Sonntag, 2. Oktober 2011

Noctambule II: Die Nachricht an der Tür

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Armand führt das alte Familienoberhaupt aus Marseilles Stadtmauern heraus bis zu seinem Bauernhof. Unterwegs berichtete er ehrlich von seinem fatalen Fehler, Anya Unrecht zu tun und von ihrem Verschwinden.
Ebenso erzählte er von dem Brand und Georges Umtrieben und zum Schluss bereitete er ihn vorsichtig darauf vor, dass Maurice sein ergebener Butler war und bitte am Leben bleiben solle. Sanghieri war amüsiert und überrascht zugleich.

"Ich habe es lange nicht mehr erlebt, dass wir unter Menschen Freunde finden. Nun gut, wir werden Maurice weder erschrecken noch töten." versprach er lächelnd und ließ sich herein führen. Maurice begegnete er jedoch nicht sofort, weil dieser bereits in tiefem Schlaf lag.
Da das Bauernhaus nur drei Schlafräume hergab hatte Maurice das letzte Zimmer als sein Refugium betrachtet. Armand beschloss, ihn zu bitten, in die Scheune umzuziehen, solange so viele Gäste bei ihm waren, die dem Tageslicht entgehen mussten. Dort erst einmal bat er seinen alten Gast in die gemütliche Wohnstube und bot ihm einen Wein an.
"Es ist nur Landwein, Signore. Wir sind froh, hier wieder halbwegs gut untergekommen zu sein und ich muss mir erst eine neue Existenz aufbauen." entschuldigte er sich. Sanghieri hatte sich in den Sessel fallen lassen und nahm dankbar die kleine Erfrischung an.
"Erst müssen wir die junge Mutter finden. Danach kannst du aufbauen, was immer du willst." beschloss er. Armand setzte sich ebenfalls und streckte seine Beine aus. Seine Unruhe hatte sich nicht gelegt, doch hatte er Hoffnung, mit so viel Unterstützung weiter zu kommen und Anya endlich auch wirklich zu finden.
Es dauerte nicht lange, bis Sanghieris Begleiter auftauchten, nachdem dieser sie zu sich gerufen hatte. Armand erkannte sie fast alle wieder. Fabrizio und auch Alessio – die Söhne Sanghieris - waren eingetroffen und hatten deutlich mehr Schwierigkeiten, ihm freundlich zu begegnen, auch wenn sie sich sichtbar Mühe haben.
Man begrüßte sich und erst als Armand ein Lächeln zeigte und die Hand ausstreckte, entspannten sie sich. Bald hatte sich das Wohnzimmer mit sieben Menschen gefüllt und mangels Sitzgelegenheiten mussten einige auf dem Fußboden hocken.
Auch Armand hatte den Ruf wahrgenommen und war sicher, dass George ihn ebenfalls vernommen haben musste. Das kam ihm entgegen. Sollte dieser Bastard nur hier auftauchen. Aber ein anderer Gedanke begann ihn zu beschäftigen und er betrachtete Antonio nachdenklich.
"Ich lege Wert darauf, mich selbst um George zu kümmern, Signore." verlangte er in ruhigem, entschlossenem Tonfall. Sanghieri musterte ihn lächelnd und ließ seinen Blick über seine Söhne wandern.
"Ihr habt es gehört. Meiner Meinung nach ist das ein sehr verständlicher Wunsch. George ist also ebenfalls zu finden, doch wird er lebend und bei möglichst bester Gesundheit hier eintreffen." verkündete er und erntete von seinem Ältesten ein unwirsches Nicken, von seinem jüngeren Sohn eine respektvolle Verbeugung. Armand war sich nicht ganz sicher, ob das tatsächlich auch so umgesetzt werden würde und versuchte sich einzureden, dass das Wichtigste der Tod dieses Burschen war.
Es half nichts, er wünschte sich sehnlich, selbst dafür zu sorgen.
Der Tumult des ständigen Öffnens der Tür und Sesselrückens weckte Maurice. Er setzte sich verwirrt auf und lauschte angestrengt in die Dunkelheit seines Zimmers. Die Herrschaften hatten also Besuch bekommen! Hastig kletterte er aus seinem Bett und warf sich ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht, um die Müdigkeit vollends zu vertreiben. Noch schnell überkämmen, nachdem er sich angezogen hatte und vor dem Spiegel kontrolliert hatte, dann hastete er hinaus und klopfte kurz an, bevor er eintrat.

Bei seinem Eintreten setzte Stille ein und sämtliche Köpfe drehten sich zur Tür. Maurice blinzelte erschrocken, denn er hatte die Situation sofort begriffen. Das war allerdings auch nicht besonders schwer, denn alle Männer in diesem Raum hatten die gleiche Blässe wie Armand und von zweien kam ein instinktives Knurren, als sie das menschliche Blut rochen, auch wenn sie sich sofort zusammenrissen.
Armand unterdrückte ein Grinsen und nickte Maurice zu.
"Ich.. ahem.. hörte, dass Besuch da ist und wollte mich vergewissern, dass alles vorhanden ist. Darf ich etwas bringen, Monsieur?" Maurice rang noch immer um Fassung und hielt die Tür fest, als wäre sie ein Schutzschild gegen mögliche Angriffe.
"Danke Maurice, sehr freundlich. Es tut mir leid, wenn wir dich geweckt haben. Geh ruhig wieder schlafen." meinte Armand und sah sich im Raum um. Doch da jeder versorgt war, blieb er ruhig sitzen.
"Wenn wir etwas brauchen, bedienen wir uns selbst." fügte er hinzu und bemerkte die Erleichterung von Maurice. Der verbeugte sich nur und schloss gemessen die Tür, nur um sofort danach tief durchzuschnaufen. Da ihm die Fähigkeiten der Gäste nicht klar waren, verriegelte er seine Tür und fühlte sich erleichtert in dem Glauben, möglichst sicher vor ihnen zu sein.

