Samstag, 7. Mai 2011

Noctambule II: Wo ist mein Butler?

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Nun schob Armand das halb aus dem Regal gezogene Buch wieder in seine Reihe zurück und wandte sich komplett seinem Gegenüber zu. Obwohl er langsam ging, waren seine Schritte durch die langen Beine verhältnismäßig groß und er erreichte den Schreibtisch in kurzer Zeit.
Unwillkürlich wich Lechaivre ein Stück zurück, als Armand sich mit den Handflächen aufstützte und sein Gesicht so auf die Höhe Lechaivres brachte. Die schwarzen Augen schienen ihn zu durchbohren. Lechaivre hätte gerne weggesehen, konnte es aber nicht. Es war, als hätte man seinen Willen ausgeschaltet.

"Ich muss Euch enttäuschen, mein Guter. Ich akzeptiere gar nichts und werde Euch ganz gewiss nicht begleiten. Möchtet Ihr mich vielleicht dazu zwingen?" Seine Stimme war leise und ein samtiges Schnurren untermalte seine Worte. Lechaivre versuchte das Zittern seiner Knie zu kontrollieren. Er blinzelte und fasste all seinen Mut zusammen.
Er schnappte nach seinem Brieföffner, der auf dem Schreibtisch lag, und holte mit erstaunlicher Wucht aus. Aber noch bevor er ihn tief verletzen konnte, legte sich Armands Faust mit eisernem Griff um sein Handgelenk, knapp bevor die Waffe seine linke Schulter durchbohren konnte.
Der dolchförmige Brieföffner hatte Armand nicht einmal gestreift. Lechaivre war nicht fähig, seine Hand zu befreien. Langsam ließ er den Brieföffner los und starrte entgeistert in das Gesicht Armands, das erschreckend dicht vor ihm war. Die schwarzen Augen schienen zu glühen vor Zorn.
"Dank Euch, Lechaivre, befindet sich mein Haus unter Bewachung und ich habe leider wenig Kleidung. Da werdet Ihr doch nicht auch noch Löcher hinein machen wollen." Er sprach ruhig und leise, aber irgendwie hatte Lechaivre das Gefühl, als habe die dunkle Stimme direkt in seinem Kopf gesprochen. Er versuchte den Eindruck weg zu blinzeln und schluckte trocken.
"Ich habe den Duc nicht umgebracht, aber ich weiß wer es getan hat. Und ich weiß, dass dieser Mann noch viel mehr und schlimmere Dinge getan hat. Ihr werdet mir gar nichts beweisen können, diesem Verbrecher allerdings auch nichts. Ganz gewiss aber hat mein Butler überhaupt nichts verbrochen und ich wünsche zu wissen, wo er ist!" Armand blieb leise, sprach aber sehr bestimmend. Er ließ das Handgelenk seines unfreiwilligen Gastgebers noch immer nicht los. Lechaivre versuchte den Druck des eisernen Griffes zu ignorieren.
"Ihr meint Euren Komplizen? Der.. ist kurz davor, geständig zu sein und er wird seinen Prozess bekommen." krächzte Lechaivre, noch immer nicht bereit, klein beizugeben. Armand lächelte nun deutlich und an den geweiteten Pupillen seines Gegenübers konnte er erkennen, dass dieser sein spitzes Gebiss gesehen hatte. Lechaivre war kreidebleich und schnappte nach Luft. Ein kurzes Wimmern quälte sich aus seiner Kehle hoch und er hob seinen Blick fassungslos zu Armands Augen.
Armand nutzte die Gunst des Augenblickes. Mit bohrendem Blick hielt er Lechaivres Augen fest. Stumm begann er, den Willen seines Opfers auszuschalten bis Lechaivres Blick langsam leer wurde.
"Du wirst mir sagen, wo Maurice Demours sich aufhält." Seine Stimme war noch leiser geworden, aber behielt ihre Bestimmtheit bei. Lechaivre öffnet artig den Mund.
