Sonntag, 12. Juni 2011

Noctambule II: Rückblick - Verzweifelte Gedanken

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Ebru hatte einen Schock erlitten und als sie zuhause ankamen, stand Armand bereits besorgt in der Tür, das Gesicht angespannt durch die blendende Helligkeit, auch wenn das Haus noch im Schatten der Mauer lag.
Sein feines Gehör hatte ihr Weinen schon von weitem wahrgenommen und ihn aus dem Bett katapultiert. Ihr Anblick war auch für Armand erschreckend. Sofort zog er sie in seine Arme, drückte ihren bebenden Körper an sich und warf Siti einen fragenden Blick zu.

"Die Feinde werfen schreckliche Leichen in unsere Stadt, Herr! Direkt vor Ebru ist eine in das Obst gefallen!" berichtete Siti aufgeregt und schien verzweifeln zu wollen, als sie den skeptischen Blick Armands bemerkte.
"Sie werfen Leichen?" wiederholte er ungläubig. Dabei zog er Ebru ins Haus hinein und bedeutete Siti, die Tür zu schließen. Ebru weinte nun lauter, ihre Knie schlotterten und ohne Armands sicheren Griff wäre sie zusammengesunken. Sergej streckte verschlafen den Kopf aus seinem Zimmer, kam aber sofort erschrocken hinzu.
"Ich sage die Wahrheit, Herr! Der Mann sah ganz schlimm aus, mit schwarzer Haut, Blut und dicken Beulen am Körper." berichtete Siti eindringlich und Ebru nickte schluchzend an Armands Brust.
Siti hatte die langen Blicke ihrer Herren bemerkt, die sie sich über die Köpfe ihrer Mädchen zugeworfen hatten. Nachdem ihr erklärt worden war, welche Krankheit diesen Toten dahin gerafft hatte, war es sehr still im Flur geworden. Doch nun tat sie alles, was ihr nur einfallen konnte, um die Sorge der Herren zu zerstreuen und zu beweisen, dass Ebru nicht erkranken würde.
Ohne auf Ebrus Protest über Wasserverschwendung zu achten, holte Siti frisches Brunnen und erhitzte es, damit ihre Schwester in dem kleinen Badezuber baden konnte.
Auch in den folgenden Tagen durfte Ebru nichts mehr alleine unternehmen. Siti musterte sie immer wieder prüfend, erkundigte sich nach ihrem Befinden und schnalzte ungläubig mit der Zunge, wenn Ebru ihr versicherte, dass sie sich völlig gesund fühlte.
Armand und Sergej nutzten den nächtlichen Schlaf der Mädchen, um über die Sache zu beratschlagen. Beide hatten steile Sorgenfalten in der Stirn und wirkten ratlos.
"Und wenn wir sie verwandeln? Müssten dann nicht die Heilkräfte einsetzen?" fragte Armand schließlich unbeholfen. Sergej warf ihm einen skeptischen Blick zu.
"Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Derjenige, der das übernimmt, wird für einige Stunden infiziert sein. Du kennst das ja." Armand nickte und erinnerte sich an die brennenden Schmerzen, nachdem er den pestkranken Mongolen erwischt hatte. Scharf darauf war er wirklich nicht, das noch einmal zu erleben.
"Aber wir überstehen das. Einer könnte ihr das Blut abnehmen und während er sich erholt, übernimmt der andere." plante er hilflos. Sergej stieß ein unsicheres Seufzen aus, beugte sich vor und raufte sich die Haare.
"Ja sicher! Aber in der Zeit ist derjenige, der das Trinken übernimmt ansteckend! Glaube ich wenigstens. Und was ist, wenn das schief geht?" Armand musterte ihn besorgt.
"Nennen wir das Kind beim Namen, Sergej! Sie wird auch so sterben, das weißt du!" Sergej zuckte leicht zusammen. Armand beugte sich ebenfalls vor und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. Sergej ließ die Hände fallen und blickte ihn traurig an.
"Lass mich darüber nachdenken. Und außerdem müssen wir sie fragen, ob sie das will." Armand nickte und ließ seinen Freund los. Es ging ja nicht nur um Siti. Armand musste befürchten, dass ihm diese Entscheidung mit Ebru ebenfalls bevorstand und auch er hatte keine Ahnung, ob er das Richtige tat.
Zum ersten Mal in seinem Vampirleben scheute er davor zurück, eine Entscheidung über Leben und Tod zu treffen. Und er verstand nicht, warum.
"Ich übernehme die Verwandlung gerne für dich bei Siti. Dann kannst du sie danach pflegen." Um Sergejs Lippen zuckte ein ratloses Lächeln auf, aber verschwand dann wieder. Er wusste, dass er sich schnell entscheiden musste und scheute dennoch davor zurück.

1 Kommentar:

  1. Die Vampire wissen ja wohl schon eher mehr über die Gesundheit, allein aufgrund ihrer langen Erfahrung im zusehen bei Krankheiten.

    Aber auch sie stehen hier hilflos vor der Frage, wie man sicher mit der Pest fertig wird, und das obwohl ihnen doch ein so mächtiges Mittel zur Verfügung steht.

    Ich bin ja gespannt, ob das Mädchen einer Verwandlung zustimmt. Wie Anya dereinst hat auch sie vermutlich nicht wirklich die Wahl. Und selbst wenn sie sie hat, hat sie ja keine Ahnung, was es bedeuten kann und wird, wenn sie diesen Weg beschreitet.

    Alles was sie kennt ist zwei Herren, die halt vor allem nachts ausgehen. Sie hat keine Ahnung vom Töten, vom Jagen vom Trinken und auch nicht von dem, was sonst noch dazu gehört.

    Armes Mädchen....

    Und warum hier zurückgeschreckt wird vor der Entscheidung ist doch klar. Zum ersten Mal ist echte Zuneigung im Spiel. Und vor allem vermutlich auch Gegenliebe!

    Gruß
    Joe

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