Donnerstag, 2. Juni 2011

Noctambule II: Rückblick - Ab ins Loch!

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Krim 1345

Normalerweise machte sich keiner der Freunde Gedanken, wenn man sich für die Jagd ein wenig aus den Augen verloren hatte. Spätestens zuhause fand man sich wieder. Ausgerechnet heute suchte Sergej jedoch verzweifelt nach seinem Freund, um zu verhindern, dass er nach Hause kam. Nach über einer Stunde vergeblicher Suche beschloss er endlich, in der Nähe der Mauer auf Armand zu warten. Dann konnte er wenigstens verhindern, dass er hinüber kletterte und würde ihn nicht verpassen.

Aber zwei weitere Stunden vergingen, ohne dass Armand auftauchte. Sergej war mehr als beunruhigt. Armand brauchte niemals so lange um gute Beute zu finden, wenn zig tausende von Soldaten um ihn herum rannten.
Nachdem er noch dreißig Minuten mehr abgewartet hatte, ging er wieder auf die Suche und richtete seine Sensoren auf Armand aus. Einen Hilferuf hatte er nicht gespürt, daher war er noch hoffnungsvoll. Verbissen begann er seine Suche ungefähr an der Stelle, wo sie sich getrennt hatten und zog von dort aus seine Kreise, stets auf der Hut vor patrouillierenden Soldaten.
Er spürte Armand ganz nah bei sich, doch ein dumpfes Keuchen brachte ihn erst auf die richtige Spur. Armand lag zusammengekrümmt in einem Gebüsch, die Lippen fest zusammengepresst und Schweißperlen auf der Stirn.
Sergej kniete sich besorgt neben ihn und wischte die feuchte Stirn ab, die sofort wieder mit Schweiß bedeckt war. Kein gutes Zeichen.
"He, altes Haus. Was machst du denn für Sachen?" raunte er leise und drehte Armand auf den Rücken. Armand starrte ihn aus geröteten Augen an.
"Was ist das? Es brennt wie Lava." jappste er flüsternd. Sergej nickte, die Stirn in tiefe Falten gelegt.
"Die Pest, mein Guter. Du hast einen erwischt, der sich angesteckt hat, aber die war gerade erst am Ausbrechen." erklärte er und fühlte nach Armands Puls. Das Herz schlug schnell und hastig. Aber es war kräftig. Erleichtert hockte sich Sergej neben seinen Freund und zog ein Taschentuch, um seine Stirn zu trocknen.
"Ich vermute mal, du wirst ein paar Stunden brauchen, bis du das weggesteckt hast. Das schaffen wir vor Sonnenaufgang. Aber du darfst nicht zu den Mädchen. Deine Kleider musst du auch los werden. Nicht, dass du noch irgendwelche Flöhe von dem Soldaten mit dir rumschleppst. Und ich auch." knurrte er schließlich ungehalten. Armand versuchte ein Grinsen, aber es wurde nur eine angestrengte Grimasse draus.
"Dann sollten wir schwimmen. Und uns nicht nackt in der Stadt erwischen lassen." krächzte er und biss die Zähne bei einem neuen Schmerzschub zusammen. Sergej versuchte, gelassen über den Schub hinweg zu sehen und nickte nachdenklich.
"Das würde Sinn machen. Wir sollten die nächsten vier bis fünf Tage im Garten in dem kleinen Schuppen verbringen. Nur zur Sicherheit." überlegte er. Armand stöhnte und wollte sich aufrichten, fiel jedoch matt wieder zurück.
"In dem elenden Loch? Bist du verrückt geworden?" stieß er nach einer Weile hervor. Sergej grinste nun breit und zeigte dabei sein scharfes, langes Gebiss.
"Willst du die Mädels gefährden? Soweit ich gehört habe, bist du nach fünf Tagen nicht mehr ansteckend." Armand schlug in wütender Verzweiflung mit der Faust ins Gras und starrte Sergej verbissen an.
"Natürlich nicht. Also ab ins Loch. Verdammt noch mal." Armand brauchte tatsächlich noch zwei Stunden, bevor er in der Lage war, sich aufzurichten und gerade zu stehen. Das Schwindelgefühl ließ beim Laufen endlich auch nach, aber so richtig sicher auf den Beinen war er trotz allem noch immer nicht, sodass Sergej dicht an seiner Seite blieb.
