Donnerstag, 17. März 2011

Noctambule: Einbrecherin Sanisoise

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule

Der Tumult blieb nicht ohne Folgen. Die Tür wurde heftig aufgestoßen und prallte gegen die Wand. Bevor sie zurückfedern konnte, drängten sich drei weitere Männer alarmiert in den schmalen Flur und erfassten die Situation sofort.
Zwei Mann warfen sich auf Sergej, der sich gerade auf seinen Gegner gerollt hatte, und rissen ihn zurück. Während die zwei ihn festhielten, verpasste der dritte ihm zwei gezielte Schläge in den Bauch, die Sergej stöhnend zusammensacken ließen.


"Hört auf!" schrie Anya nun dazwischen und auch wenn sie es nicht erwartet oder erhofft hatte, so hielten die drei Männer tatsächlich inne und musterten sie fragend. Der Anführer der drei Neuen rieb sich die Faust und machte einen Schritt auf Anya zu. Alessio zwang sie mit seinem Griff dazu aufzustehen.
Anya kam auf die Beine und versuchte den Schmerz in ihrem Arm zu ignorieren. Mit stolz erhobenem Kopf sah sie dem Mann in die Augen und hoffte, dass der ihr heftiges Herzklopfen nicht hören konnte.
Der Mann vor ihr wirkte selbstbewusst und auf eine gefährliche Art gelassen, während er sie musterte. Was er sah, schien ihm zu gefallen, denn sein Lächeln wurde kurz breiter. Aber seine Stimme blieb kalt, als er sprach.
"Wer seid ihr?" Offenbar war er es gewohnt, Befehle auszusprechen und noch mehr, dass sie auch sofort befolgt wurden. Widerspruch schien es in seinem Vokabular nicht zu geben.
"Ich bin Anya Sanisiose. Dort drüben ist Sergej Komarov. Ich will sofort Euer Oberhaupt sprechen." Sie versuchte, so fest und überzeugt zu klingen wie möglich. Dennoch stieß ihr Gegenüber ein kurzes, schnaubendes Lachen aus.
"Das bin ich. Ich wüsste zu gerne, was dich berechtigt, in mein Haus einzubrechen?" Er lehnte sich an die Wand und gab Alessio ein Zeichen, Anya loszulassen. Erleichtert zog sie ihren Arm vor die Brust und bewegte die Finger, um die Durchblutung zu fördern und damit den Schmerz zu lindern.
Frei vor dem Mann zu stehen, gab Anya neues Selbstvertrauen. Zwar war ihr bewusst, dass sie keine Chance hatte, auf irgendeine Weise zu entkommen, doch ließ dieser Vampir ihr wenigstens die Würde, aufrecht vor ihm zu stehen und so richtete sie sich zu ihrer vollen – und doch recht niedrigen – Größe auf.
"Das mag Euer Haus sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr wirklich der Älteste hier seid." widersprach sie ruhig. Verblüffte Stille trat ein, selbst Sergej musterte sie verblüfft und drosselte seinen keuchenden Atem, um sie besser zu hören.
Der Mann lachte auf und schob die Daumen in seine Hosentaschen.
"Gut erkannt, kleine Einbrecherin. Aber da ich nun einmal hier das Sagen habe, musst du mich schon davon überzeugen, dass es wichtig ist, unseren Ältesten zu stören." meinte er und legte fragend den Kopf schief, eine Bewegung, die Anya schmerzlich an Armand erinnerte.
Sie nickte verstehend und atmete tief durch. Dieser Mann hatte offenbar nicht vor, sie wortlos zu strafen oder hinauszuwerfen. Er war neugierig und nicht feindlich eingestellt, obwohl sie ihm alle Gründe geliefert hatte, genau das zu sein.
"In Eurem Haus befindet sich mein Gefährte Armand Sartous. Er wurde zu Unrecht verschleppt von einem Mann namens George Squire. Dieser Mann nutzt Euch und Eure Kräfte aus, eine ganz persönliche Rache an Armand zu nehmen und ich bin sicher, er hat Euch alle nach Strich und Faden belogen." erklärte sie.
Erneut trat Stille ein. Der Anführer musterte Anya nachdenklich und dachte nach. Sie musste genau ins Schwarze getroffen haben, wenn er nicht sofort protestierte.
"Nun, vielleicht haben wir so jemanden zu Gast, das mag sein. Was aber berechtigt euch dazu, einfach hier einzubrechen und Forderungen zu stellen? Und warum habt ihr nicht ganz normal an der Tür geklopft?" Anya schluckte. Auf einmal kam ihr ihre Idee gar nicht mehr so gelungen vor und sie fand auch keinen guten Grund, den sie hätte vorbringen können.
"Das war meine Idee, nicht seine." Sie wies auf Sergej, der sie immer noch verblüfft musterte.
"Eure Leute haben Armand zusammengeschlagen und hierher gezerrt. Wir mussten davon ausgehen, dass ihr uns nicht hereingelassen hättet." erklärte sie ehrlich und mit leichtem Vorwurf in der Stimme. Bei aller Selbstbeherrschung konnte sie sich das nicht verkneifen. Sergej kniff die Augen zusammen und erwartete bereits für diese Frechheit einen weiteren Schlag in die Magengrube. Aber es kam nur ein neues Lachen.
