Freitag, 1. April 2011

Noctambule II: Nichts wie weg!

Dies ist das erste Kapitel aus KayGees Noctambule Band zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Marseille 1749



George wälzte sich stöhnend auf die Seite. Er hatte das Gefühl, dass sein Kopf zu platzen drohte. Dröhnende Schmerzen raubten ihm die Fähigkeit klar zu sehen. Mit verzerrtem Gesicht kniff er die Augen zusammen und versuchte, das Schwindelgefühl loszuwerden, das ihn nun befiel.
Seine feine Nase nahm den erdigen Duft des Waldbodens auf. Er wusste nicht genau, wo er sich befand und hatte nicht den Ansatz einer Ahnung, wie er hierher gekommen war oder wie lange er hier bereits lag. Blätter und kleine Zweige zwickten seine rechte Wange, die auf dem Waldboden lag.


George hasste Schmutz. Er hatte stets Wert auf modische Kleidung gelegt und ein gepflegtes Äußeres. Bei Frauen hingegen liebte er Schmutz. Er warf sie gern auf den Boden und sorgte dafür, dass sich ihre Frisuren auflösten, die Kleidung zerriss und die Körper voller Schmutz und Staub waren. Wenn sie sich dann noch wehrten und vor Angst heisere Schreie ausstießen, kannte seine Erregung keine Grenzen mehr.
Aber hier im feuchten Dreck zu liegen war ihm mehr als zuwider. Er konnte leider im Moment nichts daran ändern. Langsam setzte sein Erinnerungsvermögen wieder ein. Knurrend erlebte er noch einmal den Treffer von Anyas Fuß an seiner Schläfe. Dann kniete sie auf ihm, packte seinen Kopf und schlug ihn mehrfach auf den Boden.
Allerdings hatte George schon nach dem zweiten Aufprall das Bewusstsein verloren. Die Erinnerung löste neuen Zorn aus. Er hatte sich von einer kleinen, unerfahrenen Schlampe ins Aus schießen lassen.
George hatte Mühe, seine Gedanken festzuhalten. Die Schmerzen im Kopf wurden immer stärker. Als er vorsichtig mit den Fingern über die Schädeldecke tastete, schrie er auf. Die kleine Berührung brachte seinen Kopf fast zum Platzen. Ihm wurde übel und neuer Schwindel erfasste ihn, obwohl er ausgestreckt auf dem Boden lag.
George hechelte nach Luft und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, sich nicht übergeben zu müssen. Sein Magen schien sich von innen nach außen zu krempeln. Er brauchte Wasser, wollte sich aber auf keinen Fall bewegen. Besser noch wäre frische Beute gewesen, aber das konnte er sich im Moment abschminken. Mühsam konzentrierte er sich erneut auf die letzten Ereignisse.
Er konnte noch immer nicht fassen, dass Isabelle von Anya besiegt worden war. Dieses kleine Miststück hatte Isabelle einfach getötet! Wie hatte das geschehen können? Isabelle musste ihn dreist belogen haben. Kein Wort von Sergejs Auftauchen, kein Wort davon, dass sie Anya an Sergej verloren hatte.
Und das wohl in allerletzter Sekunde, denn Anya hatte im Sterben gelegen. Kaum zu glauben, dass sie die Verwandlung überstanden und sich so schnell wieder erholt hatte. Er hatte Anya ganz klar unterschätzt. Aber zu seiner Genugtuung hatte er Armand wohl überschätzt. Noch immer freute er sich darüber, Armand gefangen und gefoltert zu haben.
Dass er dies nicht ohne fremde Hilfe geschafft hatte, verdrängte George in seiner Selbstgefälligkeit gerne. Er verdrängte vieles, was mit Armand zusammen hing und seinen Hass auf ihn nicht schürte. Umso weniger konnte er zugeben, dass er körperlich dem großen Mann niemals gewachsen war. Aber was Hinterhältigkeit und Intriganz betraf, war er Armand weit überlegen und in diesen Gedanken sonnte er sich gerne.
George verlor den Faden. Das Dröhnen in seinem Kopf nahm zu und raubte ihm die Fähigkeit zu denken. Etwas Wichtiges streifte immer wieder seine Gedanken, aber er verlor den Anschluss und wusste nicht, was ihn beunruhigte. Irgendetwas war nicht richtig.
Sein Stöhnen klang in seinen eigenen Ohren weit entfernt. Immer wieder öffnete er hechelnd den Mund und schloss ihn angewidert wieder, weil er kleine Blätter und Schmutz einatmete, die er dann angeekelt ausspuckte. Das wiederum verstärkte seinen Durst. Vielleicht sollte er doch einmal die Augen öffnen.
Er musste seinen Körper zwingen, ihm zu gehorchen. Nur mühsam konnte er ein Auge öffnen. Sehen konnte er nur undeutlich und verschwommen. Direkt vor seinem Körper lag etwas, was er nicht klar erkennen konnte. Er brauchte doch beide Augen und strengte sich noch stärker an. Endlich gehorchte auch das andere Auge.
Das verschwommene Bild klärte sich. George erkannte einen Körper direkt vor seinem Gesicht ohne zu begreifen, wer dort liegen mochte. Aber er kam nicht so weit, das herauszufinden. Wie ein Schock traf ihn nun der Gedanke, den er so oft verloren hatte: wenn er auf Waldboden lag, musste ihn unweigerlich früher oder später das Tageslicht treffen. Er musste so schnell wie möglich hier weg!
Der Schock dieser Erkenntnis brachte seinen Kreislauf kurz auf Hochtouren. Er hob den Kopf und versuchte mit verzweifelter Anstrengung, sich aufzurichten. Aber ihm wurde massiv schwindlig. Mitten in seinem Versuch, sich aufzurappeln wurde ihm schwarz vor Augen und er brach wieder zusammen.

4 Kommentare:

  1. Na, den muss aber jemand wirklich übel zugerichtet haben. Nur von dem, was im Keller von Sanghieri passiert ist, kann das ja kaum gekommen sein. Immerhin ist er ein Vampir.

    Und jetzt mag ich aber doch gern wissen, wer da vor ihm liegt. Ich würde ja darauf tippen, dass man auch ihn für tot gehalten hat und ihn zusammen mit Isabelle einfach in den Wald gelegt hat.

    Und da er sich so gern in seinem Hass sonnt, kann er ja jetzt zwei Personen hassen. Die beiden, welche die 'wichtigen' Frauen in seinem Leben getötet haben. Jetzt sind nicht mehr George und Isabelle, sondern Armand und Anya, wie Bonny und Clyde :)

    Und: OH GOTT tut das gut, wieder frische neue Noctambulekapitel zu lesen.

    LG
    Joe

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  2. Wie ist eigentlich der Fachbegriff für eine Waldbodenphobie *kicher*

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