Samstag, 15. Oktober 2011

Machtlos

Dies ist eine Fortsetzungsgeschichte. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Übersicht Nadja

Mary schlief nicht gut. Immer wieder wachte sie auf und ihre Grübelei ließ sie nur schlecht wieder einschlafen. Das Himmelschreiende Unrecht, dass man Nadja offensichtlich angetan hatte, verursachte ihr eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Tatendrang. Zwar waren die Kerle, die Nadja gequält hatten im Gefängnis aber es gab ja sicherlich noch weitere. Und immer wieder liefen Mädchen von zu Hause weg, ließen alles hinter sich und fielen auf die Versprechungen, man könne wo anders ein besseres Leben anfangen, herein.

Mitten in der Nacht stand sie auf und kramte die Unterlagen aus dem Sozialkundeunterricht aus dem letzten Jahr heraus. Damals war das Thema an ihr vorbei gegangen. Sie ärgerte sich ziemlich über sich selbst. Sie hatte sich selbst immer als einen eher sozialen Menschen eingeschätzt. Sie hatte früher in den Sommerferien sogar öfter an einem Projekt teilgenommen, wo man zur Ferienbetreuung für sozial schlechter gestellte eingeteilt wurde. Es hatte ihr auch immer Spaß gemacht sich um andere zu kümmern. Und dennoch war dieses Thema im Sozialkundeunterricht einfach an ihr vorbei geflogen.

In den Unterlagen war eine Weltkarte, auf Welcher die Quellen- und die Zielländer für solchen Menschenhandel vermerkt waren. Ihr Finger glitt über die Ukraine. Sie war tiefrot eingefärbt. Genau wie die Nachbarländer. Die gesamte Region Osteuropa war Ton in Ton bezeichnet. Von überall dort wurden mehr oder weniger Frauen verschleppt. Aber im nächsten Augenblick fiel ihr Blick auf die linke Hälfte der Weltkarte. Die reicheren Staaten in Europa waren alle Blau gewesen, manche heller manche Dunkler, zum Zeichen, dass dort die Zielländer für die verschleppten Frauen und Mädchen waren.

In Amerika sah es allerdings nicht besser aus. Mexiko war genauso rot wie die Ukraine. Und fast die gesamten USA waren hellblau eingefärbt. An den Küsten, den Grenzen und in den großen Metropolregionen gab es zusätzlich noch tiefblaue Flecken. Auch die Region um Seattle war deutlich dunkler Eingefärbt als beispielsweise der mittlere Westen. Wenn auch lang nicht so dunkel wie New York oder Chicago. Etwas zitternd betrachtete Mary die Karte. Was Nadja erlebt hatte, passierte nicht nur weit weg in Europa. Es passierte direkt hier vor ihrer Haustüre, in ihrem Land, ja vermutlich sogar in ihrer Stadt. Und sie hatte das ganze bislang einfach ignoriert.

Sie packte schließlich die Unterlagen wieder auf den Schreibtisch und legte sich wieder ins Bett. Sie schaltete das Nachtlicht wieder aus und lag erneut grübelnd in ihrem Bett. Es dauerte ewig bis sie über die schlimmen Gedanken, welche ihr im Kopf rumspukten einschlief. Sie fasste allerdings den festen Entschluss, sich morgen noch einmal mit Nadja zu besprechen. Sie brauchte mehr Informationen über dieses Thema. Es konnte doch nicht sein, dass die Behörden dem so machtlos gegenüberstanden. Irgendetwas musste man doch tun können.

1 Kommentar:

  1. Das ist mal wieder typisch Mary. Das passt ihr nicht, also muss es geändert werden.
    Und niedlich naiv ist es auch. Da beschließt eine 17-jährige, dass es so nicht weitergehen kann mit dem Menschenhandel und schon beginnt sie, die Weltordnung verändern zu wollen. Als ob nicht genug flinke Köpfe mit viel Erfahrung darüber grübeln würden, wie man die Mächtigen daran hindern kann, ungestraft solches Unrecht zu begehen.
    Aber vielleicht hat sie ja eine bahnbrechnede Idee und kann damit Seattle bereinigen :) Man weiß ja nie :)

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