Samstag, 2. Juli 2011

Noctambule II: Unerwartete Gäste

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Annabelle hatte gute Laune. Mit einem Schlag hatten sich für sie mehrere Probleme in Luft aufgelöst. Dass sie nun für eine ganze Weile in Trauerflor herumlaufen musste, war ärgerlich, aber leicht in Kauf zu nehmen. Während sie sich ein wenig Puder auflegte und ihrer Zofe durch den Spiegel beim Frisieren ihrer Haare zusah, dachte sie an Miriam.

Es war nicht leicht gewesen, dem Mädchen die Nachricht zu überbringen.
Sicherlich, sie würde darüber hinweg kommen. Viele junge Frauen verloren ihre Väter früh. So war das nun einmal. Es tat Annabelle schrecklich leid, dass ihre hübsche Tochter nun mindestens ein halbes Jahr lang in Trauer zu leben hatte. Das beinhaltete immerhin das Fernbleiben von allen Feierlichkeiten im Gesellschaftsleben. Aber Annabelle hatte bereits einen Plan gefasst. Sie würde mit Miriam einfach auf Reisen gehen.
Während die Zofe nun einen schwarz-durchsichtigen Schleier dekorativ an ihrer Frisur befestigte sah sich Annabelle bereits auf Reisen. Kurz hatte sie Bilder von einem auslaufenden Schiff vor sich, von luxuriösen Kabinen und von fremden Ländern. Miriam würde das sicherlich großen Spaß machen. Sie würde in dieser Zeit heranreifen und wer weiß, vielleicht fand sich eine Gelegenheit, aus einem kleinen Flirt eine gute Heirat herauszuhandeln.
Annabelle erhob sich und zog sich sorgfältig die langen Handschuhe aus schwarzer Seide über. Es galt nun, diesen Abend zu überstehen, die Totenwache zu halten und den schrecklichen Gesang der Klageweiber zu ertragen. Morgen wäre der Leichnam bereits fort.
Sie würde morgen früh eine pompöse Bestattung organisieren und dann hatte sie die schlimme Zeit hinter sich. Das war eine Kleinigkeit. Als sie die Zofe mit einem Nicken verabschiedete, gestattete sie sich ein kleines Lächeln. Es war so einfach gewesen.

Miriam stand etwas verloren in dem noch leeren blauen Salon im Erdgeschoss. Bald würden die Trauergäste eintreffen. Die Dienerschaft hatte den Raum gemütlich hergerichtet, das Feuer frisch angeschürt und in der Küche hatte man hastig kleine Häppchen zubereitet, die man gemeinsam mit leichtem Gebäck reichen würde. Annabelle hatte sogar umsichtig einen Stapel frischer Taschentücher in einer unauffälligen Ecke verlangt.
Als sich die Tür öffnete und sie sich umdrehte, kam ihre Mutter mit liebevollem Lächeln und ausgestreckten Armen auf sie zu.
"Meine Kleine.. komm her!" Miriam floh schluchzend in Annabelles Arme und drängte sich hilfesuchend an sie. Mamas Hand streichelte tröstend ihre Haare und gewährte ihr eine kurze Minute der Fassungslosigkeit. Dann schob sie Miriam sachte zurück und reichte ihr ein Taschentuch.
"Wir müssen nun stark sein, Kind. Und das schaffen wir. Jeder, der heute Abend erscheinen wird, ist uns sehr nahe und trauert mit uns." erklärte Annabelle mit weicher, fast singender Stimme. Miriam nickte und putzte sich die Nase.
"Wer wird denn überhaupt kommen?" fragte sie ein wenig bang. Annabelle rückte ein Tablett mit bereit gestellten Gläsern zurecht und ging mit den prüfenden Blicken einer Hausfrau durch den Raum, um die letzten Fehlerchen auszumerzen, die ihre Gastfreundschaft herunterziehen könnten.
"Oh, alle Freunde von Papa natürlich. Die alte Herzogin hat sich angekündigt, Lechaivre natürlich.. oh, ich kann ihn nicht ausstehen. Wir müssen aber höflich und nett zu ihm sein, hörst du?" Ihr kurzer Seitenblick zu Miriam bestätigte ihr, dass sie zugehört hatte, denn sie nickte still.
"Von Amanda habe ich noch nichts gehört, aber ich nehme stark an, dass sie es möglich machen wird, einen Abstecher zu uns zu machen. Dein Onkel und deine Tante werden erst spät hier eintreffen. Sicherlich bringen sie deine Cousine mit, dann hast du jemanden in deinem Alter, wenn du dich aussprechen möchtest." plauderte sie weiter und zündete eine Kerze an, die wohl übersehen worden war.
Miriam seufzte. Sie mochte ihre Cousine nicht wirklich und würde sich bestimmt nicht bei ihr ausheulen.
Die Wärme des Kamins raubte Miriam schier die Luft zum Atmen. Sie ging zu einem der deckenhohen Fenster und zog einen Flügel weit auf.
"Ich mache nur kurz auf, Mama. Ich brauche frische Luft." murmelte sie. Annabelle lächelte ihr zu.
"Du solltest dich setzen, Kind. Nicht, dass du mir noch umfällst. Hast du denn überhaupt schon etwas gegessen?" fragte sie besorgt. Miriam schüttelte den Kopf und nestelte an ihrem Taschentuch. Die Plauderei mit Mama tat ihr gut und lenkte sie ein wenig ab.
"Ich habe keinen Hunger, Mama." meinte sie abwehrend. Annabelle seufzte leicht und warf ihrer Tochter einen tadelnden Blick zu.
"Du solltest dennoch etwas essen. Noch hast du etwas Zeit, bevor die Gäste eintreffen." bestimmte sie mit sanftem Lächeln. Sie wusste immer, was gut für ihr kleines Mädchen war.
"Aber nein! Aber nein! Die Gäste sind doch schon da!" säuselte eine Stimme hinter ihr und ließ sie herumfahren. George neigte den Kopf und betrachtete Annabelle mit breitem Lächeln, was seine Reißzähne freilegte.

1 Kommentar:

  1. Anabelle weiss also immer, was gut für ihr kleines Mädchen ist.

    Tatsächlich frage ich mich, ob der Tod ihres Vaters tatsächlich gut für sie war. Und nun auch noch diese hässlichen ungebetenen Gäste.

    Das ist wirklich nicht der Trauertag, den man sich vorgestellt hatte.

    Wo bleibt Armand? Er war doch eben schon beim Leichnam? Brechen die beiden jetzt gleich irgendwo hervor und bringen George zur Strecke? Und wie geübt ist Batiste inzwischen?

    Gruß
    Joe

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