Montag, 13. Juni 2011

Noctambule II: Rückblick - Die Pest schlägt zu

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Am dritten Tag nach dem Vorfall passierte es.

Die beiden Mädchen waren dabei, für das gemeinsame Abendessen zu kochen, als Siti plötzlich schwankte und zurück an die Wand taumelte. Ebru stellte erschrocken den Topf zurück, den sie gerade vom Feuer heben wollte und eilte besorgt zu ihrer Schwester.


"Siti? Was ist mit dir?" Doch ihre Schwester lehnte sich nur tief seufzend an die Wand und versuchte offensichtlich mühsam, sich auf den Beinen zu halten.
"Nur ein wenig schwindlig. Gleich geht es wieder." murmelte sie. Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie sich zusammenkrümmte und dabei ihre Arme um ihren Leib presste. Ebru war außer sich vor Sorge. Ihre Schwester hatte sich so rührend um sie gekümmert, dass in Ebru der Gedanke, dass Siti selbst erkranken könnte, gar nicht gekommen war. Umso schlimmer traf sie der Schreck nun, als sie das graue, verschwitzte Gesicht ihrer Schwester sah.
Besorgt führte sie Siti in ihr Zimmer und half ihr, sich hinzulegen. Schnell weckte sie Armand und Sergej, dann schleppte sie in das Zimmer, was ihr überhaupt einfiel, um Siti zu behandeln. Eine große Wasserschüssel, der Essigkrug, frische Tücher, heiße Suppe und der Kräutertee landeten neben Sitis Bett, die in einen erschöpften Halbschlaf gefallen war, kaum dass sie liegen konnte.
Als Armand das Zimmer betrat, blickte die kleine Ebru so verzweifelt und besorgt zu ihm auf, dass er nur seufzend die Hand auf ihre Schulter legen konnte. Ein Blick in Sitis Gesicht sagte ihm bereits alles. Schließlich hatte seine feine Nase schon den ihm bekannten Geruch aufgenommen. Seitdem er sich fast an dem erkrankten Mongolen vergiftet hatte, würde er diesen Geruch niemals wieder vergessen.
"Sie ist morgen wieder gesund, Herr." versprach Ebru bebend und drückte kurz seine Hand. Armand, der Sergej ein wenig Platz machen musste, damit auch er nach Siti sehen konnte, schüttelte den Kopf.
"Es hat keinen Zweck, sich etwas vorzulügen, Ebru. Sie wird nicht wieder gesund." murmelte er leise. Aber Ebru schüttelte energisch den Kopf.
"Doch! Sie ist nur etwas erschöpft. Sie hat sich viel zu viel um mich gekümmert!" beharrte sie verbissen und wusch zum fünften Mal Sitis Gesicht ab, seitdem Armand hinter ihr stand.
Ihr Herr beugte sich wortlos vor, griff nach ihrer Hand und zwang sie, den Lappen zurückzulegen. Sanft schob er die Decke von Sitis schlankem Körper und hob ihr Kleid an. Sitis schlanke Beine kamen zum Vorschein und auch ihre nackte Scham. Doch das Augenmerk der drei Menschen richtete sich nicht auf Sitis Blöße. Drei Augenpaare lagen voller Schreck und Trauer auf den dicken Beulen, die in Sitis Leisten zu sehen war.
Sergej beugte sich vor und befühlte die Beulen. Dann trat er zurück und ließ Armand die Decke wieder über Siti ausbreiten.
"Ich bin kein Arzt. Aber ich bin sicher, dass das hier die Pest ist." raunte Sergej mit belegter Stimme. Ebru stieß einen erstickten Laut aus, während Armand seinen Freund nur stumm ansah. Sergej beachtete ihn nicht. Schmerzerfüllt ruhte sein Blick auf der jungen Frau, die nun die Augen öffnete und flehend zu ihrem Herrn aufsah.
"Verzeih mir, Herr. Ich wollte das nicht." hauchte sie kaum hörbar. Mit einem dumpfen Laut sank Sergej auf die Kante ihres Bettes und griff nach ihrer Hand.
"Das weiß ich doch, Siti. Das weiß ich." Armand konnte die belegte, trauernde Stimme seines Freundes kaum ertragen. Er beugte sich zu Ebru, nahm ihr den nassen Lappen aus der Hand, den sie schon wieder gegriffen hatte, und zog sie auf die Beine.
"Komm raus. Lassen wir die Beiden alleine." flüsterte er ihr zu und schob das widerstrebende Mädchen vor sich her aus dem Zimmer.
"Aber ich muss sie pflegen! Sie ist doch meine Schwester!" protestierte Ebru draußen bettelnd, nachdem Armand die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er blickte ernst zu ihr herunter und schüttelte den Kopf.
"Nein, Ebru. Du darfst sie nicht pflegen. Sonst wirst du auch noch krank." Ebru blickte irritiert zu ihm auf und las tiefe Sorge in seinen schwarzen Augen. Tapfer schüttelte sie den Kopf.
"Ich bin gesund! Ich werde nicht krank, bestimmt nicht! Und du und Sergej, ihr dürft euch nicht anstecken!" erklärte sie nun. Armand lächelte kurz und zog sie in seine Arme.
"Uns kann diese Krankheit nichts antun, Ebru. Uns nicht. Aber dir." Er drückte sie an sich, als sie zu zittern begann und streichelte sie sacht, während die Tränen sich ihren Weg bahnten.

1 Kommentar:

  1. Nun ist es also soweit und es hat Siti erwischt. Das wird bitter für Sergej. Und stellt er sie nun tatsächlich vor die Wahl, die Krankheit zu ertragen und vermutlich daran zu sterben oder eben verwandelt zu werden?

    Wenn man doch nur ein wenig schimmliges Brot hätte. Aber es wird noch 600 Jahre dauern, bis man auf diese Idee kommt. Und hier zeigt die Pest ihre hässliche Fratze.

    Ebru wird den Verlust ihrer Schwester wohl kaum überwinden können. Es ist wirklich rührend, wie die Mädchen sich umeinander und auch um ihre Herren sorgen. Und auch Sergej zumindest, und Armand vermute ich auch, hegen ja nun wirklich echte Gefühle. Jetzt steht er trauernd neben dem Bett in Gewissheit, was passieren muss. Ein grausames Schicksal.

    Ich habe wenig Hoffnung.

    Gruß
    Joe

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