"Im Gefängnis. Im Sicherheitstrakt. Er wird morgen nach Chateau d'If gebracht." antwortete er monoton. Armand presste die Lippen zusammen. Das Gefängnis auf der Insel war weit über Marseilles Stadtgrenzen hinaus bekannt und gefürchtet. Niemand entkam dort jemals und so gut wie niemand kehrte jemals lebend zurück. Dass sein unschuldiger Butler ohne Prozess dorthin gebracht werden sollte, machte Armand wütend.
"Das wird er nicht. Du wirst sofort seine Entlassungspapiere ausfüllen und unterschreiben." Armand war froh, seine Stimme unter Kontrolle zu haben. Vorsichtig lockerte er den Griff um Lechaivres Handgelenk, bereit sofort wieder zuzugreifen, wenn Lechaivre aufbegehren sollte. Aber das war nicht zu erwarten, denn Lechaivre nickte ruckartig. Kaum war seine Hand befreit, griff er in die Schublade, holte ein Blatt Papier hervor und griff zu seiner Feder.
Armand ließ ihn nicht aus den Augen. Lechaivres Bewegungen waren sehr langsam und wirkten mühsam. Aber als er saß und Armand erkennen konnte, was er schrieb, konnte er sich auch mehr entspannen. Maurices voller Name, seine letzte Anschrift und der Grund der Beschuldigung wurden aufgeführt. Sorgsam erklärte Lechaivre, dass kein Grund mehr zum Festhalten des Gefangenen bestünde und er unverzüglich entlassen zu werden sei. Dann zögerte Lechaivre. Armand reagierte sofort.
"Unterschreib es und setze dein Siegel darunter!" verlangte er nachdrücklich. Lechaivre funktionierte wieder. Armand wartete geduldig, bis Lechaivre nach seiner Streusanddose griff, das Geschriebene damit ablöschte, den feinen Sand sorgfältig vom Papier schüttelte und zu seinem Siegellack griff. Kaum hatte er seinen Siegelring in das weiche Wachs gedrückt, als Armand auch schon nach der Urkunde griff. Sorgfältig rollte er sie zusammen. Noch immer ruhten seine Augen fest auf Lechaivre, der nun starr geradeaus sah, als wartete er auf weitere Anweisungen. Und sie kamen.
"Du bist müde. Du wirst schlafen und dich nicht mehr an mich erinnern. Du wirst nicht wissen, wer Maurice Demours entlassen hat und warum." erklärte er ihm ruhig. Lechaivre hob den Blick zu ihm. Armands Lippen waren noch immer schmal zusammen gepresst.
"Du wirst jetzt schlafen gehen." befahl Armand. Langsam zog er sich zurück und verschwand im Dunkel des Zimmers, wo der Kerzenschein nichts mehr erhellte. Nachdenklich fragte er sich, ob er diesen Lackaffen nicht einfach hätte töten sollen.
Lechaivre blinzelte kurz. Dann erhob er sich und löschte die Kerze auf seinem Tisch. Mit müden Schritten verließ er das Arbeitszimmer ohne sich umzusehen.

1 Kommentar:

  1. Aha :) Armand kann also doch eine Regung in sich finden, die nicht mit seinem Hunger zusammenhängt. Er will Maurice also einen Dienst erweisen und dafür sorgen, dass er frei kommt.

    Aber wer geht jetzt mit dem Wisch zum Kerker und holt ihn heraus. Gibt es schon Steckbriefe und jeder weiß, wie Armand aussieht? Oder kann er sich dort unerkannt aufhalten?

    Und mit meiner Vermutung hatte ich recht. Armand wir beileibe nicht verhaftet. Er bekommt nichtmal Löcher in die Jacke :D

    Sooo und jetzt geh ich meine Suggestionsfähigkeiten trainieren. :D

    Gruß
    Joe

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