Samstag, 29. Oktober 2011

Noctambule II: Joscelin in Gefahr

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Anya konnte spüren, wie ihr Körper mit aller Kraft versuchte, sich zu erholen und selbst zu heilen. Der ziehende Schmerz im Unterleib hatte aufgehört, was sie unendlich erleichterte. Aber das Fieber schien einfach nicht sinken zu wollen.
Immer wieder erklärte sie sich selbst, dass dies nur ein Zeichen für den Kampf in ihrem Körper war, also ein gutes Omen sein musste.
Trotzdem verfluchte sie die matte Hilflosigkeit, die ihr jede Kraft zu rauben schien. Einmal mehr schwankte sie zwischen Selbstaufgabe und dem Versuch zu kämpfen. Ihr Selbsterhaltungstrieb war noch nicht erloschen und ihre Natur schien sich um des Kindes Willen gegen das Sterben zu wehren.


Sie ahnte den Teufelskreis, in den sie hinein glitt. Joscelin zuliebe hatte sie die Frau verschont, die sich über sie gebeugt hatte. Aber sie brauchte dringend Nahrung. Ohne zu jagen würde ihr Körper nur unendlich langsam gegen die Verletzung arbeiten können und sie fürchtete auch um die Gesundheit ihres Kindes. Wenn sie noch länger zögerte, würde sie aber bald keine Kraft mehr zum Jagen haben. Dann wäre nur noch Joscelin in ihrer Nähe und alles in ihr sträubte sich dagegen, dieses Mädchen anzugreifen.
Sie sackte erschöpft zurück in die apathische Trägheit und ergab sich dem Fieber. Da sie immer noch so heftig schwitzte, verspürte sie auch ständig einen fast unerträglichen Durst, den sie nun zu ignorieren versuchte, um endlich wieder schlafen zu können.
Nur aus weiter Ferne hörte sie Joscelin in das Zimmer zurückkehren und spürte, wie das Mädchen ihren Kopf anhob und abstützte.
"Trink das bitte." Ohne zu zögern öffnete sie den Mund und ließ das kalte Wasser dankbar in ihre Kehle fließen. Wie eine ertrinkende umklammerte sie plötzlich die Hand des Mädchens, die den Becher hielt, damit sie ihn nicht wegzog. Joscelin brauchte einiges an Kraft, um sich aus dem Griff zu lösen.
"Der Becher ist leer. Ich muss neues Wasser holen. Und ich habe den Kräutertee aufgesetzt, den musst du auch trinken." erklärte sie leise. Anya nickte und ließ den Kopf bedauernd wieder fallen. Wasser war gut, Tee war auch gut. Schlimm war nur dieser herrliche, verlockende und betörende Duft, den Joscelin ausströmte. Die Gier trieb neue Kraft in ihre Muskeln und ihr lief fast das Wasser im Mund zusammen. Sie musste nur zupacken und ihre Zähne in diese zarte Haut schlagen!

Stöhnend rang sie um Beherrschung und war froh, dass das Mädchen sich aufrichtete. Aber ihr Stöhnen brachte Joscelin dazu, sich wieder ihr zuzuwenden.
"Hast du große Schmerzen?" fragte sie mitfühlend und beugte sich wieder über Anya, die ihre Hand hob und Joscelin mit aller Kraft von sich stieß. Da sie die Augen geschlossen hielt, konnte sie nur den erschreckten Laut des Mädchens hören und ahnte die Verwirrung, die sie selbst ausgelöst hatte.
"Pass auf.. pass auf.. ich.. will töten." keuchte Anya angestrengt. Das erschreckte Schnappen des Mädchens tat ihr in der Seele weh. Sie hörte, wie die Kleine zurücktaumelte und öffnete die Augen leicht. Joscelin war sehr blass geworden. Sie musste versuchen, das Mädchen zu beruhigen.
"Nicht dich.. aber.. es ist so schwer." murmelte sie leise und schloss die Augen wieder. Die Anstrengung verursachte Kopfschmerzen.
"Schon gut. Ich verstehe." meinte Joscelin, doch an ihrer Stimme konnte Anya hören, dass sie gar nichts verstand.
"Ich hole dir Wasser, ja?" stammelte das Mädchen und huschte schnell aus dem Zimmer. Anya sackte zurück und atmete tief durch. Sie musste sich besser beherrschen, wie auch immer sie das schaffen sollte. Eine tiefe Erschöpfung befiel sie und ihr Körper entspannte sich völlig.
Mit einem wehmütigen Lächeln sah sie Armands Gesicht vor sich und verlor sich fast in den schwarzen Augen, die sie so liebevoll betrachteten. Doch das Bild verschwamm wieder. Sie verlor den Gedanken, den sie eben noch im Kopf hatte und sank in einen ruhigen Dämmerzustand, völlig bereit endlich tief einzuschlafen und wenn es sein musste, eben auch einfach nicht mehr aufzuwachen.

