Mittwoch, 2. März 2011

Noctambule: Georges Einladung

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule


Wenn ein Vampir einen Artgenossen gut genug kannte, hatte er keine Probleme, ihn jederzeit wahrzunehmen und zu finden. Fremde hingegen konnte er zwar wahrnehmen als eine schwache Präsenz, mehr aber auch nicht. Armand war sicher, George zwei Blöcke weiter stellen zu können. Er hatte nicht mit den beiden anderen gerechnet, die plötzlich vor ihm auftauchten.

Ihre Haltung zeigte sofort, dass sie ihm nicht freundlich gesinnt waren. Sie standen weit auseinander, die Arme hingen an den Seiten herunter und die Beine waren leicht gespreizt. Schweigend starrten sie ihn an. Stumm erwiderte Armand den Blick mit leicht gesenktem Kopf.


"Ach, ist das schön, dich mal wieder zu sehen!" säuselte Georges Stimme. Mit fast tänzelnden Schritten löste sich George aus dem Schatten und verneigte sich übertrieben tief vor Armand, der reglos stehen blieb. Er musste Zeit schinden, um Sergej zu sich kommen lassen zu können.
"Ich bemühe mich soeben, eine ähnliche Freude zu empfinden. Verzeih, wenn mir das nicht gelingt." knurrte er und musterte George.
"Aber ich bitte dich! Vielleicht würde uns ein ruhiges Gespräch einander wieder etwas näher bringen?" George breitete gönnerhaft die Arme aus. Armand war das sehr recht. Aber er ließ die beiden Fremden nicht aus den Augen.
"Gerne. Schick deine beiden Affen weg." forderte er ruhig. Die beiden Männer rührten sich nicht. Fest musterten sie den großen Mann weiter. Armand war klar, dass diese Beiden keinen fairen Kampf liefern würden. Sie strahlten eine gefährliche Skrupellosigkeit aus, die Armand in Ungarn kennen gelernt hatte.
"Aber nein, warum denn? Ich möchte dich bitten, mir zu folgen. Ich kenne ein schöneres Plätzchen als hier. Und es gibt dort hervorragenden Wein." Georges gekünstelte Redeweise ging Armand gehörig auf die Nerven. Er bleckte seine Zähne und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"Ich habe kein Interesse an Wein. Was hast du mit Anya gemacht?" George lachte selbstgefällig. Er näherte sich Armand, hielt aber noch einen respektvollen Abstand und hielt sich so, dass er seinen Begleitern nicht im Weg stand.
"Die kleine Anya… tja, was soll ich sagen? Willst du sie wieder haben? Ich brauche sie nicht mehr, sie wird langweilig." Armand atmete tief durch. Er fixierte George mit mühsam unterdrücktem Zorn.
"Wo ist sie?" George lachte und strich sich über das Kinn.
"Ach weißt du, so ein kleines Menschlein hält nicht viel aus. Aber sie ist sehr lecker! Ich kann dich durchaus verstehen!" stichelte er. Armand spannte seine Muskeln an und stieß ein neues, tiefes Knurren aus. Er wollte sich zurückhalten, weiter Zeit schinden. Er durfte es sich nicht erlauben, sich auf George zu stürzen.
"Halts Maul, George, und bring mich zu ihr!" fauchte er und ballte die Fäuste. George entging die kleine Bewegung nicht. Er begann zu lächeln. Aber dieses Lächeln war keineswegs gekünstelt. Es war gefährlich zufrieden. Ein Funkeln kam in seine Augen.
"Solche Kätzchen gibt es doch überall. Vergiss die Kleine. Ich möchte dich ein paar Freunden vorstellen. An Anya hättest du keine Freude mehr." Armand konnte nicht anders. Sein alter Jähzorn brach durch. Mit einem Zischen stürzte er sich auf George.
Damit hatte George gerechnet und es sogar erhofft. Er duckte sich unter Armands Faust weg und drosch seinerseits genau auf die gerade verheilte Bauchdecke. Armand fauchte seinen Schmerz heraus und holte weit aus. Sein Schlag warf George einige Meter weit zurück auf die Straße. Sofort wandte sich Armand den beiden anderen zu, die sich bisher keinen Millimeter bewegt hatten. Nun kamen sie auf ihn zu.

Kurz dachte Armand sehnsüchtig an Sergej, der offenbar auf sich warten ließ. Aber jetzt war keine Zeit mehr für Notrufe. Er brauchte seine Konzentration, um eventuelle mentale Angriffe abzuwehren und für den bevorstehenden Kampf bereit zu sein. Sofort wählte er den Größeren der Beiden aus, um ihn als ersten auszuschalten. Der kleinere würde dann hoffentlich weniger Kraft abverlangen, die er dann schon für den Stärkeren verbraucht hatte.
Seine Finte gelang. Er fixierte den Kleineren und stürmte auf ihn los, nur um in letzter Sekunde abzudrehen und den Großen anzugreifen. Seine Kampferfahrung kam ihm entgegen. Er schmetterte dem Mann die Faust auf die kurzen Rippen und hörte zufrieden, wie sie brachen und die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Er hatte noch Zeit für einen zweiten Schlag gegen die Schläfe, bevor der Kleinere bei ihm war.
Der Große ging in die Knie, als Armand mehr schlecht als recht den Angriff des Kleineren abzuwehren versuchte. Er stürzte unter dem Aufprall zu Boden und schug hart auf. Zwei Hiebe musste er einstecken, die schmerzten, ihn aber nicht außer Gefecht setzten. Dann konnte er die Kehle seines Angreifers packen. Eisern drückte er zu und donnerte die Linke auf die Zähne seines Gegners. Er warf ihn von sich und mühte sich auf die Beine, als George schon wieder bei ihm war. Aber nicht nur George griff ihn an, sondern auch der andere, der beinahe Armands Größe aufwies.
Das Fauchen und die Schmerzschreie waren laut genug, um einige Bürger besorgt an die Fenster zu holen. Nächtliche Überfälle waren nichts ungewöhnliches. Unbehaglich klappten Fensterläden zu. Man verbarrikadierte sich. Niemand wollte etwas mit dem prügelnden Gesinde auf der Straße zu tun haben. Man hoffte, dass die patroullierenden Nachtwachen das Ganze bald beenden würden.
Armand entschied sich für den Fremden und wandte sich ihm zu, versuchte aber George im Blick zu halten. Er hatte nicht erwartet, dass der dritte so schnell wieder auf die Füße kommen würde, aber offenbar waren alle drei wild entschlossen, ihn zu überrumpeln. Ein schweres Gewicht prallte auf seinen Rücken, ein Arm legte sich klammernd um seinen Hals. Armand taumelte direkt in die Faust seines Gegenübers. Noch während der Schmerz in seinem Kopf explodierte, drosch George seine Faust mehrfach genau auf die Stelle, die er Tage zuvor mit dem Dolch durchbohrt hatte. Das wirkte. Armand ging zu Boden, unfähig, die Schläge abzuwehren, die nun auf ihn einprasselten.
Verzweifelt versuchte er, den Schmerz zu ignorieren und sich wieder aufzurichten. Aber er bracht erneut zusammen. Vor seinen Augen verschwamm alles. Er spürte, wie zwei kräftige Hände ihn packten und wegschleiften.

2 Kommentare:

  1. Irgendwie unfair, da kennen Vampire gar keinen Sportsgeist

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  2. Ich hoffe Sergej kommt noch rechtzeitig.. oder vielleicht ist es nur ein Trick des alten Vampirs um George eins auszuwischen!? *vor ungeduld bibber*

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