Donnerstag, 5. Juli 2012

Noctambule III: Der Plan

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Lange Zeit hatten beide Frauen nicht gewagt, einen Laut von sich zu geben. Auch sie hatten den Schrei der Frau gehört. Während Miriam ängstlich den Kopf eingezogen hatte, war Anya nur verärgert gewesen, denn sie zog sofort eine Parallele zu Armand, der unweigerlich glauben musste, dass es sie oder Miriam hätten sein können.
Doch konnten die Beiden im Moment gar nichts ausrichten.


Der Tag war angebrochen und Miriam hatte zum Schutz vor der Sonne einen Umhang mit Hilfe von Stöcken aufgespannt, der nun Schatten spendete und Anya mit dem Kind schützte. Außerdem konnte er so auch im Laufe des Tages trocknen und Anya besser in der Nacht wärmen.
Nachdem Anya ihr mehrfach versichert hatte, dass kein Vampir freiwillig das Tageslicht suchte, wagte sich Miriam hinaus, um wenigstens ein paar Beeren zu suchen, doch in dieser Jahreszeit bot der Wald wenig Nahrung für sie. Ratlos kam sie zurück zu Anya und setzte sich still zu ihnen, denn Anya stillte gerade.
Miriam beobachtete hingerissen die stumme Zwiesprache der Beiden. Anyas Gesicht war weich und liebevoll. Immer wieder streichelte sie die zarte Haut des kleinen Gesichtchens oder spielte mit einer kleinen Faust, die sich noch unkontrolliert öffnete, aber sofort um einen angebotenen Finger schloss.
Einmal mehr lächelten sich die beiden jungen Frauen zu und beide brauchten keine Worte. Das Band zwischen ihnen hatte sich verstärkt und gefestigt. Erst als das Kind satt und zufrieden einschlief, begann Miriam zu reden.
"Wie wirst du ihn nennen?" fragte sie vorsichtig. Anya lächelte und blickte auf das unschuldige, entspannte Gesichtchen in ihrem Arm.
"Raoul. Raoul Sanisoise passt ebenso gut wie Raoul Sartous. Ich überlege, ob ich nicht einfach Armands Namen annehme, damit mein Sohn etwas von seinem Vater tragen kann." meinte sie leise. Miriam schluckte und nickte langsam. Doch sie verdrängte die nagende Angst um Sergej und redete sich verbissen ein, dass Sergej noch leben musste. Es durfte einfach nicht sein, dass sie gar keine Chance bekamen, gemeinsam glücklich zu werden.
"Schöner Name." meinte sie nur rau und rückte an die Felswand, um sich dort anzulehnen. Müde lehnte sie den Kopf zurück und schloss die Augen.
"Vielleicht sollten wir zurück zu Amanda." schlug sie nun vor. Anya musterte sie prüfend und schwieg, um Miriams Vorschlag zu überdenken. Für Miriam war es völlig normal, bei ihrer alten Freundin Zuflucht zu suchen. Aber wie stand es um Anya? Würde Madame sie genauso liebevoll aufnehmen wie damals, nachdem sie einfach ohne ein Wort verschwunden war?
"Sergej wollte, dass du zu deinem Gut aufbrichst. Er wird dich dort suchen." wandte sie nun vorsichtig ein. Miriam nickte. Ihr schlanker Hals zuckte verräterisch, aber ihre Stimme blieb fest.
"Wir können noch immer dorthin aufbrechen. Aber wir haben dann wenigstens neue Kleider und Raoul ist besser versorgt. Amanda wird uns bestimmt helfen." meinte sie leise. Anya seufzte und zuckte mit den Schultern.
"Offen gestanden ist mir nicht danach, in diesem Aufzug nachts wieder nach Marseille zu gehen. Ich habe Raoul. Ich werde uns beide nur schlecht beschützen können." wandte sie nun ein. Miriam öffnete die Augen und drehte ihren Kopf leicht zu ihrer Freundin.
"Aber du musst doch auch.. hm.. du weißt schon..?"
"Jagen?" fragte Anya unumwunden und nickte energisch. "Ohja, das muss ich unbedingt. Aber alleine! Ich möchte nächste Nacht sofort nach Einbruch der Dunkelheit los und wäre dir dankbar, wenn du dann auf Raoul aufpassen kannst." meinte sie. Miriam betrachtete das Baby und musste unwillkürlich lächeln.
"Natürlich übernehme ich das gerne. Aber bist du denn sicher, dass die Männer nicht wiederkommen? Sollten wir nicht erst einmal zusehen, hier wegzukommen?" Anya seufzte. Miriams Überlegungen waren nicht von der Hand zu weisen. Sie mussten erst einmal einen sicheren Unterschlupf finden, bevor Anya es wagen konnte, Miriam und das Kind alleine zu lassen. Langsam nickte sie und zog ihr Kind näher an sich heran.
"Wo liegt dein Gut?" fragte sie leise, ganz auf den kleinen Raoul konzentriert. Miriam lächelte noch immer, den Blick auf Anyas Gesicht gerichtet.
"Östlich von Marseille. Mit der Kutsche wären es vielleicht zwei Tagesreisen." erklärte sie leise. Anya nickte kurz und hauchte einen zärtlichen Kuss auf die kleine Stirn.
"Dann müssen wir also auf jeden Fall um Marseille herum. Wir brechen bei Einbruch der Nacht auf." entschied sie und hob lächelnd den Blick zu ihrer Freundin.

1 Kommentar:

  1. Gut, dass ihr zwei euch bekrabbelt, Mädels! So macht ihr das man schön! Die Männer werden das Kind schon schaukeln! Und wenn nicht, könnt ihr in eurer aktuellen Konstitution ohnehin nicht viel daran ändern. Miriam ist als Menschenfrau völlig machtlos den Vampiren gegenüber und Anya allein kann mit einem Neugeborenen im Schlepptau auch nicht viel ausrichten.
    Selbst wenn sie den kleinen, wie nun zur Jagd, an Miriam übergibt, bleiben sie wenig mobil und nicht sonderlich wehrhaft.

    Raoul ist übrigens ein toller Name. Respekt! Er spricht für mich etwas zutiefst mystisches an und wird damit der erstaunlichen Erscheinung seines Vaters gerecht.

    Der Plan zu Amanda zu gehen, erschien mir gar nicht so schlecht.
    Die alte Dame hat sich mehrfach als Mitverschwörerin erwiesen und verfügt über diverse Möglichkeiten, wie z.B. eine Kutsche ausleihen zu können. Und da die Mädchen die Stadt ohnehin umrunden müssen, wäre es doch eigentlich schlauer gewesen mitten hindurch zu schleichen und sich zwischendurch noch einmal stärken zu können.

    Aber gut - Ihr entscheidet euch für den langen Weg. Dann bleibt vorsichtig. Es ist fraglich, wann der Geist des Kleinen seine mentalen Fähigkeiten ausbilden wird, so dass er für die anderen Vampire zu entdecken ist.

    LG
    Joe

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