Sonntag, 3. April 2011

Noctambule II: Der treue Maurice

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Butler in einem leerstehenden Haus zu sein, war schrecklich langweilig. Nachdem Maurice die ersten Tage wie Urlaub genossen hatte, begann er unruhig auf und ab zu gehen und mit sich selbst zu ringen. Im Grunde war es unter seiner Würde, die niederen Tätigkeiten eines Hausmädchens zu verrichten, aber immerhin konnte man sich damit die Zeit um die Ohren schlagen.


Mit hochnäsigem Gesichtsausdruck und froh darüber, dass ihn niemand dabei sehen konnte, begann er als erstes dem Staub den Kampf anzusagen. Da er Wert darauf legte, stets korrekt gekleidet zu sein, schützte er sich mit eisern verkniffenen Mundwinkeln durch eine Schürze, die er der abwesenden Köchin entwendet hatte. Im Laufe der Zeit erhöhte sich seine Tätigkeit und er kam tatsächlich öfter mit Wasser in Berührung als in seinem gesamten vorigen Berufsleben. Seine Achtung für die anstrengende Arbeit eines Hausmädchens wuchs beträchtlich und er nahm sich vor, die Bediensteten in Zukunft mit etwas mehr Respekt zu behandeln.
Dennoch blieb ihm mehr Zeit, als ihm Recht war, die er vertreiben musste. Das Geld, das Armand ihm überlassen hatte, würde sehr lange reichen. Penibel führte er Buch über seine Ausgaben und bemühte sich, seine Einkäufe so minimal wie möglich zu gestalten. Nach einigen Tagen genoss er sogar den Bummel über den Wochenmarkt, traute sich nach zwei weiteren Tagen sogar das eine oder andere Mal zu handeln und freute sich über die kleinen Erfolge seiner Sparsamkeit.
Er hatte nach einer Woche aufgehört, über die seltsamen Vorfälle zu grübeln, die zu dem überstürzten Aufbruch seines Arbeitgebers geführt hatten. Auch wenn er gerne gewusst hätte, wer Armand so schrecklich verletzt hatte, war ihm wichtiger, dass er unbeschadet mit der jungen Mademoiselle zurückkehren würde. Solche Vorfälle brachten Chaos in seinen geordneten Alltag und waren ihm zuwider.
Dass jemand an die Haustür klopfte, kam so gut wie nie vor. Niemand wollte die Herrschaften besuchen. En einziges Mal hatte ein Mann in Begleitung zweier Gardisten Einlass begehrt. Höflich, aber bestimmt hatte Maurice ihn abgewiesen mit dem Hinweis, dass die Herrschaften auf unbestimmte Zeit verreist seien. Seine Miene war dabei steinern geblieben und nicht einmal der lächerlich bunte Aufzug des Besuchers führte zu einer mimischen Entgleisung. Maurice stempelte ihn als Geck ab und die Karte, die er sorgfältig auf einem Tablett ablegte, bestätigte es ihm. Der Name Lechaivre war ihm bekannt. Auch als Butler sollte man die höheren Kreis zumindest vom Namen her kennen.
Um so mehr verblüffte ihn das zaghafte Klopfen am frühen Vormittag. Nachdem er den Sitz seiner Kleidung überprüft hatte, öffnete er und musterte den Jungen, der unsicher zu ihm aufblickte und einen zusammengefalteten, unversiegelten Zettel in der Hand hielt.
"Das soll ich hier abgeben." verkündete der Junge. Maurice nahm den Zettel mit spitzen Fingern entgegen und drehte ihn am ausgestreckten Arm hin und her, ohne ihn zu öffnen. Er fand keinerlei Adresse darauf. Das Papier selbst hatte deutlich bessere Tage gesehen, war zerknittert und an den Rändern schmutzig verfärbt. Außerdem musste es über längere Zeit in einer verschwitzten Jacke getragen worden sein.
"Für wen soll das… Ding sein?" fragte er zweifelnd. Der Junge zuckte mit den Schultern.
"Soll ich nur hier abgeben!" meinte er maulig. Dass er noch kein Trinkgeld erhalten hatte, hätte er sich bei der feinen Adresse ja denken können, störte ihn aber dennoch gewaltig. Maurice dachte auch jetzt noch nicht daran, das Geld seines Herrn unnötig auszugeben und schloss nickend die Tür vor der Nase des Jungen.
Nachdenklich trug er den Zettel in die Küche, wo sein angebissenes Brot neben der dampfenden Teetasse lag. Er setzte sich und legte den Zettel vor sich auf den Tisch, während er grübelnd weiter aß. Offensichtlich war dies eine Botschaft und noch offensichtlicher hatte sie einen weiten Weg zurückgelegt. Sein Anstand verbot ihm, die Notiz einfach zu lesen, andererseits konnte sie aber von seinen Herrschaften kommen und neue Anweisungen beinhalten.
Am Ende der Mahlzeit beschloss er, das Risiko der Indiskretion einzugehen und den Zettel auseinander zu falten. Sollte darin eine Anrede stehen, die nicht ihm galt, würde er selbstverständlich nicht weiter lesen.
"Maurice! Monsieur Sartous und ich werden zum Ende der Woche eintreffen. A. Sanisoise" Maurice Gesicht hellte sich auf. Die Botschaft war kurz, aber erfreulich. Zum einen würde seine Einsamkeit bald ein Ende haben, viel wichtiger aber war, dass die kleine Frau geschrieben hatte, was bedeutete, dass sie wohlauf war. Ein wenig verwunderte ihn zwar, dass nicht der Herr des Hauses geschrieben hatte, aber die Beiden waren ohnehin ein seltsames Paar und er tat dies mit einem Schulterzucken ab. Lächelnd warf er den Zettel in das Feuer des Ofens, auf dem bereits die Mittagssuppe brodelte.
Dann stutzte er erschrocken. Heute war bereits Freitag! Wie lange war der Brief unterwegs gewesen? Sie konnten jederzeit eintreffen! Hastig beschloss, dem Hausmädchen und der Köchin sofort mitzuteilen, dass ihr Urlaub beendet sei. Noch einmal würde er nicht putzen. Wozu gab es Personal!

2 Kommentare:

  1. Ach der gute Maurice :)

    Da muss er tatsächlich putzen und auf den Markt gehen :D. Schön, dass das Haus noch steht und alles beim Alten ist.

    Und jetzt kommen die beiden endlich wieder. Ob er sich wundern wird, dass nun auch Anya nur nachts zu sehen ist und was ist mit Miriam? Die Spaziergänge auf der Promenade im Sonnenlicht sind ja nun nicht mehr so richtig drin.

    LG
    Joe

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  2. was ist den eigentlich mit sunblocker sonnencreme gabs die zu der zeit noch nicht? :)

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