Sonntag, 29. Mai 2011

Noctambule II: Der erste Kuss

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Als hätte Sergej ihre widerstreitenden Gefühle erkannt, griff er nach ihrer zweiten Hand und hielt sie fest. Mit sanfter Gewalt zog er sie zum Bett und setzte sich mit ihr auf die Bettkante.
"Was bedrückt dich, Miriam?" fragte er leise. Miriam fiel kaum auf, dass er in das vertrauliche Du übergegangen war. Seine mitfühlende, warme Stimme löste ein Schluchzen in ihr aus.

"Papa schickt mich fort. In einer Woche geht mein Schiff nach London und von da aus.." Sie sprach nicht weiter. Der Gedanke an die Kolonien war ihr unerträglich. Sergej nickte leicht und streichelte ihre Hände.
"Anya berichtete mir davon. Dass es so bald sein würde, habe ich allerdings nicht gedacht." er betrachtete ihr Gesicht und unterdrückte nur mühsam den Impuls, die zarte Wange zu streicheln.
"Du möchtest nicht fort, nicht wahr?" fragte er überflüssigerweise. Miriam schüttelte sofort heftig den Kopf und sah hilflos zu ihm auf.
"Nein, ich möchte nicht! Und ich will diesen Fremden auch nicht heiraten." hauchte sie erstickt. Ihre Gesichtsfarbe wechselte nun ins Blasse, was ihre Augen noch größer erscheinen ließ. Sergej legte den Kopf schief und zwinkerte aufmunternd.
"Na, dann haben wir ja nur eine einzige Alternative." meinte er verschmitzt. Miriam sah ihn irritiert an. Eine Alternative? Sie konnte keine sehen. Die Frage stand in ihrem Gesicht, aber sie wagte nicht, sie auszusprechen. Sergej wartete auch nicht darauf.
"Dann müssen wir beide eben ausreißen." erklärte er lächelnd. Er hörte, wie ihr Herz plötzlich Purzelbäume schlug. Ein aufgeregter Schimmer verdrängte die Verzweiflung in ihrem Gesicht.
"Ausreißen?" hauchte sie fassungslos. Sergej nickte einfach und ließ ihr Zeit, diesen Gedanken überhaupt richtig greifen zu können.
"Aber.. ich.. wir.. wohin denn?" wisperte sie. Sergej zuckte mit den Schultern.
"Das ist ganz egal. Ich bin nicht arm, weißt du. Und du hast mich verzaubert. Ich kann mir gut vorstellen, mit dir irgendwo zu leben. Mir ist egal, wo. Such dir etwas aus." Miriam starrte ihn völlig verständnislos an. Sie vergaß, dass sie nur notdürftig verhüllt vor ihm saß und sie dachte auch nicht daran, dass ihre Mutter oder ihr Vater vielleicht an ihre Tür klopfen könnte. Sie vergaß sogar, wo sie genau war.
Blinzelnd versuchte sie, ihre überstürzenden Gedanken zu ordnen. War das jetzt eine Liebeserklärung gewesen? Was das seltsame Flattern in ihrer Bauchgegend das, was man Schmetterlinge im Bauch nannte? Wenn ja, dann war sie auch verliebt und hatte es nicht einmal bemerkt!
Bot Sergej ihr gerade ein Leben voller Abenteuer an? Wenn ihr Vater sie erwischen würde, müsste er sie entweder verstoßen oder damit leben, dass sie mit Sergej verheiratet war. Aber von Heirat hatte er gar nicht gesprochen. Sollte sie ihn nicht lieber einfach vor die Tür setzen? Wenn sie sich jetzt auf ihn einließ, dann konnte sie nicht einmal mehr unter dem Schutz ihrer Mutter stehen.
Miriam blinzelte verwirrt. Das waren zu viele Fragen auf einmal.
"Aber.. wir kennen uns doch noch gar nicht so lange." wagte sie ihren ersten Einwand. Sergej hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen kleinen Kuss auf ihren Handrücken, während seine Augen ihr Gesicht nicht losließen. Er spürte den Schauer, der über ihren Rücken rieselte, fast körperlich.
"Manchmal begegnet man sich und weiß im selben Moment, dass man zueinander gehört." murmelte er. Es stimmte, er begehrte dieses junge Persönchen. War das Liebe? Er bezweifelte es, denn er lebte schließlich lange genug, um sich tausend Mal verliebt zu haben. Immer war es eine Enttäuschung gewesen, aber sollte er sich deshalb jede Liebschaft verweigern?
Die Kleine hier hatte Esprit und Temperament. Sie war nicht dumm, nur noch unerfahren. Auch das hatte seinen Reiz. Sergej dachte nicht darüber nach, ob Anya diese Beziehung gutheißen würde oder nicht. Anya würde lernen müssen, dass Menschen in ihrem Leben nur einen kurzen Abschnitt begleiteten. Und er.. er würde sich diese Kleine nicht versagen, weil sie mit Anya befreundet war. Er wollte ihr nichts Böses antun. Er würde ihr nur helfen, endlich erwachsen zu werden.
Miriam verfolgte Sergejs Bewegung und schnappte nach Luft, als er ihre Hand küsste. Sie wurde nun wieder rot und hätte sich am Liebsten Luft zugefächelt.
"Aber ich.. mein Vater wird mich suchen lassen." wisperte sie nun. Sergej schmunzelte.
"Meinst du? Dann soll er suchen. Du wirst ihn besuchen, wann immer du magst. Aber ich werde dich dazu nicht zwingen." er beugte sich leicht vor und näherte sein Gesicht dem ihren.
"Miriam, du bist einfach süß. Ich genieße deine Nähe, ich bin schlecht gelaunt, wenn ich nicht weiß wie es dir geht und ich vermisse dich, wenn du nicht bei mir bist. Du hast es tatsächlich geschafft, dass ich andauernd an dich denken muss." flüsterte er. Ein großer Teil von alledem war nicht gelogen. Allerdings wusste er auch nur zu gut, was junge Mädchen gerne hören wollten.
Miriam hatte den Atem angehalten und versuchte nun, leise Luft zu holen, ohne zu stark dabei zu zittern. Sie konnte nur noch ihn ansehen, der Raum um sie herum verschwand förmlich. Wie verzaubert starrte sie in seine Augen und versuchte, sich den Bann zu erklären, den er auf sie ausübte.
"Bist du verliebt in mich?" fragte sie kaum hörbar. Sergej lächelte über ihre naive Frage. Dass Frauen immer etwas von Liebe hören wollten! Es würde sich wohl nie ändern.
"Es fühlt sich sehr danach an." nickte er. Allmählich glomm ein Glitzern in ihren Augen aus und verdrängte die Trauer und Verzweiflung, die so tief darin vergraben gewesen war.
"Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein." gestand sie schüchtern. Sergejs Schultern zuckten kurz. Sein Gesicht näherte sich ihr noch mehr. Er ließ ihre Hand los und fuhr mit dem Rücken seiner Finger endlich über die samtweiche Haut ihrer Wange.
"Lass es mich dir zeigen." raunte er. Seine Lippen waren nur noch Millimeter von ihren entfernt. Miriam wich nicht zurück. Sie atmete schnell und heftig. In ihrem Körper brannte es plötzlich unerklärlich. Sie hatte ein Verlangen in sich, das sie nicht erklären konnte. Aber es fühlte sich eindeutig nach Sehnsucht an, von ihm umarmt und festgehalten zu werden. Kurz kamen noch einmal Zweifel auf. Was sie hier tat, war absolut skandalös!
In diesem Moment berührten seine Lippen die ihren. Sanft und leicht lagen ihre Lippen aufeinander. Aber es genügte, um in Miriam ein Feuer zu entfachen, das sie selbst nicht mehr eindämmen konnte. Ihr Herz schlug heftig und laut, sie wurde dunkelrot und siedende Hitze stieg in ihr auf. Ohne zu zögern drängte sie ihren Mund seinen Lippen entgegen.
Miriam hatte noch nie geküsst. Sie wusste nur, dass man dafür eigentlich verheiratet sein sollte. Aber sie wollte jetzt küssen und zwar nur Sergej.
Der Gedanke an ihren zukünftigen, wildfremden Ehemann war plötzlich amüsant. Was auch immer geschah, wenn er sie heiraten wollte, würde er sie nehmen müssen wie sie war. Und wenn sie nun die Gelegenheit zu einem Kuss hatte, dann würde er sie wohl auch mit Erfahrung im Küssen heiraten müssen.
Sergej nahm ihr Drängen an und schob vorsichtig seine Arme um ihren Körper. Behutsam zog er sie näher an sich heran und presste seine Lippen stärker auf ihre, die so weich, unerfahren und nachgiebig waren.
Miriam schnaufte unsicher aber ihr Körper folgte uralten Instinkten. Sie gab seinem Drängen weiter nach, lehnte sich an ihn und schob ihre Arme um seinen Hals. Als sie seine Zungenspitze spürte, stutzte sie kurz.
Sie ließ zu, dass er ihre Lippen mit seiner Zunge öffnete und spürte ein fremdartiges Prickeln in ihrem Körper. Willig öffnete sie ihren Mund und die Neugier siegte. Jetzt wollte sie richtig küssen und nur er konnte ihr zeigen, wie das ging. Und bisher war es wunderschön!

