Freitag, 17. August 2012

Noctambule III: Wieder einmal allein...

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Sergej konnte den Anblick der kleinen Familie kaum ertragen. So gerne hätte er sich einfach mit ihnen gefreut und das Glück mit ihnen geteilt. Doch dazu fehlte Miriam in seinen Armen und die Möglichkeit seinen Wunsch, mit ihr das gleiche Glück erleben zu dürfen, mit zärtlichen Blicken mitzuteilen.


Anya hatte ihm berichtet, das sie von der Jagd zurückgekommen war und Miriam nicht hatte finden können. Sie hatte auch von der nassen Wäsche am Ufer berichtet, von der ein großer Teil zwar fortgeschwemmt worden war, Anya aber dennoch zu der Folgerung brachte, dass Miriam versucht hatte, die Windeln zu reinigen.
Er hatte Miriam nie gefragt, ob sie schwimmen konnte. Doch sein Hirn weigerte sich einfach zu akzeptieren, dass sie ertrunken sein könnte. Er hatte sich von Anya beschreiben lassen, wo Miriam gewesen sein musste. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass er gemeinsam mit Armand und Anya suchen würde. Doch nun beobachtete er das junge Familienglück und brachte es nicht über sich es zu stören.
Aber seine Unruhe wurde größer und größer. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und erhob sich. Armand blickte kurz zu ihm und als sich die Blicke der Freunde trafen, waren Worte nicht mehr nötig. Armand nickte nur kurz mit ernstem Gesicht, dann wandte sich Sergej ab und verschwand lautlos in der Dunkelheit der Nacht.
Nachdem Armand mit dem Kind zurückgekommen war, hatten sie gemeinsam nach einem Ort gesucht, an dem sie sich ungestört zurückziehen konnten. Sie hatten den Rückweg zum Wald eingeschlagen und nun machte sich Sergej wieder auf in Richtung Stadt.

Er fand schnell die Brücke und die Stelle daneben, wie Anya es ihm beschrieben hatte. Noch immer lag dort ein Stück des zerrissenen Umhangs, inzwischen allerdings getrocknet. Ein zweites Stückchen Stoff entdeckte Sergej nach einigem Suchen zwischen zwei Steinen im Wasser. Immer wieder schwappte frisches Wasser in den Spalt, doch die Öffnung zum Fluss hin war nur haarbreit und wurde zum größten Teil von dem Stoff verstopft. Sergej fischte den Stoff heraus, ließ ihn aber dann wieder zurück fallen und starrte auf das vorbei rauschende Wasser.
Hier also hatte Miriam gehockt und versucht zu waschen. Wenn sie wirklich nicht mehr leben sollte, dann befand sich Sergej genau an der Stelle, an der sie die letzten Momente ihres Lebens verbracht hatte. Sergejs Hals zog sich eng zusammen und er vertrieb diese düsteren Gedanken. Doch seine Angst wuchs stetig an.
Er hätte an Miriams Stelle diesen einen großen Stein benutzt, um die Wäsche sauber zu schrubben. Um keine nassen Füße zu bekommen, hätte sie aber auf der anderen Seite stehen müssen und so umrundete Sergej den Stein und versuchte sich vorzustellen, wie sie wohl gestanden hatte.
Was war hier geschehen? Was hatte Miriam dazu gebracht, das Baby alleine zurück zu lassen? Sergej sah sich um und betrachtete die Böschung, die von hier unten aus doch recht steil wirkte. Seine scharfen Augen erkannten die Rutschspuren im Lehm, der durch den regenfreien Tag inzwischen von der Sonne getrocknet worden war.
Hatte Miriam versucht, an dieser Stelle hinauf zu klettern? Wenn ja, hatte sie es geschafft oder war sie zurückgefallen? Sergej gestand es sich nicht gerne ein, aber wenn das Gras nass und der Lehm rutschig gewesen waren, dann bestand kaum eine Chance, hier hinauf zu kommen, ohne irgendwie auszurutschen.
Schweren Herzens stellte sich Sergej vor, wie Miriam ausgerutscht sein könnte. Vor seinem inneren Auge fiel sie zurück und stürzte auf die Steine. Hastig begann Sergej nun die Steine abzusuchen und entdeckte das, was Anya nicht berichtet hatte: Blut auf einem Stein. Zwar war es inzwischen getrocknet und hatte jeden Duft verloren, doch Sergej erkannte Blut auch in diesem Zustand. Sein Herz setzte kurz aus, als er berechnete, ob Miriam hier auf den Stein geprallt sein könnte.
An dieser Stelle hätte der Fluss sie wirklich mit sich ziehen können. War Miriam ertrunken? Nachdem sein Herz einmal ausgesetzt hatte, hämmerte es nun umso heftiger. Sergej spurtete hastig los. Dass Anya dieses Ufer bereits abgesucht hatte, hinderte ihn nicht daran, es selbst noch einmal zu untersuchen. Mit weiten Sprüngen tobte er das Ufer flussabwärts. Doch so viele Strudel und steinige Abfangmöglichkeiten er auch entdeckte, von Miriam fehlte jede Spur.
Hatte sie jemand gefunden und gerettet? Wenn ja, wo war sie nun? Aber wer sollte an diesem ungemütlichen Ufer schon herum turnen und einen Körper entdecken? Schließlich sank Sergej auf einem Stein zusammen und stemmte die Stirn in die Hände. Ein tiefer Schluchzer drängte sich nach vorne und nur mit letzter Mühe konnte er verhindern, bitterlich los zu weinen.
Mit brennenden Augen starrte er auf das Wasser, das in der Dunkelheit glitzernd die Sterne widerspiegelte. Er hatte Miriam verloren und keine Ahnung, wo er sie suchen sollte. Endlich hatte er seine Gefühle zugelassen und doch war es nun zu spät. Wieder einmal war er alleine.

1 Kommentar:

  1. Ach Sergej du armer Tropf.

    Mit forensischer Präzision hast du das Ufer abgesucht und den "Tathergang" doch so solide rekonstruiert.

    Nun gib doch nicht so schnell auf. Wo man Miriam aus dem Fluss gezogen hat, werden auch Spuren entstanden sein. Die sollten doch zu finden sein.

    Und selbst wenn nicht. Miriam wird irgendwann aus ihrer Ohnmacht erwachen und dann wird sie immer noch versuchen zum Landgut zu kommen.

    Aber ich kann dein Leid auch verstehen, lieber Sergej. Und ich bewundere wie besonnen du sein kannst, im Angesicht des Glücks. dass Armand und Anya gefunden haben.

    Jetzt nur den Kopf nicht hängen lassen.

    LG
    Joe

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