Samstag, 28. Juli 2012

Noctambule III: Die kleine Familie

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Drei. Für eine Inhaltsübersicht zu bereits veröffentlichten Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule III

Jules Rozier streckte sich und schob sich müde aus dem warmen Bett. Nachdem er seine schweren Augen mit beiden Fäusten gerieben hatte, erkannte er im schummrigen Kerzenlicht seine Frau Manon, die noch im Nachthemd bekleidet eifrig durch den kleinen Raum schlich, um ihrem Mann ein kleines Frühstück zuzubereiten. Jules erhob sich grunzend und warf einen Blick hinter sich zu den beiden Kindern, die aneinander gekuschelt noch tief schliefen.


Ein mildes Lächeln erhellte sein Gesicht. Er besaß nicht viel. Aber dieses kleine Häuschen mit nur einem Raum hatte er mit seinen eigenen Händen gebaut. Er war stolz darauf. Seine Frau hatte einen Teil des Raumes mit Stoffen abgehängt und dadurch einen kleinen Schlafbereich geschaffen, in dem nun Platz für ein Ehebett und ein weiteres Bett für die Kinder war. Sicher, über kurz oder lang würde dieses Haus zu klein werden, doch noch ließ es sich hier gut leben.
Seine Kinder waren noch klein. Zwei Mädchen, drei und fünf Jahre alt, waren sein ganzer Stolz. Und natürlich sein Weib Manon, die ihm diese wundervollen Töchter geschenkt hatte. Jules beugte sich über den Wascheimer und schaufelte sich großzügig das eiskalte Wasser ins Gesicht und über den Nacken, was seine Lebensgeister fast brutal weckte. Schüttelnd richtete er sich auf und griff fast blind ins Leere, wohl wissend, dass Manon ihm schon ein Tuch zum Abtrocknen hinhielt.
Während er sich abtrocknete, bemerkte er den lüsternen Blick seiner Frau, die am Tisch stand, ein Brot in der Hand und seinen muskulösen Oberkörper betrachtete. Er grinste sie zwinkernd an und ließ sich mit dem Abtrocknen Zeit. Zu sehr genoss er die Tatsache, für seine Frau noch immer attraktiv zu sein.
Manon erwiderte sein Zwinkern mit einem verschmitzten Glucksen und setzte sich, um sein Brot zu schneiden und schon zu belegen.
Jules warf sich sein Hemd über und hockte sich hungrig zu ihr. Während er einen übergroßen Happen vom Brot abbiss, betrachtete er Manon aufmerksam. Sie hatte den Blick auf das nächste Brot gesenkt, das sie für ihren Mann belegte, doch Jules entgingen die Ringe unter den Augen nicht. Ihr schlanker Leib hatte sich nach der Fehlgeburt gut zurückgebildet, doch sie hatte die Totgeburt ihres dritten Kindes noch nicht verwunden.

Jules hatte sich damit bereits abgefunden. Es wäre ein Junge geworden, was sich Manon so sehnlich gewünscht hatte. Jules war sicher, dass Manon keine Schuld an dem Tod des Kindes hatte. Es war nun mal so, dass Kinder tot auf die Welt kamen. So war es schon immer gewesen und würde es auch immer sein. Doch zweifelte er keinen Augenblick daran, dass Manon erneut schwanger werden und ihm ein drittes Kind gebären würde. Gott hatte es nun einmal so gewollt und wer konnte sich schon dagegen aufbäumen?
Doch seine Manon litt unter dem Verlust viel stärker. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Aber ihr unbeschwertes Lachen, das während der Schwangerschaft das Haus erhellt hatte, war noch nicht zurückgekehrt. Jeden Morgen, wenn Jules noch weit vor Sonnenaufgang zu seiner Arbeit als Maurergeselle aufbrechen musste, fürchtete er sich vor seiner Heimkehr. Die bedrückte Stimmung machte ihm das Herz schwer.

Jules aß sein zweites Brot zu Ende und erhob sich, um sein Hemd in die Hose zu stecken. Manon war ebenfalls aufgestanden und räumte so geräuschlos es ging sein Geschirr weg, um die Kinder nicht zu wecken. Doch heute kam sie nicht weit, denn die kräftigen Arme ihres Mannes legten sich um sie und zogen sie an seine breite Brust. Manon schloss die Augen, während sie sich nachgiebig an ihn lehnte. Sie spürte den sanften Kuss auf ihrem Haar und streichelte seine Arme.
"Hör auf zu grübeln, Manon. Ich bin so glücklich mit dir! Du bist die beste Frau der Welt." murmelte er unbeholfen. Manon lächelte und nickte schwach.
"Ich versuche es, Jules. Ich versuche es, ja." Die unbeholfene Liebeserklärung ihres Mannes schnürte ihr die Kehle zu. Um nicht losweinen zu müssen, löste sie sich etwas zu barsch aus seinen Armen und boxte sanft gegen seine Brust.
"Nun beeil dich, du Ochse! Sonst kommst du zu spät und dein Meister entlässt dich." Jules grinste und steckte sich die Brote ein, die schon für ihn zurecht gemacht waren und sein Mittagessen darstellten.
Mit einem festen Kuss auf ihre Lippen verabschiedete er sich, nicht ohne noch einmal fest mit beiden Händen in ihre prallen Pobacken zu greifen. Der kleine Schubs seiner Frau brachte ihn zu einem weiteren Grinsen, doch er wandte sich ab, bückte sich unter der Tür durch und warf sich erst draußen seinen wärmenden Umhang über.

