Freitag, 25. März 2011

Noctambule: Ende 1. Buch

Dies ist das letzte Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

"Bist du da, meine Kleine?" Sofort schoben sich ihre Finger unter seine. Sie schluckte schwer und nickte stumm.
"Ja, ich bin da." flüsterte sie erstickt. Ihr Blick hing an seinem Gesicht, von dem sie durch den notdürftigen Verband mit Hilfe eines Streifens von gestohlener Wäsche nur die untere Hälfte sehen konnte. Aber sie sah, wie seine Lippen sich zu einem kurzen, sanften Lächeln verzogen. Er atmete inzwischen ruhiger. Auch klang seine Stimme inzwischen deutlich kräftiger.


"Es ist schon seltsam. Sergej spüre ich so deutlich. Jeden anderen kann ich wahrnehmen. Nur dich nicht. Immer noch nicht." überlegte er. Anya lächelte kurz. Sie erkannte seine Absicht, die seltsame Stimmung aufzulockern, die sich zwischen ihnen aufbaute. Beide hatten Schreckliches erlebt. Es steckte ihnen noch deutlich in den Knochen und Armand wusste noch nicht einmal, wie sehr sich alles verändert hatte. Aber er schien es zu ahnen. Sie bemerkte es an dem kurzen Zusammenpressen seiner Lippen und dem schnaufenden Durchatmen.
"Bist du verletzt, Kleines?" Anya presste kurz die Augen zusammen, um ihre aufkommenden Tränen zu verdrängen. Seine dunkle Stimme klang unendlich sanft und liebevoll. Sie zögerte mit ihrer Antwort. Verletzt war sie nur innerlich. Aber es saß sehr tief.
"Nein." sagte sie schließlich fest, um seine Sorgen zu zerstreuen. "Sergej hat mir das Leben gerettet." Sie hatte damit ihre Verwandlung einleiten wollen, aber Armands Hand griff mit plötzlicher Kraft um ihre Finger und sein Gesicht wandte sich angespannt zu ihr.
"Das Leben gerettet? Was hat er getan?" Ahnungsvoll die Luft anhaltend zog er ihre Hand enger an sich. Anya lächelte leicht.
"Er hat mich verwandelt, Armand. Ich habe ihn darum gebeten." Sein heftiges Schnaufen ließ sie stocken. Ihre Erinnerung an diese Stunden war noch nicht zurückgekehrt und sie musste sich auf das verlassen, was Sergej ihr berichtet hatte. Aber sie wusste genau, dass sie Sergej darum gebeten hatte. Das war so ziemlich die letzte Erinnerung, die sie überhaupt hatte. Stumm kniete sie neben ihm und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob Armand wirklich froh darüber war. Wäre es ihm lieber gewesen, dass sie gestorben wäre? Das wollte sie nicht glauben. Sicher musste er diese Nachricht einfach nur erst einmal verdauen.
Armands Gedanken hingegen gingen in eine ganz andere Richtung. Er versuchte zu kombinieren, was er inzwischen erfahren hatte und zu verdrängen, dass er gerne selbst derjenige gewesen wäre, der Anya zu einer Vampirin gemacht hätte. Wenn Sergej gezwungen gewesen war, ihr Leben durch diese Verwandlung zu retten, dann musste er seinem Freund unendlich dankbar sein. Doch im Moment lähmte ihn der Grund, warum Anya dem Tod so nah gewesen war.
"Was hat George dir angetan?" Seine Stimme war nur ein Hauch, aber voller unterschwelligem, mühsam kontrolliertem Zorn. Anya presste erneut die Augen fest zusammen. Trotzdem rollten einige Tränen über ihre Wangen, als sie an die Erlebnisse zurück dachte, die sie immer noch so demütigten. Sie fühlte sich schmutzig, wertlos für Armand. So vieles hatte sich verändert. Bisher hatte sie alle Sorgen darüber einfach verdrängt. Nun war der Moment der Wahrheit gekommen. Sie musste einige Male schlucken, bevor sie antworten konnte. Aufmerksam lauschend hatte Armands feines Gehör ihre Not erkannt. Seine Finger streichelten ihre Hand sanft.
"George ist tot. Er hat für alles bezahlt." brachte Anya schließlich mühsam heraus und starrte verkrampft auf ihre Finger. So entging ihr der kurze Moment, in dem sich Armands Gesicht schmerzlich verzerrte. Armand hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. Er setzte sich mit einer kraftvollen Bewegung auf, die Anya erstaunte. Aber bevor sie sich noch mehr darüber wundern konnte, griffen seine Arme nach ihr und zogen sie fest an seinen Oberkörper. Anya erschrak und spannte sich abwehrend an, um ihn zu schonen. Sie wusste, welche Schmerzen jede Berührung auf seiner verbrannten Haut auslösen musste, aber er schien darauf überhaupt keine Rücksicht zu nehmen. Fest und unerbittlich hielt er ihren versteiften Körper an sich gedrückt und streichelte sanft ihren Kopf.
Erst nach langer Zeit begann sich Anyas Körper zu entspannen. Zittrig atmend drängte sie sich plötzlich an ihn und grub ihr Gesicht in seine Schulter, was Armand das Gesicht verziehen ließ. Stumm hielt er sie fest und streichelte sie weiter, als ihre Tränen nun trotz aller Beherrschung zu fließen begannen.
"Kleine Anya." raunte er schließlich in ihr Ohr. Trauer, Zorn und Dankbarkeit kämpften in ihm. Trauer um die Anya, die er verloren hatte und nie wieder zurückbekommen würde. Zorn auf George und sich selbst, den er nie abreagieren können würde. Dankbarkeit gegenüber Sergej, weil er Anya gerettet hatte und auch einfach darüber, seine Anya wieder in seinen Armen zu spüren. Er nahm sich vor, Sergej zu bitten, in ihm lesen zu dürfen, um Sergejs Erinnerungen zu seinen zu machen. So würde er alles wissen, was Sergej erlebt hatte. Er würde Anya sehen und erfahren, was ihr widerfahren war, ohne ihr zuzumuten, es noch einmal aufzufrischen und ihm zu berichten. Aber jetzt hielt er ihren zierlichen Körper einfach nur fest in seinen Armen und starrte mit verkrusteten Augen in die Dunkelheit.