Auch Sergej hatte den Ruf vernommen. Er war gerade dabei, sich von seiner erschöpften, glücklich strahlenden Miriam zärtlich zu verabschieden, als er heftig zusammenzuckte. Miriam runzelte die Stirn und betrachtete ihn besorgt.
"Was ist denn, Liebling? Hast du Schmerzen?" flüsterte sie mitfühlend. Sergej lächelte beruhigend, aber sehr irritiert. Es war ein ihm bekannter Familienruf, kein Hilferuf und in seiner Euphorie mit Miriam hatte er nur unbewusst eine neue Gegenwart wahrgenommen, die ihn jetzt krass überflutete. Heftige Unruhe befiel ihn. Armand stromerte alleine da draußen herum und dass Marseille plötzlich von einer Horde neuer Vampire überflutet wurde, alarmierte ihn zutiefst.
"Nein, Süße. Alles ist gut. Aber ich muss jetzt los, ich habe es Armand versprochen." Miriam zog einen kleinen Schmollmund, ließ sich aber gerne noch einmal innig küssen. Sergej warf noch einmal einen verzehrenden Blick auf ihren sich räkelnden, nackten Körper, dann warf er ihr vom Fenster aus eine Kusshand zu und sprang lautlos hinunter.
Er spurtete wie der Teufel los und war dabei hoch konzentriert. Je mehr er sich dem Bauernhof näherte, desto unruhiger wurde er, weil er die Anwesenheit der Fremden immer stärker spürte.
Er überquerte den Hof und prägte sich alles ein, was er sehen konnte. Ohne zu zögern stürmte er durch die Haustüre sofort ins Wohnzimmer und blieb wie angewurzelt stehen, ähnlich wie Maurice nur kurz zuvor noch den Türgriff in der Hand.
Er erkannte sofort Sanghieri und Fabrizio wieder, auch Alessio mit dem er erbittert gekämpft hatte. Allerdings saßen hier alle gemütlich beisammen, offensichtlich ohne irgendeine Aggression, was ihn völlig verwirrte. Sein Blick haftete fragend auf Armand, nachdem er alle mit einem knappen Nicken begrüßt hatte.
"Ist alles in Ordnung?" fragte er knapp. Armand lächelte leicht und nickte ruhig. Sergejs Atemlosigkeit sprach für einen heftigen Spurt und den hatte Sergej mit Sicherheit nur aus Sorge um ihn auf sich genommen. Er stand auf und schlenderte zu Sergej, um beruhigend die Hand auf dessen Schulter zu legen.
"Alles in Ordnung. Wir haben Frieden geschlossen. Nachdem die Familie meinen Brief erhielt, sind sie sofort hier her gekommen, um uns zu helfen, Anya zu finden." erklärte er und sah, dass sein Freund erstaunt eine Braue hob. Er drückte die Schulter noch einmal besänftigend, wusste er doch genau, dass Sergej jetzt eine bestätigende Botschaft brauchte, sonst würde Sergej sich ohne zu Fragen gegen ein ganzes Rudel Vampire werfen.
"Einfach so? Das habe ich mir gewünscht, aber nicht zu hoffen gewagt." meinte Sergej nun und entspannte sich spürbar. Er nickte dem alten Sanghieri anerkennend zu und wandte sich zu seinem Freund.
"Nun, wenn das so ist, dann hast du sicherlich auch Zeit, dir das da draußen einmal anzusehen." meinte er gelassener, als er sich fühlte. Da nun Armand fragend schaute, zog er ihn in den schmalen Hausflur und öffnete die Eingangstür wieder. Armand sah sofort, was Sergej gemeint hatte. In der massiven Holztüre steckte ein Messer. Es hielt einen sehr langen, blonden Zopf damit an der Tür fest, der durch die Bewegung des Öffnens noch leicht baumelte.

1 Kommentar:

  1. Armer Maurice - Aber die Zusicherung von Sanghieri wird absolut bindend sein. Niemand wird es wagen gegen die Ansage des Alten zu verstossen.

    Aber irgendwie auch niedlich, dass er glaubt, sich mit einem Riegel in einer Türe vor dne Vampiren schützen zu können. Man klammert sich halt an das, was man hat. :)

    Sooo und George hat also, dank der telepathischen Öffnung von Armand, den Bauernhof gefunden und ihm den falschen und ja doch irgendwie richtigen Haarschopf an die Türe gepinnt, wie dereinst Captain Hook den Erpresserbrief.

    Er scheint aber nicht zu wissen, wer sich noch alles in dem Haus aufhält - Die Sanghieribande geht vermutlich etwas geschickter mit dem mentalen Öffnen um.

    Nichtsdestotrotz zeugt diese Tat von ganz schön Chuzpe. Mal sehen, wie schnell ihm das nun zum Verhängis wird.

    Liebe Grüße
    Joe

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