"Du torkelst, als wärest du besoffen." stichelte er und erntete amüsiert ein dunkles Knurren. Sie kämpften sich durch die ausgedörrte Ebene hinunter an die Küste und liefen im Schutz der Felsen so nah es ging in Richtung Stadt. Dann begannen beide, sich auszuziehen und schoben sich nackt ins Wasser. Sergej war besorgt.
"Schaffst du das denn?" Armand prustete und begann, sich am ganzen Körper fast hektisch mit Salzwasser abzureiben, als müsse er imaginären, fest haftenden Schmutz entfernen.
"Das schaff ich! Du solltest nur beten, dass es hier keine Quallen gibt, die mir den Schwanz abbrennen." erklärte er entschlossen und schob sich endlich ins Wasser.
Beide waren Schwimmen über weite Strecken nicht gewohnt. Sie brauchten immer wieder Pausen, in denen sie sich auf den Rücken legten und vom Wasser tragen ließen. Aber schließlich erreichten sie den Hafenbereich und schwammen nun so leise, wie es nur irgend ging. Immer wieder tauchten sie ab, legten unter Wasser weite Strecken zurück und kamen lautlos nur mit den Köpfen wieder hoch.
Vorsichtig tasteten sie sich durch die großen Schiffe, die vor Anker lagen und suchten nach einer Möglichkeit, ungesehen aus dem Wasser zu kommen. An einem alten Kai nahe den alten Speichern fanden sie endlich eine gut gedeckte Stelle und zogen sich leise auf die Holzplanken hinauf.
Armand blieb einige Sekunden schnaufend liegen. Jeder Muskel zitterte unter seiner Haut und erst jetzt wurde Sergej bewusst, dass Armand seine letzten Kräfte aufgebraucht hatte.
Er zog seinen Freund auf die Beine und führte ihn in eine dunkle, der Stadt abgewandte Ecke, wo er ihm half, sich hinzukauern.
"Warte hier. Ich sehe mal, ob ich irgendwelche Klamotten auftreiben kann." raunte er ihm zu und verschwand in der Dunkelheit. Armand sackte sofort in eine Art Dämmerzustand. Als sein Freund nach einiger Zeit zurück kam, lag er auf der Seite, zusammengerollt wie ein Embryo und zitterte noch immer wie Espenlaub. Fürsorglich legte er einen groben Umhang über ihn und rubbelte ihn erst einmal trocken.
"Das kann ich auch alleine." knurrte Armand mit geschlossenen Augen, was Sergej zum Grinsen brachte. Er rückte ab und ließ Armand Zeit, sich abzutrocknen und dann in den feuchten Umhang zu hüllen.
"Will ich wissen, woher der ist?" fragte Armand schließlich. Sergej schüttelte den Kopf und so beließ Armand es dabei und drückte sich an der Wand hoch, bis er wieder stehen konnte. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Freund einen ähnlichen Umhang trug, allerdings mit Kapuze, die er sich nun über den Kopf zog.
Armand ließ zu, dass Sergej ihn stützte während des Heimwegs. Für Fremde mussten sie wie betrunkene Freunde wirken und niemand von den wenigen Menschen, die noch unterwegs waren, beachtete sie. Trotzdem atmete Sergej erst auf, als er das Haus sah und seinen Freund behutsam neben der Tür an die Wand lehnte, um sie zu öffnen.

1 Kommentar:

  1. Ach ich könnte mir vorstellen, dass der ein und anderen Nackte zur Morgenstunde in der Stadt gar nicht so selten ist. Wer alles verspielt hat.... :D Und während einer Belagerung ist es nun mal langweilig in der Stadt.

    Beneidenswert Vampir zu sein. Jedenfalls, wenn man jede Krankheit, die sonst Wochen dauert, in ein paar Stunden kurieren kann.

    Und jetzt müssen sie sich also von den Mädchen fernhalten. Aber Sergej ist sehr weise. Gut, dass er da schon Erfahrungen hat! :) Und die Mädchen sind ihnen schließlich so ergeben, dass sie die fünf Tage schon nicht zur Flucht nutzen werden. Wohin auch bei der Belagerung?

    Liebe Grüße
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.