Sonntag, 3. April 2011

Geld ausgeben

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Sebastian stellte den Besen zurück in die Ecke. Dann nahm er sich die Kehrschaufel und den kleinen Handfeger und verfrachtete damit den Haufen Dreck aus Metallspänen, alten Schrauben und allem was sonst in der Werkstatt herumgelegen hatte in den Mülleimer. Er sah sich noch einmal um und nickte zufrieden. Die Werkzeuge waren alle an ihrem Platz und die ganze Werkstattt war sauber.

"Ya he terminado.", rief er nach hinten in das Büro. Immer wieder fluchte er, dass er in Spanisch so schlecht aufgepasst hatte und nur wenige Sätze zu Stande brachte. Aber langsam wurde es besser. Der Besitzer der Werkstatt kam aus seinem kleinen Büro heraus. "Versuchst du wieder Spanisch zu reden?", lachte er. "Ich sehe, dass du fertig bist."

Er fuhr mit dem Finger über eine der Werkbänke und nickte dann zufrieden. "Sehr gut. Morgen also wieder um acht Uhr.", erklärte er und griff in seine Tasche. Dann zog er ein Bündel bunter Scheine hervor und überreichte Sebastian seinen abgezählten Tageslohn. "Bis morgen.", verabschiedete Sebastian sich jetzt auf Englisch. "Hasta mañana", rief ihm der Boss lachend nach.

Sebastian hatte sich beeilt nach Hause zu kommen. Ein kleines, halbwegs sauberes, Zimmer konnte er sich von seinem Lohn leisten. Er angelte nach der Blechdose auf dem Regal über seinem Bett, zog das Scheinbündel heraus und packte die neuen Scheine aus seiner Tasche dazu. Er hatte die letzten Tage extra sparsam gelebt um jetzt mal wieder ein wenig auf den Putz hauen zu können. Als erstes zählte er die Wochenmiete ab und steckte die Scheine in einen Umschlag. Es war noch mehr als genug Geld übrig um heute abend kräftig zu feiern und auch um in den nächsten Tagen noch einkaufen gehen zu können. Der Job in der Werkstatt war wirklich gut bezahlt. Und so langsam wurde er dort auch nützlicher. Anfangs hatte er nur Werkzeuge zurückgetragen und sauber gemacht. Inzwischen kannte er sich tatsächlich schon ein wenig mit den Autos aus und er hatte heute einen Auspuff montiert.

Den Umschlag mit der Miete in der Hand klopfte er an die Türe des Vermieters. "Was willst du? Es ist Miete fällig!", bellte der Kerl ihn an. Sebastian streckte den Umschlag vor. "Und hier ist sie.", sagte er brav. Der Vermieter war Kummer mit seinen Mietern gewöhnt. Wer sich so billige Zimmerchen mietete hatte oft nicht einmal dieses Geld. Ungläubig riss er den Umschlag auf und zählte die Banknoten. Dann lachte er und klopfte Sebastian auf die Schulter. "Ich mag dich kleine Amerikaner. Immer pünktlich Miete. Kein Peso zu wenig. Komm rein. Ich gebe dir ein Tequila." Das ließ Sebastian sich nicht zweimal sagen.

Nach einer halben Stunde und vier Tequila später wankte Sebastian hinauf in sein Zimmer. Es war gerade erst 19 Uhr. Zu früh um feiern zu gehen. Er würde sich noch ein bisschen ins Bett legen. Die anderen Jungs aus der Autowerkstatt würden frühestens um halb neun in der Bar sein. Er legte sich auf den Rücken ins Bett und starrte ins Leere.

Einmal mehr beschlich ihn die Frage, ob es nicht besser wäre zurückzugehen und die drei Jahre im Knast abzusitzen. Seine Mutter hatte Verständnis gehabt, dass er das nicht wollte. Sein Vater hatte ihn durchs Telefon angeschrien, er solle sich gefälligst nach Hause bewegen. Er war am Flughafen danach einfach wieder umgedreht und hatte seine Mutter stehen lassen. Einen Tag noch war er in dem Hotel geblieben, wo er mit seiner Mutter gewohnt hatte. Mit ein bisschen Mogelei hatten sie den zusätzlichen Betrag auf die Kreditkarte seiner Mutter gebucht.

Am nächsten Tag war er voll Tatendrang durch die Gegend gelaufen und hatte an der Werkstatt das Schild gesehen, dass man eine Aushilfe suchte. Dass sein Spanisch mehr als dürftig war, fiel in Tijuana so gut wie gar nicht auf. Hier sprach sowieso fast jeder Englisch. Der Werkstattmeister hatte nicht viele Fragen gestellt. Er hatte ihn etwas arbeiten lassen und Sebastian hatte sich wirklich angestrengt mit dem Aufräumen und durchaus Eindruck gemacht. Danach war er eingestellt. Von einem der anderen Angestellten bekam er den Tip mit den billigen Zimmern in diesem Mietshaus und so hatte er auch schnell eine Bleibe.
Mit seinen Eltern kommunizierte er wenig. Selten rief er sie von öffentlichen Telefonzellen aus an. Sein Handy hatte er verkauft. Es nutzte ihm sowieso nicht viel. Es gingen nur ständig die Anrufe des Bewährungshelfers ein. Seine Mutter war nach wie vor verständnisvoll und jedes mal froh, wenn er sich meldete. Sein Vater dagegen schnaubte immer noch vor Wut. Wenn er das Telefon abnahm, legte Sebastian für gewöhnlich gleich wieder auf.

So lief es nun schon seit über zwei Wochen und wenn es nach ihm ging, konnte es einfach so weitergehen. Irgendwann würde er genug über Autos wissen, dass er eine eigene Werkstatt aufmachen konnte. Bis dahin musste er natürlich eine Menge Geld sparen. Aber das würde schon klappen. Doch heute Abend würde er erstmal ein wenig Geld ausgeben.

1 Kommentar:

  1. Klar, Basti! Dafür geht man auch auf eine Eliteschule. Da sieht man mal, dass Eliteschulen keine Gewähr dafür sind, einen intelligenten Überflieger auszubilden...
    Aber wenn Sebastian glücklich damit ist, die nächsten dreißig Jahre nicht in die Heimat zu kommen und seine Familie nicht zu sehen, dann soll er mal so weiter machen. Und vor allem heute abend feiern gehen... hehe

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