Mittwoch, 4. Juli 2012

Noctambule III: Verkohlte Ruinen

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Fabrizio und Carlos durchkämmten den Wald gründlich bis in den nördlichsten Zipfel und gaben die Suche dann auf, um selbst noch Beute zu finden und dann rechtzeitig vor Tagesanbruch wieder zurückzukehren. Sie machten sich wenig Gedanken um ihre Kameraden, die vielleicht auch Hunger haben könnten. Sie hatten Glück und fanden einen winzigen Bauernhof, dessen Haus noch recht neu zu sein schien.


Das junge Paar darin hatte offenbar gerade begonnen, sich eine Existenz dort aufzubauen, die in dieser Nacht ein jähes Ende fand. Vor den Augen der jungen Frau starb der Bauer und wurde in seinem Bett zurückgelassen. Carlos fand Gefallen daran, auch dieses Haus in Flammen aufgehen zu lassen, während Fabrizio die weinende junge Frau mit sich zerrte. Mehrfach versuchte sie sich zu befreien, indem sie biss oder trat, erntete aber immer wieder einen Hagel Ohrfeigen.
Carlos schnappte sie sich schließlich, warf sie über seine Schulter und spurtete mit seinem Freund und Anführer zurück in den Wald. Dort erst wurden die beiden Männer wieder langsamer, bis Carlos anhielt und die junge Frau vor sich auf den Boden warf.

Weder Fabrizio noch Carlos machten sich in dieser Nacht die Mühe, der jungen Frau besondere Angst einzujagen oder das schreckliche Spiel einer versuchten Flucht durchzuführen. Offenbar hatte sich ihr Opfer inzwischen auch damit abgefunden, dass sie nicht mehr lange leben würde und erduldete stumm, dass sich beide Männer an ihr vergingen.
Erst als sie erkannte, wen sie wirklich vor sich hatte, packte sie das kalte Grauen und in der letzten Sekunde ihres Lebens entfuhr ihr jener markerschütternde Schrei, der weithin zu hören war.
Fabrizio war mehr als zufrieden. Er konnte mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die beiden Gefangenen diesen Schrei gehört hatten. Gestärkt und zufrieden machte er sich mit Carlos auf den Rückweg und roch schon von weitem das Gemisch aus Asche, Regen und verkohltem Holz.
Der Regen hatte endlich aufgehört. Ein leichter Wind trug die Spuren des Brandes durch die Luft und erst beim Verlassen des Waldes war das ganze Ausmaß des Brandes gut zu erkennen. Die Scheune war in sich zusammengefallen und alles, was sich darin befunden hatte, war den Flammen zum Opfer gefallen. Selbst die Kutsche war kaum noch zu erkennen. Verkohlte Bretter und Balken ragten vereinzelt in die Höhe, teilweise noch leicht qualmend oder knisternd, weil die Glut sich im Kern des Holzes weiter fraß.
Der Bauernhof selbst war eine unbewohnbare Ruine geworden. Das Dach war komplett verbrannt, die Balken schließlich eingestürzt. Gut zwei Drittel des Hauses waren nicht mehr zu erkennen, lediglich der Küchenbereich stand noch, war aber kaum noch als solches zu erkennen.
Die Steinmauern hatten dem Brand recht gut Stand halten können. Verrußt und stellenweise eingebrochen umsäumten sie die verkohlten Überreste und bildeten nun einen feuerfesten Ring um die letzten Brandstellen, die bald von alleine verlöschen würden. Vom Bauernhaus gingen noch etliche dichte Rauchschwaden auf und erst beim Näherkommen wurde Fabrizio klar, dass der Kellerzugang von etlichen Balken versperrt worden war. Die schiefe Steintreppe nach unten war verschüttet und wenn noch jemand dort unten gewesen war, musste er qualvoll erstickt sein.
Fabrizio kümmerte sich nicht weiter darum, denn nachdem er das ehemalige Haus umrundet hatte, starrte er sprachlos auf den Brunnen, an dem die abgeschnittenen Reste der Seile baumelten. Niemand war zu sehen. Selbst Carlos schaute unbehaglich zu seinem Freund, als dieser ein wütendes Zischen ausstieß und sich umsah. Fabrizio lief zum Brunnen und untersuchte die Seile genau. Langsam richtete er sich wieder auf und musterte scharf die Umgebung.
Doch es war Carlos, der ihn anstieß und zum Kirschbaum deutete. Beide erkannten die zwei Körper die dort lagen und stürmten gleichzeitig los. Fabrizios Griff an die Schulter seines Freundes Enrico war alles andere als sanft. Verblüfft starrte er in das zerschundene Gesicht des Bewusstlosen und ließ ihn wieder los. Der Kamerad, den Carlos auf den Rücken drehte, hatte es besser. Die Stichwunde durch Sergej aus dem ersten Zweikampf hatte sich inzwischen wieder geschlossen, auch wenn der Mann durch die Bewegung tief stöhnte und das Gesicht verzog.
Fabrizio richtete sich wütend auf und blickte sich suchend um. Carlos hockte sich neben den stöhnenden Mann und untersuchte ihn, gab ihm schließlich Wasser und kümmerte sich dann um Enrico.
"Ich nehme mal an, die Beiden sind überrumpelt worden. Jemand war hier und hat die Gefangenen befreit." schlussfolgerte er schließlich. Fabrizio schnalzte abwertend mit der Zunge.
"Das weiß ich auch!" knurrte er und kniff die Augen zusammen.
"Fragt sich nur, wer und wie viele." ergänzte er sich noch immer umsehend. Carlos zuckte mit den Schultern.
"Bei den vielen Spuren hier von uns allen ist das schwer zu erkennen. Da hinten sind Schleifspuren. Sie haben den langen Kerl mitgezerrt. Vielleicht die Frauen?" Fabrizio war von den Mutmaßungen Carlos' nicht gerade begeistert und trat wütend gegen den Baum.
"Glaube ich nicht." Murrte er. Dann machte er einige Schritte ins Freie und holte tief Luft.
"Armand Sartous!" brüllte er in den allmählich heller werdenden Himmel. "Ich werde dich finden! Wie deine Frau! Sie hat mir Spaß gemacht!"

