Montag, 3. Oktober 2011

Noctambule II: Saurer Fisch

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Weit nach Sonnenaufgang erwachte Joscelin neben Anya und räkelte sich zufrieden. Der gemeinsame Abend war so schön gewesen und hatte ihr so viel Spaß gemacht wie selten ein Tag in ihrem Leben.
Lächelnd stellte sie fest, dass sie schon beim Aufwachen freudig darüber nachdachte, wie sie ihren Tag gestalten wollte. Arbeit gab es genug, denn auch wenn Anya an den Abenden, an denen sie nicht jagte, ihr mit der Wäsche und beim Saubermachen half oder mit ihr Schreiben übte, gab es doch immer noch etwas zu tun, damit ihr Zuhause schön blieb.

Joscelin war es gewohnt, selbst im Haushalt zu arbeiten. Dass es Personal gab, wusste sie nur von Erzählungen, aber selbst Personal zu haben war so unrealistisch für sie wie die Idee, einmal einem Prinzen auf dem weißen Pferd zu begegnen.
Nachdem sie Anya gestern noch von dem Pfarrer und seinen Tipps erzählt hatte, waren beide eifrig ins Grübeln geraten, wie man Fische ungewöhnlich machen und anbieten konnte. Sie zu einer Suppe zu verarbeiten, wurde gleich vom Tisch gefegt, denn zum einen hatten sie gar nicht so große Töpfe und zum anderen konnten sie diese Suppe gar nicht heiß transportieren oder anbieten. Es musste also ein kaltes Rezept sein und gleichzeitig den leicht verderblichen Fisch auch haltbar machen.
Die übliche Methode, Fisch haltbar zu machen, war ihn in Salz einzulegen. Das hatte sie selbst auch schon gemacht und es lagen immer einige Fische in einer Salzlake in dem Fässchen in der Küche. Anyas Idee, dass man ja auch mit Essig vieles einlegte, brachte sie auf den Weg. Meist wurde Gemüse oder Obst in Essig eingelegt. Warum dann nicht auch Fisch? Noch am Abend hatten sie gemeinsam in der Küche einen Essigsud aufgesetzt, was viel Spaß bereitet hatte. Anyas empfindliche Nase hatte schrecklich gelitten und Joscelin war mit hellem Gelächter Anya über das ganze Boot gefolgt, um sie mit einem in Essig getränkten Lappen zu bedrohen.
Der heiße Essigsud war über den salzigen Fisch gegossen worden und nach dem Erkalten hatten beide spät in der Nacht vorsichtig den Fisch probiert. Die andächtige Stille beim ersten Bissen hatte Joscelin beflügelt. Beide waren über die sauren Fische hergefallen und sofort danach hatten die Frauen die letzten Fische im Essig eingelegt. Anyas Idee, dem Ganzen noch eine würzige Note zu verleihen, indem man Zwiebeln dazu gab, wurde sofort umgesetzt und danach waren beide selig eingeschlafen.
Joscelin beschloss, an diesem Tag so viel zu fangen wie möglich. Sie würde alle Fische sofort ausnehmen, in Salz einlegen und dann einen Essigsud herstellen. Das MUSSTE ein Erfolg auf dem Markt werden, davon war sie überzeugt. Eifrig kletterte sie aus dem Bett und schlich leise hinaus, um Anya nicht zu wecken. Dass ihr kleines Liedchen Anyas feine Ohren dennoch erreichten, ahnte sie nicht. Aber Anya blieb müde liegen und hatte ein Lächeln im Gesicht.

Das Mädchen flitzte an Deck herum und bereitete alle Angeln vor. Da sie nun in der Nähe der Angeln bleiben musste, setzte sie sich in die strahlende Spätsommersonne und begann, Anyas Nachthemd zu flicken. Sie konnte dabei beobachten, wie der Wasserpegel durch die einsetzende Flut langsam anstieg und lächelte.
Schnell hatte sie bemerkt, dass mit dem auflaufenden Wasser auch mehr Fische in Küstennähe kamen und sich allmählich bis in ihre Bucht vorwagten. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die ersten Fische anbissen. Ihr Eimer füllte sich und sie musste mit dem Ausnehmen beginnen.
Nachdem sie den letzten Wurm als Köder verwendet hatte, zog sie sich schnell an, wuchtete den schweren Steg auf den Holzrollen über das Wasser zum Ufer und hüpfte gut gelaunt hinüber, um neue Würmer zu suchen. Sie hatte beschlossen, heute anders zu angeln. Vielleicht bissen die Fische ja besser, wenn sie den Köder durch das Wasser zog und immer neu auswarf. Das wollte sie unbedingt versuchen.
Im fruchtbaren Boden in Ufernähe Köder zu finden, war wirklich nicht schwer. Sie hatte ihre Röcke zum Schutz vor dem feuchten Schmutz gerafft und den Saum im Bund festgeklemmt. So konnte sie mit nackten Beinen durch die schlammigen Bereiche des Ufers waten. Mit einem Löffel bewaffnet wühlte sie in der feuchten Erde und hob fette Würmer heraus, die in eine kleine Dose kamen, wo sie hektisch eine Fluchtmöglichkeit suchten.
So sah sie die beiden Männer nicht, die sich langsam aus einem dichten Gebüsch erhoben und ihr näherten. Sie fuhr erst herum, als einer der Beiden übertrieben laut hüstelte, und hielt erschrocken die Luft an.
Die Männer machten nicht den saubersten Eindruck. Beide trugen lange, schmutzige Mäntel, die stellenweise so verschlissen waren, dass sich bereits Löcher bildeten. Die Kleidung darunter war nicht viel besser. Es waren keine Hafenarbeiter, das erkannte sie auf den ersten Blick. Sie vermutete eher Herumtreiber und Vagabunden und erkannte mit einem Blick, dass die Männer bewusst ihren Rückweg zum Steg abgeschnitten hatten.

1 Kommentar:

  1. Also erfindet Joscelin den Rollmops? Irgendwann wird sie schon noch rausfinden, dass man die Fische gar nicht salzen muss vorher und sie einfach eher ein paar Wochen als ein paar Stunden im Sud lassen muss.

    Ich bin ja mal gespannt, ob das auf dem Markt gut ankommt. Chancen gibts zumindest ;)

    Und nun waren es also diese beiden Herumtreiber, die sie verfolgt hatten? Warum? Für die paar Sous, die sie auf dem Markt verdient hatte? Die hätten sie ihr doch direkt abnehmen können. Ich habe leider das Gefühl, dass diese Beiden etwas fieseres als stumpfes Ausrauben im Sinn haben.

    Ein wenig erinnert mich das Bild ja an Donnerkarlson und Bloom - die beiden Gauner aus Pippi Langstrumpf. Nur befürchte ich, die zwei werden nicht so vertrottelt sein.

    Pass auf dich auf, kleine Joscelin.

    Liebe Grüße
    Joe

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