Dienstag, 25. Oktober 2011

Noctambule II: Joscelin auf der Spur

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Wäre der Aufschrei nicht gewesen, hätte der Mann sie wahrscheinlich gleich losgelassen und ihr noch den Weg gezeigt. Diesen Eindruck hatte Joscelin zumindest, denn nun betrachtete er sie genauer.
Das Mädchen presste fest die Lippen aufeinander, aber sie zitterte wie Espenlaub. Anya hatte ihr nie beschrieben, wie dieser Armand aussah. Aber nun war sie sicher, ihm gegenüber zu stehen. Diese seltsame Blässe und die unwirkliche Schönheit überzeugten sie so stark, dass ihre Knie fast gegeneinander schlugen.


Der Mann legte den Kopf fragend schief und sah ihr tief in die Augen.
"Zu einem Arzt musst du? Warum?" fragte er und seine Stimme ging Joscelin so sehr unter die Haut, dass sich ein kalter Schauer über ihren Rücken ergoss. Sie schluckte und starrte ihm in die Augen.
"Weil meine Mutter krank ist. Sie hat ganz hohes Fieber und die Stirn glüht und sie fantasiert schon. Ich weiß nicht was ich noch machen soll!" Der letzte Satz zumindest war so ehrlich, dass sie schon wieder Tränen in den Augen hatte. "Ich habe Angst, dass sie stirbt!" schob sie eindringlich hinterher. Der Mann betrachtete sie prüfend und nickte schließlich langsam.
"Weißt du denn, wo hier ein Arzt ist?" Joscelin biss sich auf die Lippen. Sie wusste es ja nicht wirklich, aber sie wollte es auf jeden Fall im Armenhaus versuchen. Langsam schüttelte sie den Kopf.
"Nein, aber im Armenhaus ist eine Hebamme. Meine Mutter hat da meine kleine Schwester auf die Welt gebracht. Die Hebamme weiß bestimmt, wo einer ist. Bitte, Monsieur, ich muss mich beeilen!" drängte sie. Der feste Griff an ihren Schultern löste sich und sie atmete auf. Einen kleinen, hastigen Knicks hatte sie noch übrig, dann spurtete sie schon wieder los. Wie ein Hase schlug sie nun Haken um die Menschen, damit sie nicht noch einmal festgehalten wurde und als sie sich kurz umsah, stellte sie erleichtert fest, dass der Fremde nicht mehr zu sehen war.

Fabrizio war tatsächlich nicht für sie zu sehen. Er hielt sich zurück, versteckte sich zwischen den Menschen, in Nischen oder hinter Hausecken. Dennoch folgte er ihr, weil er nicht sicher war, was hier passierte. Dieses Mädchen hatte in ihm tatsächlich jemanden oder etwas wieder erkannt und das machte ihn neugierig. Wenn sie Vampire kannte, dann war nicht auszuschließen, dass sie Kontakt zu der gesuchten Frau hatte. Dafür lohnte es sich schon einmal, die eigentliche Route zu verlassen und hinterher zu laufen. Seine Leute konnte er noch immer rufen.

Das Mädchen rannte wie der Teufel, doch für Fabrizio war sie nicht schnell genug. Als sie die Pforten des Armenhauses erreichte, rüttelte sie verzweifelt an dem Gitter des Tores. Die Sorge, dass vielleicht abgeschlossen war, erwies sich als unnötig, denn die Türe schien nur zu klemmen und öffnete sich schließlich quietschend.
Fabrizio wartete, bis das Mädchen über den Hof gelaufen war und an die Tür hämmerte, dann hetzte er in hohem Tempo über den Hof.
Vielleicht war er ein wenig laut gewesen, vielleicht auch nicht schnell genug. Das Mädchen hielt inne und sah verblüfft über die Schulter zurück. Fabrizio klemmte sich in eine Nische zwischen zwei große Mülltonnen und rümpfte die Nase über den Gestank. Aber sein Platz war gut gewählt, denn so konnte er nun jedes Wort verfolgen, das gesprochen wurde.

1 Kommentar:

  1. Fabrizio ist ein schlauer Junge. Hoffentlich sind seine Absichten die richtigen.

    Es ist schon amüsant, wie sehr man in einem Gesicht lesen kann, wenn man ber die ausreichende Erfahrung verfügt. :)

    Und interessant, dass Fabrizio so gut Französisch spricht, dass Joscelin nicht aufgefallen ist, dass es kein Franzose ist, dem sie da gegenüber steht. Aber vermutlich hat, wenn man ein paar hundert Jahre zeit hat, das Lernen von Sprachen nicht mehr die Selbe Bedeutung, wie für ein begrenzstes Menschliches Leben.

    Aber Joscelin ist nun auch dumm. Sie weiss doch, dass Anya in Vampir ist. Ein Vampir könnte ihr vermutlich besser helfen, als ein Arzt. Aber es ist auch allzu verständlich, dass sie in ihrer Panik auf diesen Schluss nicht kommt.

    Aber Komissar Zufall hat voll zugeschlagen. Jetzt kann es endlich in die richtige Richtung gehen.

    Liebe Grüße
    Joe

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