dann um und verließ das Haus.

2 Kommentare:

  1. das war ja mal seeeehr wie soll ich das jetzt sagen...hmm unspektakulär

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  2. So sieht Armand also seinen Sohn zum ersten Mal.

    Ich fnde es auch unspektakulär, aber richtig. Er hat sich beherrscht und Anya gebremst um das Leben der Familie zu verschonen. Warum sollteer sich also jetzt umentscheiden und dort ein Blutbad anrichten.

    Auch braucht er natürlich keine sonstige Gewalt, weil er andere Fähigkiten hat.


    Nun hat Armand ud damit Anya also das Kind wieder wohlbehalten zurück.

    Ich hatte zu Anfang fast befürchtet, man würde Miriam zuerst finden. Aber so ist es ja nun nicht. Die kommt auch so wieder auf die Beine bei einem warmemn Feuer und guter Versorgung durch ihresgleichen.

    Ein Kapitel ist abgeschlossen - ein neues kommt nun.

    LG
    Joe

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