Sein Fußweg war lang und anstrengend. Tag für Tag legte er weit über eine Stunde Fußmarsch zur Arbeit zurück und ebenso viel, um nach Hause zu kommen. Aber es half ja nichts. Hier draußen im Randgebiet der Stadt waren die Grundstückspreise viel günstiger als weiter im Inneren der Stadt und er konnte von Glück reden, dass er als Bürgerlicher überhaupt ein kleines Stück Land hatte ergattern können.
Früher oder später würde er selbst seinen Meister machen und dann ein eigenes Geschäft gründen. Er war sicher, dass die Stadt sich noch vergrößern würde. Der Hafen blühte auf und wenn er die Zeichen der Zeit richtig deutete, würde es bald einen mächtigen Umschwung geben, der auch den normalen Bürgern Frankreichs zum Aufschwung verhelfen würde. Sie würden Geschäfte gründen, Häuser bauen und Aufträge vergeben. Dann wollte er zur Stelle sein und gute Häuser bauen.
Jeden Tag während seiner langen Märsche grübelte er über seine Zukunft nach. Doch heute riss ihn ein seltsames Geräusch aus den Gedanken. Er blieb stehen und sah sich um. Sein Weg führte ihn durch Felder und Wiesen, vorbei an wenigen Höfen und schließlich in die Stadt hinein. Doch hier war weit und breit kein Bauernhof. Trotzdem hörte er das kleine, ungeduldige Wimmern eines Babys. Ungläubig lauschte er und versuchte die Richtung zu erkennen, aus der das Weinen kam. Jetzt hörte er es deutlicher. Das war nun kein Wimmern mehr. Das war der ungeduldig jammernde Schrei eines Babys nach Nahrung. Jules runzelte die Stirn und lief dem Geräusch nach und blieb vor dem Busch stehen, der über einer kleinen Mauer aufragte. Vorsichtig beugte er sich hinunter und bog die Zweige beiseite.
"Guter Gott!" stieß er aus. Vor ihm lag ein Baby, das sich ungeduldig aus seiner warmen Stoffhülle gestrampelt hatte und nun nicht nur Hunger hatte, sondern sicherlich auch fror. Hastig griff er nach dem kleinen Bündel und drückte es an sich. Dann blickte er suchend um sich. Doch keine Mutter tauchte auf, keine Frau hastete herbei, um ihr Kind zu holen und ihm zu erklären, warum es unter einem Busch lag.
"Welches Hexenweib setzt einfach sein Kind hier aus?!" fluchte Jules und schob das strampelnde Kind unter seinen Umhang. Zum ersten Mal in seinem Leben pfiff Jules darauf, um jeden Preis pünktlich bei der Arbeit zu sein. Sein Meister würde das hier verstehen, da war er sicher. Noch einmal schaute er sich um und ging vorsichtig mit dem Kind im Arm den Weg ein gutes Stück aufwärts, um zu schauen, ob die Mutter aufzufinden war. Doch er konnte niemanden entdecken und schüttelte verständnislos den Kopf.
"Alles wird gut. Vergiss deine Mutter, die dich hier wilden Tieren aussetzt und einfach weggeht. Gleich hast du eine neue Mutter. Die beste der Welt, glaub mir!" versprach er dem weinenden Bündel und strebte mit langen Schritten den Heimweg an.

1 Kommentar:

  1. Erst hatte ich ja gedacht, KayGee führt mal wieder mit viel Liebe Charaktere ein, um sie dann den Vampiren völlig ungeniert zum Fraß vorzuwerfen!

    Das hätte ich gemein gefunden.

    Doch was ich hiervon halten soll, weiss ich nicht.

    Anya in Gefangenschaft und Miriam kurz vor dem Verrecken im Fluß gefällt mir natürlich nicht. Doch der kleine Braucht schutz. Wird er irgendwann auch ein noch so wehrhafter Vampir werden, nch ist er ein hilfloser Säugling.

    Aber was geschieht nun? Kann eine Menschenmutter einen Vampir aufziehen? Gibt Manon noch Milch nach der Totgburt oder suchen sie eine Amme? Versuchen sie es mit Kuh oder Zigenmilch? Und klappt das? Sind sich an dieser Stelle Vampire und Menschen noch ähnlich genug?

    Und wann kommt der Zeitpunkt, da Manon und Jules merken, was sie sich da ins Haus geholt haben?

    Und wie will Armand sein eigen Fleisch und Blut wiederfinden? Wann erwachen die mentalen Fähigkeiten des Babys?

    Das wird jetzt aber wirklich turbulent!!

    Wobei ich immer noch hoffe!

    LG
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.