Donnerstag, 25. November 2010

Noctambule: In letzter Sekunde

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Entsetzt wich sie weiter zurück. Wie waren die beiden hereingekommen? Ihr Blick flog zum offenen Fenster und der Mann nickte mit einem kleinen Lächeln.
"Man sollte niemals die Fenster in der bösen, dunklen Nacht offen lassen." riet er belehrend und folgte ihr mit übertrieben tänzelndem Gang. Anya stieß einen keuchenden Laut aus und floh um den Flügel herum, um Abstand zu gewinnen und etwas zwischen ihm und ihr zu haben.
Sie hätte wissen müssen, dass das kein Hindernis für ihn bedeutete. Im Gegenteil! Ohne, dass sie eine Bewegung gesehen hatte, standen ihr nun beide gegenüber. Sie standen leicht seitlich und näherten sich mit den Köpfen schnuppernd ihrem Gesicht.
"George, du hast sie erschreckt." Die Stimme der Frau war seltsam hell. Ein wenig gekünstelt, als wolle sie die Ironie in ihrem Satz damit unterstreichen. Anya wich weiter zurück, bis sie an die Wand stieß. Beide folgten ihr mit interessierten, neugierigen Blicken.

"Aber nein, Isabelle. Sie lebt doch mit einem von uns zusammen." Anya blinzelte. Die beiden unterhielten sich über sie, als sei sie gar nicht anwesend. Verlegene Röte sorgte für Flecken in ihrem erblassten Gesicht. Isabelle schnupperte wie ein Hund.
"Aber doch! Sie hat Angst. Ich höre ihr Herz laut schlagen." schnurrte sie zufrieden. "Und ich rieche es." Der Mann, den sie George genannt hatte, roch nun an ihrem Hals. Anya drehte den Kopf ängstlich und angewidert zur Seite.
"Du hast Recht." erklärte er und zog einen Schmollmund. "Ooooh. Und so schüchtern ist sie." Anya wünschte sich nichts sehnlicher, als Armand hier zu sehen. Heftige Angst packte sie. So schlimm, dass ihre Knie zu zittern begannen.
"Lasst mich in Ruhe!" keuchte sie und presste sich bebend an die Wand. George lachte und kam noch ein kleines bisschen näher.
"Es kann reden." erklärte er Isabelle erfreut. Sie nickte und lachte silberhell.
"Unfassbar. Da hält er sich ein Haustierchen und lässt es alleine, um sich anderweitig Spaß zu holen. Was ist nur aus ihm geworden?" Anya unterdrückte ein ängstliches Wimmern. Ihr lagen viele Antworten auf der Zunge. Keine einzige brachte sie über die Lippen.
Nun hob George seine Hand und strich über ihre Wange. Mit einer hektischen Bewegung riss Anya den Kopf auf die andere Seite, aber dort starrte sie auf das scharfe Gebiss, das Isabelle mit einem Fauchen entblößte.
"Aber wenn ER keine Lust hat mit ihr zu spielen, dann könnten wir das doch tun." schlug George freudig vor. Anyas Angst verlieh ihr die Kraft einer Verzweifelten. Mit einem heftigen Stoß gegen Isabelles Schultern verschaffte sie sich genug Freiraum, um zwischen den Beiden durch zu tauchen. Sie floh zur Tür, doch ihr Kleid behinderte sie.
Und sie hatte die Schnelligkeit der Beiden unterschätzt. George stand plötzlich so dicht vor ihr, dass sie mit einem erschrockenen Schrei gegen ihn prallte. Zurückweichen konnte sie auch nicht, denn hinter ihr stand nun Isabelle. George lachte leise und warf den Kopf zurück.
"Sie spielt mit! Wie schön!" Wieder versuchte Anya einen Befreiungsstoß und wirklich taumelte George zurück. Aber Isabelles Reaktion war schnell. Ihre Hand packte Anyas Arm mit derber Kraft. Sie wurde herumgeschleudert und prallte gegen die Wand, von der sie eben gerade geflohen war. Polternd fiel ein Tischchen dabei um. Ob Maurice das gehört hatte und ihr zu Hilfe kommen würde?

Der Aufprall raubte ihr kurz die Luft zum Atmen und ihre Hochsteckfrisur löste sich teilweise. Einige blonde Strähnen umrahmten nun ihr Gesicht. Als George wieder dicht vor ihr auftauchte, drückte sie ängstlich die Hände gegen seine Brust. Er lachte nur darüber, ergriff ihre Hände und drückte sie neben Anyas Kopf an die Wand. Interessiert musterte er nun das Halsband und las die beiden Buchstaben darauf.
"Ah, ein Halsband. Er tut es schon wieder. Fickt er dich und zapft dich dabei ein wenig an, süße Schönheit?" säuselte er. Anya starrte ihn völlig fassungslos an, unfähig zu antworten. George begutachtete ihren Hals und schnalzte unzufrieden mit der Zunge.
"Ich sehe keine Male? Er nascht nicht? Fickt er dich wenigstens?" Anya spürte, dass sie knallrot und wieder blass wurde. Isabelle kicherte schräg hinter ihm.
"Lass sie uns mitnehmen. Wir haben mehr Spaß mit ihr als er!" George schien amüsiert diese Idee zu überdenken.

Was nun geschah, ging so schnell, dass Anya erst in der Erinnerung alles zusammenreimen konnte. Sie hörte ein dunkles Knurren. Dann riss es George von ihr weg und er flog quer durch den ganzen Raum, um neben dem Kamin an die Wand zu krachen und dort zu Boden zu rutschen. Kurz blickte sie in das schöne Gesicht Armands, dessen schwarze Augen wütend funkelten.
Isabelle ging mit einem bösartigen Fauchen auf ihn los, aber Armand reagierte sofort. Mit lautem, sehr tiefen Knurren beugte er seinen Kopf drohend zu der viel kleineren Isabelle herunter. Beide zeigten sich messerscharfe, spitze Zähne. Aber Isabelle wich vor ihm zurück, ihr Fauchen erstarb und sie suchte Abstand. George hatte sich wieder aufgerappelt.
Anya traute ihren Augen nicht. Flog er tatsächlich durch das Zimmer auf Armand oder war das ein gewaltiger Sprung? Armand stoppte den Flug mit verblüffender Gelassenheit. Seine Hand schnellte vor, schloss sich um den Hals des Angreifers und schleuderte den röchelnden George an sich vorbei.
Er stürzte zu Boden und schlidderte über das glatte Parkett, riss Stühle und Kerzenständer mit sich und landete in einer Ecke.
Isabelle war zurückgewichen. Mit funkelnden Augen blickte sie ihn an, wagte aber keinen Angriff, nachdem er seinen Kopf in ihre Richtung gedreht hatte und ein weiteres, drohendes Knurren ausgestoßen hatte.

1 Kommentar:

  1. George und Armand scheinen sich nicht so zu mögen.. er sollte ihn rauswerfen.

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