Freitag, 6. Juli 2012

Noctambule III - Rückblick: Wachsende Skepsis

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Sittard 1585

Der Zwischenfall mit Brid hatte Armand gezeigt, wie jung und unerfahren Brid noch war. Sie schaffte es nicht immer, ihre Gier unter Kontrolle zu halten und das musste sie üben. Allerdings war die Übung ausgerechnet im eigenen Haus natürlich ziemlich schwierig, wenn sie noch länger ungestört hier wohnen bleiben wollten.



Nur wenige Tage nach dem Besuch von Nathan starb Amélie friedlich. Brid und Armand mussten Agnes lange trösten, bevor sie sich tapfer auf den Weg machte, um dem Sohn die traurige Nachricht zu überbringen. Agnes hatte Amélie wie eine Großmutter lieb gewonnen. Ihre Tränen rollten erneut, als sie Nathan so bestürzt von der Nachricht sah.
Armand hatte Agnes aufgetragen, Nathan eine Botschaft auszurichten. Amélies Tod verlangte natürlich auch die Angehörigen der Familie im Haus und so bot Armand an, mit Brid für die Zeit bis zur Beisetzung auszuziehen und damit das Feld zu räumen.


Nathan nahm das Angebot dankend an. Für einige Tage wohnte er wieder mit seiner Frau und seinem Kind in dem Elternhaus, ließ Armand jedoch ausrichten, dass er sich über seine Anwesenheit bei der Beerdigung freuen würde. Armand, der sich mit Brid wieder in die kleine Höhle im Wald zurückgezogen hatte, ließ eine Zusage offen, da er nicht wusste, wann und bei welchem Wetter der Sarg in die Erde versenkt werden würde.
Agnes blieb bei der Familie im Haus und half Lucie, die Verstorbene vorzubereiten. Lucie war höflich zu Agnes, aber seit dem letzten Besuch merklich zurückhaltender geworden. Dennoch lieh sie Agnes ein dunkelblaues Kleid, da beide Frauen eine ähnliche Statur hatten. 

Die Beerdigung in der ärmeren Schicht war nicht zu vergleichen mit den Trauerfeiern, die Armand bereits erlebt hatte. Der Tag war trübe und der Gottesdienst war für den späten Nachmittag angesetzt, sodass Armand und Brid ebenfalls da waren. Lucie war die einzige, die – außer Armand, der schwarze Kleidung sowieso bevorzugte – das traditionelle Schwarz trug. 
Der Grund war simpel: Lucies Mutter war drei Jahre zuvor gestorben, weshalb Lucie ja auch in das Elternhaus zurück ziehen wollte. Weder Nathan noch Agnes oder Brid hatten die richtige Trauerkleidung. Das war nichts Ungewöhnliches, denn die Kleidung schwarz zu färben war noch immer so teuer, dass sich kaum einer die Preise leisten konnte.
Der Sarg von Amélie war aus schlichtem, einfachem Holz gezimmert, ohne Verzierungen oder Griffe. Der Kreis der Trauernden war klein und die Kapelle daher so gut wie leer. Lucie wiegte ihr kleines Baby beruhigend im Arm, damit der Priester in seiner Rede nicht gestört wurde. Neben ihr saß Nathan, blass und starr. 