Einen Nachtmarsch weiter südlich in einem kleinen Waldstück schlug George Squire die Augen auf und fletschte die Zähne…

5 Kommentare:

  1. bis auf das mit den verkrusteten augen...find das wort halt nich so gut gewählt, ist es ein schönes ende für das erste buch *daumen hoch* :)

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  2. Was für ein tolles Buch! Danke!!

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  3. Ich bin wirklich hin und her gerissen!!! Ich konnte gar nich genug bekommen davon!!! also das ist wirklich ein verdammt tolles werk!!!

    Daumen hoch!! und *************** Sterne :)

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  4. Ich habe selten ein Buch so schnell und gerne gelesen wie dieses hier.... echt eine hammer Geschichte =)...Aber schade, dass sie vorbei ist =(.
    Von meiner Seite ein ganz großen Lob =)

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  5. Nun wird es doch einmal Zeit, dass ich hier auch antworte :)
    Vielen Dank Euch. Ich freue mich sehr, dass es Euch gefallen hat. Viele mögen anfangs wohl gedacht haben: Oh nee, schon wieder Vampire!

    Die Idee ist deutlich älter als Twilight, aber wie das Leben so spielt.. egal, es ist ganz anders als alle und es macht mir sehr viel Spaß das Buch weiter zu führen.
    Mit Euren Kommentaren - natürlich auch Kritik ist willkommen - steigt die Motivation weiter. Viel Spaß allen Lesern mit dem zweiten Band :)

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