Samstag, 4. August 2012

Noctambule III - Rückblick: Der blonde Engel

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Müde, schmutzig und mit düsteren Blicken waren die einzelnen Gruppen in der Schänke eingekehrt. Der Wirt war vorbereitet, hatte Brote und Eintopf bereitgestellt und ein frisches Bierfass aus dem Keller geholt. Die erste Gruppe war schweigsam gewesen, doch mit der Rückkehr der zweiten Gruppe wurde es bereits lebhaft. Die Männer tauschten sich aus, berichteten von ihren Erlebnissen am Tag und warteten ungeduldig auf die letzten beiden Gruppen, die allerdings auch den weitesten Weg zurücklegen mussten.


Niemand störte sich an dem Schmutz, den die schweren Stiefel in die Wirtschaft schleppten und auch nicht an dem Geruch von Schweiß oder Pferd. Bürgermeister, an diesem Tag nicht in seiner Amtstracht sondern selbst in schmutziger Wanderkleidung, erhob sich schließlich und verschaffte sich Gehör.
"Männer! Ich möchte Eure Berichte hören. Jede Gruppe nacheinander. Peer, du fängst am Besten an!" befahl er und setzte sich mit amtlich wichtiger Miene wieder. Peer stand auf, wischte sich den Eintopf aus dem Bart und blickte sich düster um. Doch bevor er zu Wort kam, meldete sich kurz ein anderer und begann schon zu sprechen.
"Uns braucht man nicht fragen! Wir haben den Wald bis zur Maas abgesucht und außer Fuchskot und einer guten Torfstelle gar nichts gefunden!" Seine Worte riefen Lacher und Murren hervor, doch dann wurde es wieder ruhig und alles sah zu Peer.
"Meine Gruppe hat sich von Jan die Stelle zeigen lassen. Wir haben Blut im Gras gefunden. War nicht viel, aber eindeutig Blut. Dann sind wir bis Born durch den Wald gegangen. Auf dem Rückweg machten wir einen Bogen nach Libricht und hinter Libricht fanden wir die Leiche von Dirk." Ein Raunen ging durch die Männer. Viele setzen betroffen ihre Bierkrüge ab, andere hörten auf zu kauen und schwiegen. Peer schnaufte.
"Seine Leiche haben wir mitgebracht. Er sieht aber friedlich aus, fast glücklich. Aber wir haben keine Verletzung gefunden. Männer, ich hab schon Tote gesehen, aber Dirk ist so weiß, dass man glauben könnte, ihm sei das Blut in den Adern gefroren!" Er blickte finster in die Runde und setzte sich wieder. Leises Gemurmel brach aus, Hinnerk aber sprach laut.
"Wer dem Teufel in die Augen sieht, dem gefriert das Blut auch! Männer, welches Tier tötet einen Mann und schleppt ihn so weit weg, ohne ihn zu fressen? Warum sieht man keine Verletzungen, wenn Jan doch von Blut sprach und Blut auch gefunden wurde? Ich sage euch, das geht nicht mit rechten Dingen zu! Ich sage, da ist böse Zauberei im Spiel!" Er blickte sich eindringlich um und bohrte seinen Blick in die Augen des Bürgermeisters, der nachdenklich die Lippen schürzte. Auch er war betroffen von der Bestätigung von Dirks Tod. In seiner ganzen Amtszeit hatte er noch nie mit einem Mord im ruhigen Sittard zu tun gehabt. Doch das ging ihm nun zu weit.
"Nun mal langsam! Hören wir uns erst einmal die anderen Berichte an." wandte er etwas lahm ein und schaute auffordernd zu einem anderen Mann. Der erhob sich und zögerte räuspernd.
"Wir haben die Station und den Gasthof "Zum müden Ross" besucht. Es waren auch ein paar Reisende da, die aber nichts besonderes auf der Reise bemerkt haben. Aber sowohl in der Station als auch im Ross sind einige nicht angekommen, die sich angemeldet hatten. Die Wirte dachten beide, dass die Reisenden es sich eben anders überlegt haben. Das passiert oft genug. Aber das Datum mit dem durchgegangenen Pferd und der gefundenen Kutsche passt zu den Voranmeldungen, die nicht wahrgenommen wurden. Im Ross erzählte die Köchin, dass in einer Reisegruppe von Wanderern über Nacht einer verschwunden ist. Sein ganzes Gepäck war aber da. Die Gruppe hat einen Tag gewartet und zog dann weiter." Er stockte und überlegte wohl, was er vergessen haben könnte, doch sein Kumpan sprang für ihn ein und stellte sich neben ihn.
"Dabei wissen wir aber immer noch nicht, wie viele Händler und Reisende verschwunden sind, die nie eine Anmeldung vorausgeschickt haben. Und wir wissen auch nicht, ob die Leute überhaupt wirklich tot sind!" Wieder wurde gemurmelt und leise diskutiert, doch als der Bürgermeister nun selbst aufstand, wurde es schnell wieder still.
"Wir haben nicht viel zusammenbekommen, würde ich meinen. Wir haben den toten Dirk gefunden, Gott sei seiner Seele gnädig. Und alle anderen werden vermisst. Jan spricht von einer schrecklichen Fratze und blutigen Zähnen, Peers Männer haben Blutspuren gefunden, aber Dirk ist unverletzt." fasste er zusammen. Die Männer blieben ruhig. "Jetzt zu meinem Trupp. Wie ihr wisst, haben wir einige Nachbarn besucht und uns umgehört. Wir haben uns aufgeteilt und sind in Geleen, Obricht, Urmond, Braek und Selfkant gewesen. Überall werden ein oder zwei Menschen vermisst, in Selfkant drei und in Geleen sogar fünf. In Obricht trauert eine Mutter von fünf Kindern um ihren Mann, der noch im Dunkel zum Feld aufbrach. Ihre jüngste Tochter ist seit diesem Tag wirr und redet von einem blonden Engel, der in ihr Fenster gesehen hat. Der Mann wurde nie gefunden, doch wegen des Gefasels von der Tochter hält sie ihn für tot. Aber der Bursche kann auch einfach verschwunden sein. Das alles beweist uns nichts." meinte er ruhig und hob ein wenig ratlos die Arme.

1 Kommentar:

  1. Was für eine verquere Situation.

    Praktisch übrigens, dass der Vampir die Spuren seines Bisses verschwinden lassen kann.

    Der Bürgermeister möchte kühlen Kopf bewahren und eben keinen wütenden Mob erzeugen, weil er eben noch nach einer banaleren Erklärung sucht.

    Doch diesmal haben die Zufälle ihre Berechtigung. Und sie führen alle zu Armand und seinen Freundinnen.

    Wie lange dauert es, bis sie wirklich vor dem Haus stehen. Und wie geht das dann aus?

    LG
    Joe

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