Sonntag, 1. Juli 2012

Noctambule III: Gefahr

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Anyas Schlaf war erholsam aber nur kurz. Ihr erster Blick galt dem kleinen Baby, das in ihrem Arm lag, an die nackte Brust gekuschelt und mit tiefen Atemzügen selig schlief. Ein glückliches Lächeln huschte über Anyas Gesicht und neue, unbekannt tiefe Liebe zu diesem winzigen Wesen wallte in ihr auf.


Sie wusste nicht genau, was sie geweckt hatte. Miriam war es nicht, denn sie schlief im Sitzen, die Beine angezogen und die Arme darauf gelegt, um ihren Kopf darauf zu betten.
Dankbar betrachtete sie die junge Freundin, die ihr so tapfer beigestanden hatte. Miriams Haare waren völlig verschmutzt, ihr Gesicht nicht weniger. Die Kleidung begann zu trocknen und wies dunkle Flecken von dem Schlamm auf, durch den sie gerutscht war. Anya vermutete, dass sie selbst nicht weniger abenteuerlich aussah. Aber das war nun gerade nicht wichtig.
Es hatte aufgehört zu regnen und tiefe Stille lag über dem Wald. Anyas feines Gehör konnte das vereinzelte Tropfen von Wasser hören. Regentropfen, die sich auf Blättern sammelten, bis sie zu schwer wurden und von dem nachgebenden Blatt herunter fielen.
Die Wolken hatten sich zum größten Teil verzogen und ließen dem Mond genug Raum, sein schwaches Halbmondlicht zu verteilen. Anya konnte deutlich mehr sehen als vor wenigen Stunden.
Anya war nicht zum ersten Mal wach geworden. Sie hatte stumm beobachtet, wie Miriam ohne Ekel oder Scham alle Spuren der Geburt beseitigt hatte. Selbst die Nachgeburt hatte sie ohne große Worte einfach so tief wie möglich unter Schlamm begraben, doch gewaschen waren weder die junge Mutter noch das Kind. Für Anya lag der Duft der Geburt trotz des reinigenden Regens noch immer in der Luft und sie konnte nicht entscheiden, ob sie nun einfach durch den Geruch so geprägt war, dass er anhaltend in ihrer Nase war oder ob man tatsächlich noch so viel riechen konnte. Doch Miriam war gelassen geblieben und hatte sich schließlich wieder völlig durchnässt in den Unterschlupf geflüchtet.

Tief durchatmend entspannte sich Anya wieder und betrachtete noch einmal ihr Kind. Ihr Lächeln war diesmal traurig, denn sie wünschte sich so sehnlich, dass Armand dieses Bild sehen könnte. Die Ungewissheit, was mit ihm geschehen war, nagte schmerzlich in ihr. Wieder einmal rief sie sich das letzte Bild von ihm ins Gedächtnis, den tiefen, liebevollen Blick und die Sorge um ihr Wohlergehen darin erkennbar.
Noch einmal seufzte sie leise und versuchte, die Augen für eine zweite Schlafrunde zu schließen. Bald würde der Tag anbrechen. Vermutlich würde sie den Tag unter dem Vorhang verbringen müssen und konnte nur hoffen, dass die Sonne nicht allzu direkt hinein schien.
Das laute Knacken eines Zweiges ließ sie die Augen wieder aufreißen und den Atem anhalten. Schlagartig war sie hellwach und lauschte in die Dunkelheit. Nun wusste sie, was sie geweckt hatte. Jetzt, mit viel Konzentration hörte sie die leisen Schritte, die sorgsam vermieden, zu laute Geräusche zu verursachen. Ihr Herz hämmerte plötzlich ohrenbetäubend. Die Richtung war schwer auszumachen. Sie konnte auch nicht erkennen, wie viele es waren. Aber allzu weit weg waren sie nicht mehr und ihre Augen waren mindestens genauso gut wie ihre eigenen.
Mit einem heftigen Fußtritt weckte sie Miriam, die zusammenzuckte und erschrocken aufblickte, wohl eher in dem Glauben, dass Anya Hilfe brauchte. Warnend legte Anya ihren Finger auf den Mund und bemerkte erleichtert, dass Miriam die Geste nicht nur sah sondern auch verstand. Stumm deutete sie nun mit dem Finger nach oben. Miriam blickte instinktiv hoch und schaute Anya fragend an, ehe sie verstand und ihre Augen vor Schreck weit aufriss.
Nun gestikulierte Anya wild herum. Ihre Hand formte sich zu einer Schale und fuhr dann über ihren Hals und das Gesicht. Miriam stierte sie verständnislos an, doch Anyas Blick war so eindringlich, dass sie endlich verstand. Hastig schob sie ihre Hand neben sich, bis sie etwas nasse Erde außerhalb des Überhangs spürte. Sie schöpfte etwas davon in ihre Hand und schaute fragend zu Anya, die nun hastig nickte.
Nun verstand Miriam endlich richtig. Sie verteilte den Schlamm auf ihrem Gesicht und besonders dick auf Hals und Handgelenke. Wie Anya hoffte sie nun auch, dass so Miriams Blutduft nicht zu sehr verströmte, sondern von der Schlammschicht isoliert würde, um sie beide nicht zu verraten. Zudem hoffte Miriam inständig, dass ihr Magen nun nicht zu knurren begann, denn er würde wohl lauter klingen als ein wütender Bär.

1 Kommentar:

  1. Ein herrliches Kapitel.

    Einmal mehr fasziniert mich das überfeine Gehör der Vampire. Wie es sein muss, wenn man sämtliche Geräusche, die einem ans Ohr dringen so fein wahrnimmt, dass man fast im nichts etwas sehen könnte.

    Und nun hat Anya also die anderen gehört. Sie haben es durch den Erdtstall geschafft und wegen der Geburt konnten Anya und Miriam ihren Vorsprung icht so weit ausbauen, wie sie es vielleicht besser getan hätten.

    WAs sie versuchen ist sehr geschickt. Jetzt heisst es wirklich stumm zu bleiben. Aber b das gut geht? Jedenfalls ist Anyas geistige Unsichtbarkei hier einmal mehr ein Segen.
    Doch was ist mit dem Baby?

    LG
    Joe

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