Freitag, 4. März 2011

Hier, für dich

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Officer Grimmings schaute auf seinen Computermonitor. Er hatte seine allmorgendliche Liste aufgerufen, auf der er eintrug, wenn jemand sich meldete. Von den 30 Jungen, die ihm anvertraut waren, hatten sich erst 23 gemeldet. Und das, obwohl es schon eine halbe Stunde nach neun war. Aber er kannte das längst und hatte resigniert. Anfangs war er noch jeden Morgen, ab etwa zehn, seine Runde gefahren um diejenigen abzuklappern, die nicht angerufen hatten. Doch alles, was er dabei feststellte, war, dass sie meistens in ihren Betten lagen oder zugekifft einfach vergessen hatten, anzurufen.

Inzwischen machte er diesen Job seit ein paar Jahren und war deutlich abgebrühter geworden. Wenn sich jemand nicht meldete, wartete er mindestens bis zum nächsten Morgen, bis er einen Streifenwagen vorbeischickte. Ein Morgen mit 23 pünktlichen Meldungen war schon eher überdurchschnittlich. Einmal mehr klingelte das Telefon. "Ahhh.", ließ er verlauten und griff zum Hörer. "Officer Grimmings?", bellte er. Nach neun Uhr wurde seine Stimme regelmäßig schärfer. Es sollte sich wenigstens so anhören, als ob er sich darüber aufregte, dass sie sich zu spät meldeten.

"Mein Name ist Settlemeyer. Guten Morgen.", sagte eine freundliche Frauenstimme. Grimmings war kurz irritiert. Dennoch ging er die Liste durch und fand den Nachnamen. "Mrs. Settlemeyer. Was kann ich für Sie tun.", fragte Grimmings nun höflich. "Mein Sohn, Sebastian, er ist ihnen derzeit zur Betreuung zugeteilt, weil er nächste Woche eine Haftstrafe antreten muss.", begann sie zu erklären. Grimmings fand endlich den Namen in der Liste. "Das ist richtig, doch Ihr Sohn hat sich bereits für heute gemeldet. Und übrigens muss er das ohnehin persönlich tun." Schnell prüfte er die Einträge der Uhrzeiten. Der Junge hatte sich die gesamte Woche bereits vorbildlich um kurz vor neun gemeldet.

"Darum geht es auch nicht. Er wird sich auch weiterhin persönlich morgens bei Ihnen melden, doch sie hatten ihn für heute Nachmittag auf das Revier bestellt." Grimmings scrollte nach Rechts zu der Spalte mit den Bemerkungen und es fiel ihm wieder ein. "Nun - Ja. Ihr Sohn müsste sich einmal persönlich melden. Er hat einen Gerichtstermin versäumt, zu dem er rechtmäßig vorgeladen war. Es wurde versucht ihn zu Hause abzuholen. Doch dort war er auch nicht." Mrs. Settlemeyer musste sich kurz sammeln, doch dann fand sie ihre Fassung wieder. "So ein Termin kann schon einmal untergehen, Officer. Ich möchte die Wichtigkeit nicht herunterspielen, doch meinen Sohn erwartet eine dreijährige Haftstrafe."

"Der Gerichtstermin hätte vermutlich nichteinmal eine Stunde gedauert.", gab Grimmings scharf zurück doch er lies einen verständnisvollen Seufzer hören. "Ich möchte Sie einfach bitten, davon abzusehen, meinen Sohn einzubestellen. Ich will gar nicht herunterspielen, was er getan hat. Aber dafür wird er ins Gefängnis gehen. Und bitte verstehen Sie eine liebende Mutter, die ihrem Sohn die letzten Tage in Freiheit für eine lange Zeit noch angenehm gestalten möchte. Für heute ist ein Beusch im Wild Waves Freizeitpark vorgesehen." Nocheinmal seufzte Officer Grimmings. "Nun, Ma'am, das kann ich verstehen.", gab er zu.

"Können wir diesen Besuch also aussetzen, Officer?", bat sie freundlich. Grimmings seufzte nocheinmal. Doch dieser Junge schien ja aus relativ stabilen Verhältnissen zu kommen. "Am Donnerstag nächster Woche beginnt seine Haftstrafe. Heute ist Freitag. Ich möchte ihn vorher noch einmal sehen. Allein wegen einer notwendigen Belehrung, was er mitzubringen hat. Montag? Dienstag? Mittwoch?", bot er an. Sebastians Mutter griff sofort zu: "Mittwoch. Am Nachmittag?", bot sie an. "Zwei Uhr.", entschied Grimming, "Und vielen Dank für Ihren Anruf. Übrigens liegt der Wild Waves Park außerhalb von Seattle, deshalb habe ich jetzt mal so getan, als hätte ich das nicht gehört." Sebastians Mutter bedankte sich noch artig und gab sich schuldbewusst, für den Besuch im Freizeitpark. Dann klappte sie das Handy zusammen und ging zurück in den Frühstückssaal. Als sie hineinging klingelte gerade das Handy. 'Martin' stand im Display.

"Hier, für dich!", sagte sie amüsiert und warf es ihrem Sohn zu.

2 Kommentare:

  1. Jetzt bin ich mal gespannt ob basti ein freund ist oder lieber "anständig" seinen urlaub abbricht um für "Gerechtigkeit" zu sorgen. :D

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  2. Was eine Mutter mit freundlichen Worten so erreichen kann ^^
    Ich denke nicht, dass Sebastian seinem Freund einen Gefallen tun will und auch nicht, dass Mama es erlauben wird. Aber man hat ja schon Pferde vor Apotheken kotzen sehen...

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