1 Kommentar:

  1. Jetzt ist also klar, woher der schrei kam :)

    Fabrizio und auch seinem Getreuen mangelt es jedenfalls nicht an Grausamkeit. Was mich aber wundert ist, wie wenig er ein guter Anführer ist.

    Es wäre wichtig gewesen auch seinen Männern von der Wache etwas mitzubringen zu "essen" (so makaber das auch klingt).
    Wer kein fürsorglicher Anführer ist, ist möglicherweise schon bald gar kein Anführer mehr.

    Und zum Schluss des Tages lügt er auch noch. Er hat Anya nicht gefunden.
    Doch wird Armand das erkennen? Es ist ja nicht das erste mal, dass jemand behauptet sich Anya bemächtigt zu haben, wiewohl es nicht stimmte.

    Aber was machen die Vampire jetzt. Sie sind immer noch zu viert und müssen einen Unterschlupf finen. Der alte Keller scheidet aus. Wo werden sie sich verstecken? Hoffentlich kommen sie nicht auf das gleiche Versteck wie Sergej und es gibt einen ungleichen Kampf im Morgengrauen.

    Armand muss jetzt ruhig bleiben. Er muss seine Gedanken verschließen und sich nicht verraten. Sergej könnte ihm gut zureden. Er sollte ihm sagen, dass Fabrizio vermutlich mit mehr Details geprahlt hätte, wenn er Anya wirklich erwischt hätte. Außerdem hat er nur von Anya gesprochen und nichts über Miriam gesagt. Werden die zwei das erkennen?

    Und jetzt: Verbrennt im Tageslicht, Florenzer Mischpoke.

    LG
    Joe

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