Das Poltern und der erschrockene Schrei des Mädchens rissen Anya wieder in die Realität zurück. Verwirrt lauschte sie, konnte aber nur ein Murmeln hören. Ihr Instinkt sagte ihr, dass Joscelin nicht erschrocken war, weil ihr etwas aus der Hand gefallen war. Irgendetwas war geschehen.
Die Anstrengung, sich halb aufzurichten, ließ ihren Herzschlag so laut in den Ohren dröhnen, dass sie nicht verstand, was dort gemurmelt wurde. Wer war da noch außer dem Mädchen? Wieder polterte etwas und Joscelin schrie nun gellend. Anya riss die Augen auf und erkannte dennoch nur verschwommen die Zimmertür.
"Joscelin!" Ihr Ruf war so kraftlos und leise, dass sie selbst ihn kaum hörte. Sie hörte einen dumpfen Schlag, dann polterte etwas Schweres krachend gegen die Zimmertür. Am deutlichsten konnte sie die hellen Schreie des Mädchens hören, die schließlich in ein Wimmern übergingen.
Anyas Wut über ihre eigene Schwäche verlieh ihr ebenso viel Kraft wie ihre Verzweiflung, nicht schnell genug aus dem Bett zu kommen.
Sie schlug die Decke zurück, doch das Aufstehen glich eher einem Wälzen aus dem Bett. Sie kam viel zu schnell aus der Waagerechten in die Senkrechte und ihr Kreislauf schlug Purzelbäume.
Der Raum begann sich vor ihr zu drehen und ihre Beine gaben dem Schwindelgefühl nach. Anya schlug der Länge nach auf dem Boden auf und traf mit dem Kopf die Stuhlkante. Der Schmerz den Aufschlags auf den Boden raubte ihr fast die Besinnung und ihr Kopf dröhnte nun so heftig, dass die Tränen in ihre Augen schossen.
Sie gönnte sich keine Ruhe, sondern versuchte, wieder aufzustehen. Joscelin war verstummt, was Panik in ihr auslöste. Draußen hörte sie es krachen und Poltern. Was auch immer dort war, sie musste unbedingt zu dem Mädchen. Aber sie kam nicht mehr hoch. Übelkeit stieg in ihr auf, die Schmerzen lähmten sie und raubten ihr fast die Luft.
Die Tür vor ihren Augen begann zu verschwimmen und schien sich immer weiter von ihr zu entfernen. Sanfte Dunkelheit näherte sich ihr, verschlang die Tür und tauchte das Zimmer in ein düsteres Licht. Sie konnte hören, wie die Tür aufgestoßen wurde und gegen die Wand krachte.
Eine dunkle Stimme rief ihren Namen und kräftige Hände drehten sie vorsichtig auf die Seite. Zitternde Finger strichen die schweißnassen Haare aus ihrer Stirn, dann wurde sie scheinbar mühelos hochgehoben. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Es fühlte sich an, als ob Armand sie wie in alten Zeiten einfach durch die Gegend trug.
Sie schlug die Augen auf, aber es blieb dunkel und schemenhaft. Für einen Moment glaubte sie, in ein paar liebevoller schwarzer Augen zu sehen, dann verschwammen auch diese. Anya ließ den Kopf zurückfallen und schloss die Augen. Dieses Bild wollte sie behalten und mit sich nehmen, egal wohin es jetzt auch gehen würde. Dann verlor sie das Bewusstsein.

2 Kommentare:

  1. Ist es also endlich soweit!

    Armand ist da. Was auch immer das Poltern war. Um das auszulösen braucht es ja bei der Kraft von Vampiren nicht viel.

    Armand hat seine Anya wieder! Ich bin sicher, dass es seine liebevollen Augen waren. An eine Illusion im Fieberwahn von Anya mag ich nicht glauben.

    Aber was ist nun mit der guten Joscelin? Sollte sie für ihre Fürsorge mit dem Leben bezahlt haben? Weder Armand noch Fabrizio sollten so skrupellos sein. Armand muss doch klar gewesen sein, welche Rolle das Mädchen hier gespielt hat. Vielleicht nicht, wie es dazu gekommen ist, doch dass sie für Anya nicht Beute war, dürfte er verstanden haben.

    Und ist Madeleine eigentlich noch weggekommen, bevor die Vampire aneinander gerieten?

    Spannend bleibt es, auch wenn das Ende zum greifen nah ist.

    Liebe Grüße
    Joe

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  2. vielleicht kam das poltern daher, dass armand fabrizio niedergeschlagen hat, weil er joscelin bedroht hat. er hatte ja schließlich darüber nachgedacht die zwei mädchen zu töten und einfach so zu tun, als wäre nichts passiert.
    lg
    jay

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