Montag, 10. Oktober 2011

Noctambule II: Eingekreist

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Er hatte den Ruf so klar vernommen wie eine Sirene. Für einen Moment hätte George darauf schwören können, dass dieser Ruf aus unmittelbarer Nähe ausgestoßen worden war. Aber da er die fremden Vampire nur vage als in der Stadt anwesend spürte, wurde er unsicher, zumal er niemanden sehen konnte. Allerdings musste das nichts heißen, denn gerade hier gab es genügend Möglichkeiten, sich zu verbergen.

Er beschloss auf Nummer Sicher zu gehen und strebte sofort eine Kneipe an. Sein Eintreten wurde nicht weiter beachtet. Die Luft war schwer von Tabak, Schweiß und Alkohol. Es war voll hier drin und schlecht gelüftet, was Georges feine Sinne mehr als beleidigte.
Freizügig gekleidete Weiber lachten kreischend, wenn Hände klatschend auf ihren Hinterteilen landeten, manche saßen auf dem Schoß eines Mannes, eine tanzte auf dem Tresen und ließ den johlenden Männern tiefe Einblicke unter ihre Röcke.
George drängte sich durch die Leute und suchte nach einem Hinterausgang. Als er zur Tür zurück sah, traf ihn fast der Schlag. Fabrizio Sanghieri betrat gerade die Kneipe und sah sich mit finsterem Blick um.
Die Blicke der beiden Vampire trafen sich und George glaubte sogar das leise Knurren zu hören, mit dem Fabrizio den Kopf noch weiter senkte. Er war fassungslos. Wie hatte Armand diese Familie davon überzeugen können, auf seiner Seite zu stehen? Diese schäbige Brut hatte ihn im Wald wie Dreck liegen lassen!
Eilig strebte er den Hinterausgang an und hastete das Treppenhaus hinauf. Seine Gedanken rasten. Fabrizio hatte Verstärkung gerufen. Er konnte sich ausmalen, dass bald eine ganze Horde auf seinen Fersen war. Er musste einen nach dem anderen ausschalten, wenn er überhaupt eine Chance haben wollte. Aber nicht hier in diesem engen Treppenhaus, wo jederzeit Menschen auftauchen und eine Panik auslösen konnten.
Hastig spurtete er bis ganz nach oben, wobei er bereits die verfolgenden Sprünge hören konnte. Das Treppenhaus war eng und verwahrlost. Hier schien sich niemand zuständig zu fühlen, mal mit dem Besen durchzugehen und entsprechend sammelte sich der Dreck bereits in verwirbelten Knäueln in den Ecken oder knirschte unter seinen Schuhen. Rechts und links gingen Türen mit abblätterndem Lack zu kleinen Wohnungen ab. Die letzte wählte George, um sich mit ganzer Kraft dagegen zu werfen.
Die Tür krachte lärmend aus Schloss und Scharnieren. George stürmte durch die kleine Wohnung in ein Zimmer mit Bett, in dem sich eine Frau gerade schreiend aufrichtete. George kümmerte sich nicht um das Kreischen sondern rannte an das Fenster. Das Öffnen kostete ihn Zeit und er hörte die Schritte Fabrizios näher kommen. Dann endlich war er auf dem Fenstersims und kletterte so schnell es ging nach oben auf das Dach.
Oben angekommen blieb er stehen und sah sich um. Hier wäre eine gute Möglichkeit, Fabrizio abzuwarten und anzugreifen, denn er würde zum Klettern beide Hände benötigen und zudem nicht mit einem Angriff rechnen.
Während er gebannt auf die Dachrinne starrte, an der er sich würde hochziehen müssen, bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung auf der Straße. Er konnte gerade noch den Blick dorthin richten, um eine unglaublich schnelle Gestalt zu sehen, bevor diese aus seinem Blickfeld verschwand.
Es wurde eng. Die anderen schienen näher zu sein, als er dachte. Er entschied sich gegen den Angriff und spurtete in weiten Sprüngen über die Dächer. Immer wieder spähte er nach unten oder hinter sich. Fabrizio hatte das Dach erreicht und folgte ihm. Auf der Straße unter ihm verfolgte die Gestalt ihn mit Leichtigkeit ebenso schnell wie er selbst. George schwenkte an einer Kreuzung nach rechts ab, blieb auf den Dächern und sprang über eine kleine, nur fünf Meter breite Gasse auf das gegenüberliegende Haus.
Er musste davon ausgehen, dass sein Verfolger keine Mühe hatte, ihm zu folgen. Daher konnte er nur einen einzigen Vorteil nutzen und der lag in seiner Ortskenntnis. Die enge Bebauung des Viertels half ihm dabei, Haken zu schlagen und den Abstand zu Fabrizio zu vergrößern.

Dann entdeckte er den Hinterhof seines ehemaligen Hauses und sprang geschmeidig hinunter. Er musste sich abrollen, um den heftigen Schwung abzuleiten und kam wieder auf die Beine. Mit einem Satz war er in seinem eigenen Haus, da das Fenster noch immer offen stand, wie er gehofft hatte. In wenigen Sprüngen kam er auf die andere Seite des Hauses und flog förmlich durch die zerborstene Scheibe auf die Straße hinaus.
Er achtete nicht auf die beiden Soldaten, die das Haus bewachen mussten und überhaupt nicht mehr mit heimlichem Besuch gerechnet hatten. Die beiden Männer erschraken zu Tode und ehe sie sich fassen konnten, war der Spuk schon wieder vorbei und die Gasse lag leer vor ihnen. George triumphierte. Er schien beide Verfolger abgehängt zu haben. Jetzt hieß es nur erst einmal raus aus der Stadt zu kommen. Dann würde er weiter sehen.
Er jagte um eine Kurve und bremste abrupt ab. Vor ihm standen drei Männer breitbeinig mit hängenden Armen und starrten ihm ruhig entgegen. George nahm sich gar nicht die Zeit, sie zu betrachten und jemanden wieder zu erkennen. Er wollte auch nicht ausprobieren, ob es Menschen oder Vampire waren. Er drehte um und wollte zurück, doch dort standen Fabrizio und sein Bruder Alessio nebeneinander mit verschränkten Armen. Er konnte weder vor noch zurück. Ein Sprung die Hauswand hoch würde ihm nicht viel bringen, denn als er nach oben sah, stand auf jeder Seite der Gasse ein Mann oben auf dem Dach.

1 Kommentar:

  1. Da waren die Vampire aber schnell beisammen. Da hat Georges gesamte Geistesgegenwart genau gar nichts genutzt. Und auch seine Ortskenntnis hat ihn nicht weitergebracht.

    Spannend, wie gehorsam die Sanghieris wohl sein werden, wenn es soweit ist? Machen sie George jetzt fertig? Knickt einer ein und lässt George entkommen? Verbündet sich einer mit George? Es waren ja nicht alle gleich gut auf Armand zu sprechen.

    Ist Armand auch schon dabei? Erledigt es jetzt tasächlich einer für immer?

    Liebe Grüße
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.