Mittwoch, 6. April 2011

Noctambule II: Der nächtliche Ausflug

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Die Vorbereitungen für ihren Plan dauerten doch etwas länger und Miriam musste ihr Vorhaben um vier weitere Tage auf Freitag verschieben. Sie hatte die Wahl zwischen ihrer alten Amme Susanne und der gleichaltrigen Zofe Sofie. Und natürlich wählte sie die junge Zofe, mit der sie täglich tuschelnd und kichernd neue Kleider anprobierte, alte Kleider aussortierte, über die Klavierlehrerin und die Köchin lästerte und bereits so manche Träumereien und Mädchenschwärmereien geteilt hatte, was Männer und mögliche Ehekandidaten betraf.


In Sofia fand sie tatsächlich eine Verbündete, die ein wahres Abenteuer witterte. Aber Sofie war auch die Vorsichtigere und sie hatte Bedenken, die sie mit leuchtenden Augen flüsternd vortrug.
"Aber das ist wirklich gefährlich. Euch könnte etwas passieren!" Miriam nickte zustimmend und auch ihre Augen leuchteten.
"Ohja! Mir kann auch gleich der Kronleuchter hier in meinem Zimmer auf den Kopf fallen." kicherte sie und Sofie fiel in das Lachen ein. Miriam dachte keine Sekunde darüber nach, dass sie Sofies Stelle gefährdete. Und Sofie hoffte einfach nur darauf, dass nichts passierte und Miriam nur einen kleinen Ausflug machte, weil ihr die Decke auf den Kopf fiel. Und dafür musste sie ja nichts weiter tun, als eines ihrer Kleider abgeben und eines der Häubchen, das zu ihrer Arbeitskleidung gehörte.
Aufgeregt half sie ihrer jungen Herrin in das Kleid und steckte schließlich das Häubchen auf den frisch gewaschenen, ungepuderten Haaren fest, nachdem sich Miriam artig für die Nacht von ihren Eltern verabschiedet hatte und in ihrem Zimmer rastlos darauf wartete, dass alles im Hause schlafen gegangen war.
"Was für ein Glück, dass wir die gleiche Haarfarbe haben." wisperte Sofie verschwörerisch. Miriam nickte und verzog unbehaglich das Gesicht.
"Ja. Aber weißt du eigentlich, wie sehr deine Schuhe drücken? Und das Kleid kratzt!" beschwerte sie sich. Sofie kicherte.
"Ich bin es gewohnt, Mademoiselle. Und die Schuhe drücken nicht, sie sind nur nicht so bequem wie Eure eigenen." Miriam war egal, wie man es nannte. Sie mochte die Schuhe nicht und konnte sich nicht vorstellen, dass man den ganzen Tag darin verbringen musste. Sie nahm sich vor, Sofie ein paar ihrer alten Schuhe zu schenken.
Aber nicht jetzt. Jetzt konnte sie es kaum erwarten, sich aus dem Haus zu schleichen. Und dazu brauchte sie Sofie auch. Das junge Mädchen huschte auf den Gang hinaus und spähte um die Ecke. Da die Luft rein war, winkte sie aufgeregt ihrer Komplizin und huschte bereits weiter zum nächsten Spähpunkt.
Schließlich gelangten die Beiden unentdeckt an die schmale Dienstbotentür. Sofie legte Miriam fürsorglich ihren eigenen einfachen Schal um die Schultern und musterte sie noch einmal kritisch. Dann nickte sie und zog die Tür einen Spalt auf.
"Viel Glück, Mademoiselle. Und bitte passt auf Euch auf!" flüsterte sie. Miriam nickte, drückte Sofie einen verschwörerischen Kuss auf die Wange und huschte hinaus in die Dunkelheit.


Es war eine recht kühle Nacht. Sterne konnte Miriam nicht erkennen. Fröstelnd zog sie den Schal enger, plötzlich dankbar über Sofies Fürsorge. Für Miriam begann gerade ein unglaubliches Abenteuer. Noch nie war sie ungehorsam gewesen, noch nie alleine unterwegs und schon gar nicht in einer Verkleidung. Zudem verstärkte die Dunkelheit das Gefühl der Gefahr und die Worte ihres Vaters gewannen plötzlich eine neue Schwere.
Was, wenn sie gerade einem brutalen Mörder in die Arme lief? Noch immer glaubte sie nicht daran, dass Armand dieser Bösewicht sein sollte. Aber wenn es nicht Armand war, trieb dieser Mensch nicht noch immer sein Unwesen?
Während Miriam durch die Straßen huschte, empfand sie die Schatten plötzlich als viel dunkler. Die unbekannten Geräusche einer nächtlichen Stadt waren noch viel unheimlicher als sie erwartet hatte. Es waren kaum noch Menschen unterwegs. Irgendwo grölten ein paar betrunkene Männer und Miriam hoffte, ihnen nicht über den Weg zu laufen. Mit gesenktem Kopf hastete sie durch die Straßen. Sie begann zu überlegen, ob sie nicht doch wieder umkehren sollte. Der Reiz des Verbotenen war ganz plötzlich verschwunden und das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Der einfache Stoff ihres Kleides kratzte auf der verwöhnten Haut und die Schuhe drückten unangenehm. Der hastige Fußmarsch war ungewohnt und schnell spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen in den Waden und Oberschenkeln. Obwohl sie den Weg zu Anyas Haus kannte, hatte sie nicht erwartet, dass er sich zu Fuß so lange hinzog.
Endlich bog sie in die Straße ein, in der das Haus ihrer Freundin lag. Erst jetzt kamen ihr Zweifel, ob der Butler oder irgendein Hausangestellter überhaupt noch wach war. Während sie grübelte, ob sie ihren Brief dann einfach unter der Türe hindurch schieben sollte, legte sich eine schwere Hand auf ihre Schulter. Mit einem erschreckten Laut fuhr sie herum und starrte mit vor Schreck geweiteten Augen in das bärtige Gesicht eines Mannes.

1 Kommentar:

  1. Ein bärtiger Mann? Oh Gott...

    Hatte Armand keine Zeit sich zu rasieren? :D

    Achja - und WEHE du beschwerst dich noch EIN EINZIGES MAL über meine Cliffhanger... :P

    LG
    Joe

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