Sonntag, 9. Oktober 2011

Noctambule II: George wird gefunden

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Fabrizio schlenderte lustlos durch die Gassen und Straßen. Er brauchte keinen Stadtplan, um seine Route gehorsam abzulaufen. Er orientierte sich an Straßennamen und besonderen Orten wie Kirchen oder dem Rathaus, aber er war innerlich aufgewühlt.
Noch hatte er diesem riesenhaften Kerl nicht verziehen, dass er so einfach davon gekommen war. In ihm nagten Zweifel, ob der Bursche seine Schwester nicht doch auf dem Gewissen hatte und er verstand seinen Vater nicht. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte dieser Kerl dafür mit dem Leben bezahlt.

Hinzu kam, dass er nun auch noch helfen sollte, diese kleine Frau zu finden. Es war eine Unreine! Zudem eine, die seinen Vater bedroht hatte, was an sich schon ein Schwerverbrechen war. Die Sanghieri waren eine große, einflussreiche Familie, die nicht noch irgendwelche Unreinen aufnehmen mussten, mit denen sie gar nichts zu tun hatten. In seinen Augen wurde es Zeit, dass sein Vater abgelöst wurde. Allerdings behielt er diese Gedanken für sich und grollte so schweigend vor sich hin, während er durch die Straßen Marseilles lief ohne wirklich auf eine Frau zu achten, die Ähnlichkeiten mit der Gesuchten haben könnte.
Allmählich wurde das Gebiet allerdings interessanter. Er näherte sich dem Hafen und da er seine Heimat noch nie verlassen hatte, sog er nun die fremden Eindrücke in sich auf. Häfen dürften sich überall auf der Welt ähneln und in jedem musste es von Seeleuten und Huren nur so wimmeln. Doch die fremden Düfte, die fremde Sprache und die salzige Luft hatten einen hohen Reiz für ihn.
Fabrizio verließ seine Route und steuerte neugierig den Hafen selbst an. Es ging auf Mitternacht zu und an diesem Tag war der Hafenbetrieb mangels neuer Schiffe ruhig wie selten. Die Arbeiter hatten längst Feierabend und es herrschte allgemeine Feierstimmung unter den Seemännern. Die Kneipen waren berstend voll, Musik, Lachen, Frauenkreischen und Männergrölen drang aus verschiedenen Häusern. Auf den Straßen waren kaum Huren zu sehen, da sie entweder alle beschäftigt waren oder sich ihre Freier in den Kneipen selbst suchten.

Er drückte sich ein eine dunkle Ecke und beobachtete das Treiben auf der Straße. Seine empfindlichen Augen verfolgten ein Würfelspiel, das von den drei Spielern lautstark kommentiert wurde. Der Vorwurf des Betruges war aufgekommen und wieder niedergelegt worden, doch Fabrizios schnelle Augen hatten den Betrug erkannt und er beobachtete fasziniert das Geschick, mit dem der Betrüger stets einen Würfel für seine eigenen Würfe austauschte.
Der Mann raffte gerade seinen Gewinn zusammen, während er unschuldige Betroffenheit über die neuen Vorwürfe zeigte, als Fabrizio von einem huschenden Schatten abgelenkt wurde.

Er blickte auf und versuchte, den Schatten wieder zu finden. Hatte einer von seinen Leuten seine Runde schon beendet? Oder war es tatsächlich diese gesuchte Unreine? Wie blöd musste man sein, hier im Hafen zu jagen, wo der Alkohol bei fast jedem das Blut vergiftet hatte?
Fabrizio entdeckte den Schatten zwischen zwei Häusern und konzentrierte sich auf ihn. Seine Muskeln spannten sich bereits zu einer Verfolgung an und die drei Würfelspieler waren vollkommen vergessen. Er erwartete, dass der Schatten zur nächsten Deckung huschen würde und war nicht wenig überrascht, als ein gutaussehender Mann völlig ruhig und gelassen aus dem Schatten trat, seine Rüschen zurechtschüttelte und im Spaziergang die Straße entlang schlenderte.
Für Menschenaugen musste er gerade um die Ecke gebogen sein. Niemand auf der Straße schenkte ihm Beachtung, nur Fabrizio stieß ein erstauntes Zischen aus. Das war dieser Schnösel, der sich bei seinem Vater eingeschleimt hatte, dieser.. wie hieß er noch? George! Der junge Sanghieri zögerte damit, den Sammelruf der Familie auszustoßen. Er musste davon ausgehen, dass George ihn auch hören und einen Fluchtversuch starten würde. Wäre es vielleicht besser, sich ihm offen zu zeigen und ein freundschaftliches Verhalten vorzugeben?
Fabrizio verwarf den Gedanken wieder. Seine Leute hatten George einfach in den Wald verfrachtet und ihn seinem Schicksal überlassen. Er konnte davon ausgehen, dass George nachtragend war.
In seiner Familie galt George als Betrüger, Lügner und Mörder. Zumindest hatte der Alte ihn dazu erklärt. Fabrizio könnte George einfach auflauern und töten. Niemand würde ihm einen Vorwurf machen, denn Geächtete hatten keinen Schutz der Gesetze mehr. Wäre da nicht das Verbot seines Vaters. Dieser Armand wollte George für sich alleine haben.
Fabrizio löste sich aus dem Schatten und rannte zur nächsten schützenden Wand, um George nicht aus den Augen zu verlieren. Dann entschied er sich und stieß den Ruf aus, um sich sofort danach wieder komplett zu verschließen. Während sieben Vampire in der Stadt innehielten und lauschend die Köpfe Richtung Hafen drehten, blieb George verblüfft stehen und sah sich um.

1 Kommentar:

  1. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen :) Das gilt auch für Vampire.

    Weiterhin ist interessant zu erfahren, wie die Sanghieri nun zu George stehen. Offensichtlich sind sie ihm allesamt nicht mehr wohlgesonnen. Und das Gebot des Alten steht immer noch als mächtige Ansage im Raum. Egal wie alt und gebrechlich er wirkt.

    Nun bin ich also gespannt. George ist gefunden. In der ersten Nacht und offensichtlich ist es noch nicht allzu spät. Sonst wären die Kneipen nicht mehr so voll. Ich habe das starke Gefühl, dass diese Stunden bis zum Morgengrauen noch sehr spannend werden können.

    Konnte George den Ruf erfassen? Konnte er verstehen, was gemeint war? Konnte er gar orten, wo er herkam? Was hat er eigentlich wieder im Hafenviertel gemacht? Die schlanke Nutte gesucht, die er für seinen Betrugsversuch an Armand gebraucht hätte?

    Ach jetzt gehts aber in schnellen Schritten auf den Höhepunkt und die kleine Anya liegt im Fieber und bekommt nichts davon mit.

    Liebe Grüße
    Joe

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