Mittwoch, 15. Juni 2011

Noctambule II: Rückblick - Der verlorene Kampf

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II



Die beiden Freunde Armand und Sergej wechselten sich in der Pflege der kranken Siti ab, doch jagen wollte keiner der beiden, auch wenn es sie gestärkt hätte. Das fröhliche Lachen und Singen war aus dem Haus verschwunden. Ebru schlich traurig umher, kochte Suppen und Tee für ihre Schwester und kochte die Lappen aus, die für die Pflege des Mädchens verwendet wurden.

Wenn Armand gerade nicht an Sitis Seite saß, drückte sich Ebru an ihn und weinte. Sergej hatte Ebru nur noch ein einziges Mal an Sitis Bett gelassen und war dabei geblieben, damit Ebru sich nicht zu nah dem Bett näherte und an Siti anstecken konnte. Danach hatte Armand große Mühe, Ebru wieder zu beruhigen und suchte sich ständig neue Aufgaben aus, mit denen er Ebru beschäftigen und von ihrer Angst ablenken konnte. Noch hoffte er inständig, dass Ebru widerstandsfähiger war als ihre Schwester und einfach gesund bleiben würde.

Sergej konnte nicht schlafen. Mit rot geränderten Augen blieb er an Sitis Seite, wusch und versorgte sie und spürte schon am zweiten Tag, wie sein Körper zu kämpfen begann. Neue Pesterreger in seinem Körper kämpften gegen wieder einmal gegen das starke Immunsystem des Vampirs und verloren den Kampf, doch wirkte Sergej angestrengt und übermüdet.
Armand befahl Ebru jeden Tag, das ganze Haus gut durchzulüften und erlaubte ihr nicht, auf die Straße zu gehen. Wenn sie hinter dem Haus im Garten arbeitete oder im Haus selbst herumlief, um zu putzen, saß er selbst dumpf brütend im Salon, die langen Beine weit von sich gestreckt und beobachtete Ebru mit scharfem Blick.
Als sie das erste Mal schwankte, sprang er sofort auf und war in der gleichen Sekunde schon neben ihr. Seine Arme schlangen sich um sie, er drückte sie an seinen Körper und spürte sofort die Hitze, die sie ausstrahlte.
Ebru sank erschöpft an seine Brust. Sie bebte am ganzen Körper und ihre Hände klammerten sich an sein Hemd. Armand presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen. Seine Angst hatte sich bestätigt. Als seine Nase sich ihrem Hals näherte, zuckte er sofort wieder zurück. Er roch die Krankheit nun auch in ihrem Blut.

Der tiefe Schmerz in seinen Augen ließ Ebrus Widerstand zusammenbrechen. Sie schluchzte leise und schlang ihre Arme um seinen Körper. Stumm standen die Beiden eng umschlungen im Salon, versuchten einander zu trösten und Kraft zu geben. Doch Armand löste sich schließlich aus ihrer Umarmung, hob sie auf seine Arme und trug sie in sein Zimmer, wo er sie sanft auf seinem Bett ablegte.
Wortlos entkleidete er sie, streichelte dabei immer wieder ihr Gesicht und versuchte zu lächeln.
"Du musst deiner Schwester nicht alles nach machen." versuchte er zu scherzen. Ebru lächelte bebend und biss sich auf die Lippen. Ihre Augen verfolgten ihrem Herren, als er eine Schüssel mit frischem Wasser holte und ein Tablett mit Tee und Suppe neben ihrem Bett abstellte.
Ebru kämpfte stumm gegen die Krankheit, die in ihrem Körper wütete. Die Schmerzen wurden von Stunde zu Stunde schlimmer.
Ihr Fieber stieg an und ihr sonst so schönes, braunes Gesicht wirkte schon am zweiten Tag fahl und eingefallen. Nun konnten sich die Freunde nicht mehr abwechseln. Ohne miteinander zu reden begegneten sie sich außerhalb der Zimmer, um das Wasser zu wechseln oder frische Wäsche zu holen.
Auch in Armand tobte nun erneut der Kampf und erschöpfte ihn.
Nachts ließ Armand das Fenster sperrangelweit offen stehen und hoffte, dass die frische Luft auch Ebru gut tun würde. Aber sie lag bereits im fiebrigen Delirium und merkte nichts von der frischen Luft. Sie hörte auch nicht die Geräusche der Schaufel, die Sergej eines Nachts in die Erde im Garten trieb. Nur Armand lauschte auf und sein Gesicht verzog sich voller Trauer. Siti hatte es hinter sich.
Armand ließ seinen Freund alleine im Garten. Er wusste nur zu gut, dass Sergej nun alleine sein wollte und die Anstrengung des Grabens brauchte, um seine Gefühle zu ordnen. Während er aus dem Fenster in die Dunkelheit starrte und Sergejs Schatten zusah, stahl sich Ebrus heiße Hand in seine und riss ihn aus seinen Gedanken.