Neben Nathan saß Agnes und an ihrer anderen Seite Brid und Armand, deren Blässe an diesem Tag nur Lucie auffiel. Der Priester sah kaum einen Unterschied zwischen Nathan und den beiden ihm Unbekannten. Lucie jedoch warf immer wieder lange Blicke zu Brid und Armand, um dann Agnes mit seltsamem Gesichtsausdruck zu mustern.
Agnes spürte Lucies wachsendes Misstrauen unbehaglich und hielt sich an Brids Seite, als der Sarg schließlich von Nathan und drei anderen Männern zum Grab getragen wurde. Polternd und etwas unsanft wurde die schlichte Holzkiste in das Grab versenkt und wieder sprach der Priester einige Worte, die weder Nathan noch Lucie Trost schenken konnten. Schließlich war die Zeremonie endlich vorbei und die drei Freunde wandten sich Nathan und Lucie zu, um ihnen ihr Beileid zu bekunden.
Lucie hatte den Blick zu Boden gesenkt, nachdem sie sich beinahe in Armands schwarzen Augen verloren hatte. Ihre Lippen bebten und sie presste das weinende Kind an sich. Armand reichte Nathan die Hand zu einem festen Händedruck und raunte:
"Vielleicht ist es nicht der geeignetste Moment, Mijnher, aber habt Ihr kurz Zeit auf ein Wort?" Nathan wirkte überrascht, überlegte aber nicht lange. Er schaute zu Lucie und nickte schließlich.
"Geh schon zum Wagen, Weib. Ich bin gleich da." Lucie drehte um, ohne die Drei noch einmal anzusehen und kletterte alleine in den einfachen Eselskarren, wo sie aus der Entfernung brennende Blicke zu Brid und Agnes warf, die den Blick auf die beiden Männer verdeckten.
Armand legte Nathan die Hand auf die Schulter und führte ihn ein Stück von dem Wagen fort.
"Nun habt Ihr ein Haus geerbt, Nathan. Wenn Ihr nicht selbst wieder dort einziehen wollt, würden wir gerne weiter darin wohnen." Nathan schnaufte nachdenklich und blinzelte. Er hatte selbst schon darüber nachgedacht, doch alles in allem war es sinnvoller, im Haus seines Schwiegervaters zu bleiben. Es war größer und näher an der Stadt, was ein großer Vorteil für ihn und auch Lucie war. Dass ihm nun auch noch möglicherweise Miete gezahlt wurde, hätte er niemals zu hoffen gewagt, doch war das ein enormer Zugewinn.
"Wollt Ihr es kaufen oder mieten?" fragte er und schaute Armand mit undurchdringlicher Miene an, um seine Freude zu verbergen. Armand zuckte mit den Schultern.
"Ich dachte daran es zu mieten. Doch wenn Ihr keinen Bedarf mehr habt, kann ich es auch kaufen." schlug er vor und zückte einen schweren Beutel voller Münzen. Nathans Augen weiteten sich, als Armand ihm den Beutel in die Hand drückte.
"Das hier entspricht ungefähr dem Kaufpreis des Hauses. Ich habe mich erkundigt. Sollten wir einmal wegziehen, würden wir Euch das Haus sofort zurück geben." Schlug Armand nun leise vor. Nathan traute seinen Augen genauso wenig wie dem schweren Gewicht in seinen Händen. Fassungslos schaute er zu Armand auf, der nun ernst aber freundlich nickte.
"Ich lasse einen Kaufvertrag aufsetzen, Nathan. Wir setzen eine Klausel auf, dass Euch das Haus wieder zu fällt, wenn wir es verlassen." Nathan umklammerte den Geldbeutel und schluckte hart. Niemals hätte er geglaubt, einmal soviel Geld in den Händen zu haben. Er hatte noch nicht einmal damit gerechnet, dass jemand so viel für sein Haus bezahlen würde, geschweige denn überhaupt Interesse daran hätte. Endlich schaffte er es, zustimmend zu nicken.
"Einverstanden." krächzte er. Ehe er weiter reden konnte, schlug Armand ihm auf die Schulter und ergriff das Wort wieder.
"Ich danke Euch! Ihr seid ein ehrlicher Mann, Nathan. Und ich nun ein glücklicher." Er zeigte ein kurzes Schmunzeln und verließ den sprachlosen Nathan, um mit beiden Frauen den Rückweg anzutreten. Als Nathan neben Lucie auf den Wagen kletterte, zupfte sie ungeduldig an seinem Ärmel.
"Was wollte er?"
"Er hat mir das Haus abgekauft." erklärte Nathan und zeigte Lucie den Geldbeutel. Er hörte, wie sie die Luft scharf einsog und mit großen Augen den Dreien hinterher sah. Dann blickte sie kritisch zu ihrem Mann.
"Woher hat er soviel Geld?" zischte sie unbehaglich. Nathan hob er staunt eine Braue.
"Woher soll ich das wissen? Ist mir auch egal, nun haben wir es!" erwiderte er irritiert. Lucie presste die Lippen zusammen und schaute Armand und beiden Frauen nach.
"Ich weiß nicht… irgend etwas stimmt da nicht. Ich komme nur nicht darauf, was es sein könnte." erklärte sie. Nathan hatte diese Worte in den letzten Wochen bereits oft genug gehört und winkte ungeduldig ab. Zufrieden trieb er den Esel an und brachte den Wagen auf den Heimweg. Was auch immer seine Frau vermutete, Nathan war es egal. Er war jetzt reich!

1 Kommentar:

  1. Einmal mehr scheint die alte Dame nur darauf gewartet zu haben, ihren Enkel noch kennen zu lernen. Dann schied sie aus dem Leben. Das Phänomen ist so häufig.

    Und nun also eine Beerdigung. Der Tod kam erwartet und doch unerwartet. Er war eine Erlösung und doch stürzt er die Angehörigen in tiefe Trauer.

    Doch nun zeigt Armand sein gütiges Gesicht. Er scheint nicht vergessen zu haben, dass er selbst auch ein Mensch war. Er hätte die Familie auch einfach auslöschen können um an das Haus zu kommen, doch bevorzugte er den anständigen Weg und lässt der jungen Familie ihr Glück.

    Die Sorge von Lucie ist verständlich, und ja auch nicht ganz unberechtigt. Doch ich denke nicht, dass die Vampire vorhaben der kleinen Familie noch einmal in die Quere zu kommen. Jetzt sollte sich nur Lucie von dort fernhalten. Sonst könnte sie Dinge sehen, die sie nie wissen wollte. :)

    Und ich will jetzt wissen, was dort im Haus passieren wird, wenn die drei so ganz dreisam dort verweilen.

    LG
    Joe

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