Dienstag, 28. Juni 2011

Noctambule II: Etwas ist passiert

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Sergej sah sich um und überquerte mit blitzartiger Geschwindigkeit die Straße. Seine Kletterpartie das Haus hinauf konnte nur Armand mit den Augen verfolgen, so schnell war er. Ein Mensch hätte wohl nur einen kurz hüpfenden Schatten gesehen. Erst als Sergej direkt vor Miriams Fenster war, konnte man ihn deutlich erkennen.
Armand beobachtete Sergej ohne Unterlass, seine Sinne waren jedoch auf die Umgebung ausgerichtet. Er wollte auf keinen Fall, dass jemand seinen Freund überraschen würde. Aber die Straße blieb bis auf eine Magd leer, die kurz das Haus verließ und in die entgegengesetzte Richtung eilte.


Aber Sergej kletterte nicht in das Fenster. Er warf einen vorsichtigen Blick hinein und zuckte zurück. Mit einem lautlosen Sprung landete er wieder auf der Straße, federte ab und lief zu Armand zurück, der ihn mit fragendem Blick musterte.
Sergej hatte die Stirn gerunzelt.
"Etwas muss passiert sein." murmelte er und lehnte sich nachdenklich an die Wand. Armand schien Mühe zu haben, ihn nicht durchzuschütteln, um die Informationen zu erhalten.
"Miriam ist völlig verheult. Sie ist nicht allein im Zimmer, eine Zofe hilft ihr beim Ankleiden. Trauerkleidung." Armand blinzelte. Die Zofe hatte Sergej davon abgehalten, sich bei Miriam bemerkbar zu machen. Wenn sie so heftig geweint hatte, konnte es sich ja nur um ein enges Familienmitglied handeln. Fraglich war, um wen es ging.
"Also ist Anya nicht bei ihr?" vergewisserte er sich. Sergej hatte die Stirn gerunzelt und schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich habe sie nicht gesehen." antwortete er. Die Sorge um Anya stieg auch bei ihm. Doch dass die kleine Miriam dort oben so schrecklich geweint hatte, löste seinen Beschützerinstinkt aus. Für ihn war die Suche nach Anya gerade zweitrangig geworden.
"Ich will ins Haus. Ich will wissen, wer da gestorben ist." meinte er ruhig. Er warf seinem Freund einen fragenden Blick zu und erwartete Widerspruch. Aber Armand nickte.
"Einverstanden. Sehen wir nach. Ich weiß sowieso nicht, wo ich Anya sonst suchen sollte. Vielleicht haben wir eine Möglichkeit, mit Miriam zu reden." Sergej atmete tief durch und betrachtete wieder das Haus.
"Gut. Lass uns im Garten hinter dem Haus nachsehen, ob dort eine Möglichkeit besteht, hineinzukommen." schlug er vor. Er wartete Armands Zustimmung gar nicht ab sondern überquerte die Straße nach einem sichernden Blick erneut.
Die zweieinhalb Meter hohe Steinmauer war eine Verlängerung der Hauswand parallel zur Straße. Sie sollte sowohl vor neugierigen Blicken schützen als auch vor unerwünschtem Besuch im Garten. Für Sergej war diese Mauer überhaupt kein Hindernis. Mit einem gewaltigen Sprung und einem abstützenden Schritt an der Hauswand federte er aufwärts. Ein sichernder Griff an einem hervorstehenden Zierstein der Hauswand half ihm, sich auf die Mauer zu schwingen. Dann war er schon hinter der Mauer verschwunden. Sekunden später landete Armand lautlos neben ihm, richtete sich gerade auf und zupfte seine Kleidung wieder ordentlich, während Sergej bereits die hintere Fensterfront des Hauses betrachtete.
Die Küche war hell erleuchtet und Schatten von mehreren Angestellten huschten hin und her. Auch der Dienstbotentrakt war hell erleuchtet. Das Licht fiel in langen Streifen in den gepflegten Garten. Die beiden Freunde hielten sich im Schatten, während sie die Fenster betrachteten. Armand war es, der ein Fenster im Erdgeschoss entdeckte, das weit geöffnet war. Der Raum dahinter war völlig dunkel.
Mit einem Knuff in Sergejs Seite machte er seinen Freund auf die Entdeckung aufmerksam und huschte bereits durch den Garten zu dem Fenster. Auch wenn es im Erdgeschoss lag, war der Sims trotzdem in Armands Kopfhöhe, also ungefähr zwei Meter über dem Boden. Das störte Armand nicht besonders. Nachdem er sich lauschend vergewissert hatte, dass niemand im Raum war, sprang er einfach hoch, landete in geduckter Haltung auf dem Sims und rutschte lautlos in das Zimmer hinein.

Sergej folgte Armand sofort in das Zimmer und rümpfte auf der Stelle die Nase. Er brauchte nicht lange, um seine Augen an die dunklen Verhältnisse und erkannte, worauf Armand starrte. Vor ihm lag aufgebahrt die Leiche des Comte de Moureaux.
"Scheiße." fluchte Sergej leise. Armand nickte. Beide hatten es sofort gerochen. Das Blut eines Toten Menschen glich dem Gestank von verwestem Fleisch für Menschen.
Armand traf der Geruch wesentlich härter als seinen Freund. Er war gezwungen worden, das Blut eines Toten zu trinken und es hatte ihn fast das Leben gekostet. Er würde die schrecklichen Schmerzen nicht vergessen, die von dem giftigen Blut ausgelöst worden waren. Jeder Vampir wich instinktiv davor zurück. Armand aber kämpfte gerade mit Phantomschmerzen, die allein durch die Erinnerung ausgelöst wurden.
Sergej war der Erste von Beiden, der sich bewegte. Mit einiger Überwindung trat er näher an den Toten heran und atmete dabei durch den Mund, um seine empfindliche Nase zu schonen.

1 Kommentar:

  1. Jetzt wissen die beiden es also. Ob die beiden auch noch riechen können, wie er dahingeschieden ist? Vielleicht betätigen sie sich ja glatt mal als Ermittler in einem Kriminalfall?

    Erst als Mörder verschrien, dann als Detektive zurück im Schoße der Gesellschaft. :) Und einem solchen würde man ja die ein und andere exzentrische Angewohnheit verzeihen. Man denke nur an Sherlook Holmes.

    Aber jetzt muss Sergej ernsthaft mal sehen, was er mit Miriam in Zukunft anstellt. Jetzt wo ihr Vater tot ist, ist ja vollkommen ungewiss, wie es um die diversen Pläne steht. Will sie nun erst recht weg aus dem Haus, in dem ihr Vater nicht mehr ist? Oder will sie nun, wo die Drohung der Verbannung nicht mehr existiert, lieber daheim bleiben bei ihrer Mutter?

    Ach das wird schon spannend.

    Liebe Grüße
    Joe

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