Ihr Gesicht war bereits völlig entstellt. Die Beulen an ihrem Hals und in den Achselhöhlen waren unendlich angeschwollen. Ebrus Haut begann sich bereits an mehreren Stellen zu verfärben und Armand hatte gesehen, dass eine der Beulen in ihren Leisten bereits aufgebrochen war.
Die Vergiftung nahm bereits ihren Lauf in Ebrus Körper. Das Fieber schüttelte sie ebenso heftig wie die Schmerzen, die sie erleiden musste. Ihre Lungen pfiffen und rasselten bei jedem Atemzug, und als sie ihren Herren nun aus glasigen Augen anstarrte, musste Armand erkennen, was Ebru längst akzeptiert zu haben schien.
Mehrfach musste Ebru ansetzen, um reden zu können, denn ihre Zunge war stark angeschwollen und die Beulen an ihrem Hals drückten so schmerzhaft nach innen, dass ihre Stimmbänder fast den Dienst versagten.
"Es tut mir so leid, Herr." Ihre Stimme war kaum noch zu verstehen. Armand schluckte mühsam und schüttelte lächelnd den Kopf.
"Dir muss nichts leid tun. Du bist ein wundervolles, schönes, leidenschaftliches Mädchen." raunte er mit belegter Stimme. Aber Ebru schüttelte den Kopf und sah ihn traurig an.
"Ich wollte dir doch Söhne schenken." krächzte sie traurig. "Ich bin keine gute Frau." Armand kämpfte mit den Tränen und versuchte, den dicken Kloß in seinem Hals loszuwerden. Von diesen Plänen hatte er nichts gewusst.
"Du bist eine sehr gute Frau. Ich habe nie bereut, dich gekauft zu haben." versicherte er ihr leise. Ebrus Augen hingen an ihm, als würde sie auf weitere Worte warten. Doch noch während Armand krampfhaft überlegte, was sie wohl hören wollte und was er ihr alles sagen sollte, jappste sie plötzlich nach Luft. Ihre kleine Hand krallte sich um Armands Finger und ihr Körper wurde von einem heftigen Schütteln gepackt.
Der Kampf schien nicht aufhören zu wollen. Ebrus Körper bäumte sich auf, während ihre Organe nacheinander versagten. Ein letztes Mal stöhnte sie tief, drehte den Kopf und sah direkt in Armands schwarze Augen. Sie schien in seinem Blick zu versinken, während sich ihr Gesicht langsam entspannte und ihr Körper zur Ruhe kam. Dann brach ihr Blick. Langsam lösten sich ihre Finger von seiner Hand und die letzte Luft verließ rasselnd ihre Lungen, als ihr Herz aufhörte zu schlagen.

1 Kommentar:

  1. Als Sklavinnen gekauft - Als Geliebte gehalten - Als Opfer geendet. Und da war die Gefahr des Todes nun Monatelang so gegenwärtig, wie sie nur sein konnte - Immer hatten alle Beteiligten sich zurückgehalten. Nur diese Gefahr konnte man nicht ahnen - Diese Gefahr konnte man nicht verhindern.

    Das fehlende Wissen um die tatsächlichen Infektionswege der Pest wird noch Jahrhundertelang ganze Städte auslöschen, ehe man lernt wie man die Ansteckung vermeiden kann.

    Zu spät für Siti und Ebru. Trotz aller Verzweiflungstaten und Verwandlungsversuche hat der Tod sie geraubt und die Vampire Sergej und Armand lernen eine bittere Lektion. So oft waren sie Herr über den Tod. So leichtfertig können sie Menschen das Leben nehmen. Aber geben oder retten können sie es nicht.

    Nun sollten die zwei sich ein wenig besinnen und würdig um zwei gute Mädchen trauern. Dann heißt es aber nach vorn zu blicken. Die unverseuchten Menschen in und um die Stadt werden rar. Jeder Biss birgt schon jetzt die Gefahr sich zu infizieren. Und ohne die Mädchen können sie sicherlich mit Leichtigkeit dieser Todesfalle entkommen.

    Schnell eine Locke vom Haar der Toten eingesteckt, die Tränen verdrückt und hinfort. Hinfort von dort, wo alles an die beiden erinnert und hinfort aus der Gefahrenzone.

    Viel Glück!

    Gruß
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.