Samstag, 2. April 2011

Noctambule II: Weggeworfen wie Müll

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Gleichzeitig mit der Rückkehr seines Bewusstseins setzte sofort die Angst vor dem nahenden Tageslicht wieder ein. Mit geschlossenen Augen stemmte George sich ächzend auf die Hände und schleifte seinen schwachen Körper Zentimeter für Zentimeter über den Boden. Noch war es dunkel, aber er musste die Zeit nutzen.
Dabei versuchte er mühsam die Augen zu öffnen, was ihm einfach nicht gelingen wollte. Als er gegen den weichen Körper stieß, riss er schließlich vor Schreck doch die Augen auf. Er erinnerte sich wieder, dass dort noch jemand lag. Angewidert robbte er von dem Körper weg in die andere Richtung.


Sein Kopf dröhnte schlimmer als vorher und der Schmerz hämmerte in seinen Schläfen. Irgendetwas drückte auf seinen Beinen und er musste heftig strampeln, um seine Füße zu befreien. Umsehen konnte er sich nicht, dazu fehlte ihm die Kraft, aber das weiche, nachgiebige Gefühl nährte seine Befürchtung, dass dort ebenfalls ein Körper war, der halb auf ihm lag.
Nur mit Mühe konnte er sich frei treten und kam endlich voran. Ihm war egal, wie laut sein Ächzen und Keuchen war. Die Dunkelheit hier im Wald deutete auf tiefe Nacht hin und er würde höchstens ein paar Waldtiere stören. Rudernd und strampelnd erreichte er endlich einen Baumstamm, an dem er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht so weit hoch zog, dass er sitzen konnte.

Das war besser. Nun konnte er frei atmen und seine Lungen mit frischer Luft füllen. Als er erschöpft den Kopf zurück an den Baumstamm lehnte, stach neuer Schmerz in seinen Schädel und er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.
Seine Augen fielen ihm wieder zu, aber er befahl sich, wach zu bleiben. Mit geschlossenen Augen konzentrierte er sich auf seine Gliedmaßen und versuchte langsam wieder Gefühl in die tauben Beine und Arme zu bekommen.
Die Wut auf Armand und Anya gab ihm neue Kraft. Nur ihretwegen war er nun in dieser demütigenden Situation. Nur wegen dieser kleinen Schlampe hatte er seinen endgültigen Sieg über Armand hergeben müssen. Wahrscheinlich hatte dieses Miststück ihren Armand inzwischen gerettet und würde ihn hochpäppeln. Und wen hatte er? Niemanden! Sie musste ja unbedingt auch noch Isabelle töten!
Der eisige Gedanke, der ihn nun traf, ließ ihn seine Augen aufreißen und in den Wald stieren. Was er vor sich in der Dunkelheit sah, ließ ihn schockiert aufkeuchen und er wünschte sich zum ersten Mal, dass seine empfindlichen Augen nicht alles hätten erkennen können.
George hatte sich unter einem Haufen toter Körper herausgekämpft. Er erkannte zwei Männer, die für die Sanghieri gearbeitet hatten. Und er erkannte das starre Gesicht von Isabelle, deren verrenkte Gliedmaßen auf ihm gelegen haben mussten.
George packte der Ekel. Die Sanghieri hatten ihn mit den anderen wie einen Haufen Müll einfach in den Wald geworfen. Niemand hatte sich scheinbar die Mühe gemacht, zu prüfen, ob er noch am Leben war. Oder es war ihnen egal und sie hofften, dass er hier verrecken würde. Was er nicht entdecken konnte, waren die Leichen von Anya, Sergej oder Armand. Auch keine Überreste. Demnach mussten sie wohl noch am Leben sein.
Mit wilden Blicken sah sich George nun um. Er brauchte dringend ein Versteck. Irgendetwas, was ihn vor dem Tageslicht schützen würde. Aber er erkannte nur Wald um sich herum. Hohe Nadelbäume und freier, ebener Waldboden, der nur von vertrockneten Nadeln und etwas Moos bedeckt wurde.

Seine einzige Rettung würde ein umgestürzter Baum sein, der in der Nähe lag und dessen dichte Krone ihn würde schützen können. George zwang seinen schmerzenden Körper zu gehorchen. Auf allen Vieren schaffte er es mühsam zu dem Baumstamm. Er brauchte beide Hände, um einige Äste abzubrechen. Dabei rieselten die Nadeln von den Zweigen. Der Baum war wohl schon längere Zeit umgefallen und begann zu vertrocknen.
Fluchend und stöhnend schaffte er es endlich, sich einen Unterschlupf zusammen zu bauen, indem er genug Zweige übereinander gestapelt hatte. Mit den Füßen voran schob er sich in seine notdürftige Höhle, während es um ihn herum zu dämmern begann. Sicherheitshalber zog er sich seine Jacke aus und legte sie über seinen Kopf. Dann erst erlaubte er sich, erschöpft zusammen zu sacken.
George war schweißgebadet. Der Durst hatte seinen Mund völlig ausgetrocknet und der Schmerz in seinem Kopf hämmerte mit brutaler Gewalt. Er wollte nur schlafen. Schlafen und sich erholen. Irgendwann würde er genug Kraft haben, um sich aufzurappeln und nach Beute zu jagen.
Spätestens dann konnte er darüber nachdenken, wie er Armand ein für allemal zur Strecke brachte. Warum er das wollte, war ihm völlig gleichgültig geworden. Armand war der Quell allen Übels. Das genügte George als Triebfeder. Während er seinen Hass auf Armand schürte, starrte er mit glühenden Augen auf die Leichen vor seinen Augen, die nun nach und nach von dem Licht der aufgehenden Sonne betroffen wurden.
Die weiße Haut der Toten färbte sich nicht rot, sondern wurde sofort dunkel und rissig. Nach und nach platzte sie auf, das freiliegende Fleisch verbrannte ebenso. Und wo lebende Vampire genug Heilkraft aufbrachten, nicht vom Tageslicht zu sterben, sondern nur gewaltige Verbrennungen zu erleiden, zerfielen die Körper der toten Vampire wie poröses Papier allmählich zu Staub. Übrig blieb ein Haufen Kleidung, während George stöhnend die Augen schloss und versuchte, gesund zu werden.

1 Kommentar:

  1. Vampire habens wirklich einfach. Keine Trauerfeiern - keine Beerdigungszeremonien. Einfach alles in den Wald und schon wird die Asche verstreut.

    Jetzt bin ich ja gespannt, ob George sich erholt. Aber irgendwie befürchte ich, dass er es schon schaffen wird.

    Aber es freut mich fürs erste jedenfalls, dass er im Dreck liegt. Aber was ist eigentlich mit Armand und der kleinen Anya?

    LG
    Joe

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