2 Kommentare:

  1. Uhhh Sergej du alter Charmeur...

    Interessant, wie er aufrichtig und unehrlich zur gleichen Zeit ist. Und er hat es schon heraus, was Miriam wohl hören will. Sie ist aber in ihrem derzeitigen Zustand auch ein denkbar dankbares Opfer für solche Sprüche. Die Aussicht einen völlig fremden zu heiraten macht sicherlich empfänglich dafür jemand Vertrauen zu schenken, den man wenigstens oberflächlich kennt. Erst recht, wenn er Zuneigung bekundet.

    Irgendetwas sagt mir allerdings, dass Miriam mit einer unschuldigen Knutscherei nicht davon kommen wird :D Fragt sich nur, wie forsch Sergej ist. Undob er gewillt ist seine suggestiven Fähigkeiten einzusetzen. Wobei er die ja bisher noch gar nicht gebraucht hat. Ich denke, er will es lieber 'schaffen', ohne sie zu benutzen.

    Und was wird wohl Anya davon halten? Sicherlich wird sie sich freuen, dass ihre Freundin vor einer schlimmen Reise gerettet wird. Aber ist sie schon genug Vampir um damit umgehen zu können, wenn Menschen zum Spielball der Vampire werden? Ich denke nicht. Fragt sich dennoch, wie sie reagiert. Sie hat ja nun selbst doch auch eine ganze Weile positiver Erfahrung mit Armand durchgemacht. Es ist für mich tatsächlich vollständig offen.

    Sergej ist sich Anyas Zustimmung ja offensichtlich nicht sicher, sonst hätte er sie eingeweiht. Also schaun wir mal.

    Liebe Grüße
    Joe

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  2. hm, der Beginn einer neuen leidenschaftlichen Geschichte :P aber sehr schöööön geschrieben!

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