"Irgendwie ist da was Wahres dran." meinte er schmunzelnd und musterte Anya erneut von oben bis unten. "Schon gar nicht mit diesen.. Fetzen." setzte er abwertend hinzu. Anya schob das Kinn trotzig vor und schwieg. Sie blieb standhaft und sah ihm weiter in die Augen, hob sogar fragend eine Braue. Und ihre Rechnung ging auf, denn sie hatte ihm den Ball erneut zugespielt und ihm das Gefühl vermittelt, wenigstens noch etwas zu sagen.
"Du meinst also, dass wir… speziell unsere weisen Ältesten… so dumm sind, sich belügen und benutzen zu lassen wie blutige Anfänger?" stellte er ihre Behauptung erneut in Frage. Anya blinzelte und warf Sergej einen fragenden Blick zu. Diese Frage barg eine Falle, das roch sie. Ihre Erfahrung reichte nicht aus, um nun sicher zu sein, das Richtige zu sagen. Sergej nickte ihr ermutigend zu, übernahm aber das Wort.
"Nein, das meint sie nicht." er musste husten und kämpfte hörbar darum, verständlich zu sprechen. Der Anführer wandte ihm den Kopf zu und wartete geduldig, bis Sergej sich gefasst hatte. Es kam aber kein Zeichen, ihn loszulassen.
"Es gilt herauszufinden, welche dreisten Lügen George schon wieder verbreitet hat. Glaubt mir, der ist mit allen Wassern gewaschen und wir wollen einfach nur verhindern, dass hier ein großes Unrecht geschieht!" Wieder keuchte er und Anya, die den Anführer genau beobachtet hatte, schöpfte Hoffnung, denn nun flackerte sein Blick überrascht.
"Ihr solltet überlegen, ob Eure Ältesten tatsächlich eine Entscheidung treffen sollten ohne uns anzuhören! Könnt Ihr das vertreten?"
Die Sekunden tropften nach Sergejs Worten zäh in tiefem Schweigen dahin. Jeder schien auf eine Entscheidung des Anführers zu warten und dieser musterte Anya nachdenklich. Dann atmete er durch und nickte, während er seine Hände aus den Taschen zog.
"Gut. Bringt sie runter in den Keller!" befahl er. Die Zwei, die Sergej hielten, begannen ihn grob zur Treppe zu zerren und diesmal war es Anya, die sich vordrängte und dem Chef die Hand auf den Arm legte.
"Lasst ihn bitte alleine gehen! Wir haben nicht vor, Euch anzugreifen!" bat sie.
"Lasst ihn los!" befahl der Mann sofort und senkte den Kopf lächelnd zu Anya.
"Irgendwie finde ich Gefallen an Euch. Sagt mir, warum das so ist, Einbrecherin Sanisoise?" Anya senkte kurz verlegen den Kopf. Er schien es zu genießen, ihr den Vorwurf des Einbruchs bei jeder Gelegenheit an den Kopf zu werfen. Konnte sie es wagen, diese unverständliche Zuneigung auszunutzen oder sollte sie lieber demütig sein? Würde ihr Verhalten das der Ältesten beeinflussen, indem sie mit diesem Mann hier flirtete? Sie wusste es nicht und würde es herausfinden müssen.
"Vielleicht, weil Ihr Euch daran weidet, meinen Namen zu kennen und mich im Unklaren über den Euren zu lassen?" fragte sie keckt. Sie löste ein weiteres kurzes Lachen aus während er ihr die Tür aufhielt.
"Vielleicht." erwiderte er nur und ließ ihr den Vortritt. Anya ging still hinter Sergej die Treppe hinunter. Dies hier schien offenbar ein Dienstbotenaufgang zu sein. Die Treppe war schmal, aus rohem Holz und wand sich spiralförmig hinunter. Sie kannte solche Treppen aus ihrem früheren Leben als Dienstmagd in hohen Häusern.
Jedes Mal, wenn sie ein Stockwerk erreichten, begegneten ihnen Wachen, die neugierig die Köpfe ins Treppenhaus steckten und von ihrem Begleiter beruhigt wurden.
"Alles in Ordnung. Bleibt auf Euren Posten."
Schließlich erreichten sie das Erdgeschoss und Anya konnte einen kurzen Blick auf den kleinen Flur werfen, der offenbar zum Nebeneingang führte. Der Mann, der dort bequem auf einem Stuhl lümmelte, hatte die Füße an der gegenüberliegenden Wand abgestützt und stolperte auf die Beine, als er seinen Chef erkannte.
Mann ging jedoch einfach weiter die kleine Holztreppe zum Keller hinunter und die beiden Männer, die vorgegangen waren, zogen sie knarrend auf.

2 Kommentare:

  1. Ja manchmal bringt ein die nackte Wahrheit weiter, hat der Fall ja auch gezeigt und George ist eh ein Lügener so...

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  2. Jetzt bin ich gespannt, was im Keller wartet. Der Alte ist ein weiser Mann aber er ist auch sehr erregt über all die Vorkommnisse.

    Und was, wenn die kleine Anya herausfindet, dass ihr Armand nun tatsächlich der Mörder ist und das ganze nur schon so lange her ist, dass sie es sich tatsächlich nicht einmal vorstellen kann?

    Aber wenigstens ist der Weg nach unten komfortabel. An all den Vampiren wäre man sonst auch nie und nimmer vorbei gekommen.

    Gruß
    Joe

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