Donnerstag, 14. Juli 2011

Noctambule II: Maman?

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Miriam war in einen unruhigen Schlaf gesunken, nachdem sie von Maurice etwas zu trinken und zu essen bekommen hatte. Erst wollte sie keinen Bissen herunter bringen, aber Maurice war auf seine höfliche Art und Weise hartnäckig geblieben und hatte ihr versichert, dass sie nur so zu Kräften kommen würde. Das Essen hatte sie müde gemacht und sie war dem pochenden Schmerz in der Schulter durch den Schlaf ausgewichen.
Als sie ihre Augen öffnete, sah sie genau in das Gesicht Sergejs, der sie ruhig betrachtete und ihre Hand hielt.


"Sergej." murmelte Miriam verschlafen. Sie wollte seine Hand drücken, aber sofort spürte sie ihre Schulter wieder und verzog stöhnend das Gesicht. Sergejs Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln und er streichelte beruhigend ihren Handrücken.
"Nicht zu viel bewegen. Deine Schulter war ausgekugelt. Verzeih mir bitte." Miriam blinzelte verständnislos.
"Warum soll ich dir verzeihen?" fragte sie. Eigentlich hatte sie ganz andere Fragen, aber sein Satz hatte sie aus dem Konzept gebracht. Sergej fuhr sich mit der freien Hand durch das Gesicht und wirkte kurz ein wenig erschöpft.
"Nun, ich habe sie dir ausgekugelt, als ich dich von George wegriss." erklärte er. Miriam erinnerte sich wieder. Der dumpfe Aufprall, der George ins Taumeln gebracht hatte. Dann war sie schon durch die Luft geflogen.
"Du warst das?" hauchte sie verstört. Solche Kräfte hätte sie ihm niemals zugetraut. Sie war zwar nicht besonders groß und sehr schlank. Sie wog nicht viel, aber dass sie derart herumgeschleudert wurde, hätte sie nie erwartet. Männer besaßen offenbar mehr Kraft, als sie geahnt hatte. Dabei war er so sanft und zärtlich zu ihr gewesen.
"Was ist überhaupt passiert?" Sie versuchte, sich etwas zu ihm zu drehen, aber zuckte sofort erneut zusammen. Fürsorglich beugte Sergej sich vor, hob sie leicht an und schob das Kissen stützend unter ihren Oberkörper, sodass sie aufrechter aber dennoch abgestützt war. Dass er damit Zeit schinden wollte, fiel Miriam nicht auf. Aber schließlich musste er ihr ja doch erklären was geschehen war.
"Die beiden Männer in eurem Haus waren die Verbrecher, die all das getan haben, was man uns zur Last legt." begann er und hielt ihre Hand weiterhin streichelnd fest. Miriam schwieg einen Moment. Dass die Beiden Verbrecher waren, bezweifelte sie keine Sekunde. Aber nun setzte ihre Erinnerung wieder ein und das Blut wich aus ihren Wangen. Sie begann hastig zu atmen, um die aufsteigende Übelkeit im Zaum zu halten.
"Er hat meine Mutter.. er hat Maman ..gebissen?!" sie wollte an ihrer Erinnerung zweifeln. Welcher Mann biss eine Frau? Und warum? Vor allem war sie nicht sicher, ob sie nun fantasierte oder wirklich diese schrecklichen Zähne gesehen hatte. Zu ihrem Entsetzen nickte Sergej mit betretener Miene.
"Ja, das hat er. Sei tapfer, mein Kleines." flüsterte er heiser. Miriam starrte ihn fassungslos an. Der Verdacht, der in ihr hoch stieg, durfte nicht wahr sein. Bitte nicht auch noch das!
"Maman?" hauchte sie mit erstickter Stimme. Sergej ließ sie nicht aus den Augen, doch er schüttelte nur langsam den Kopf. Es war schier unerträglich, den aufsteigenden Schmerz und Kummer in ihren Augen zu sehen. Und noch immer lag Hoffnung in ihrem Blick, dass das alles nicht wahr sein konnte.
"Sie hat es nicht überlebt." Seine Worte waren ruhig und sehr leise gesprochen, aber Miriam hatte verstanden. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Alle anderen Fragen waren plötzlich unwichtig und vergessen. Ein Zittern schüttelte Miriam plötzlich, dann begann sie zu stöhnen. Die Tränen quollen wie Sturzbäche über ihre blassen Wangen. Ihr Stöhnen wollte gar nicht aufhören. Sergej wünschte sich plötzlich, sie würde ausrasten, ihn angreifen, schreien oder beschimpfen. Wenn sie doch nur aufhören wollte, so zu stöhnen und die Lippen zusammen zu pressen.
Ihr Zittern wurde immer heftiger. Ihre freie Hand hob sich und versuchte, nach Sergej zu greifen. Doch sie zitterte so sehr, dass sie kaum Kraft hatte, seinen Ärmel zu packen. Sergej konnte nicht anders, als ihren Oberkörper anzuheben und gegen seine Schulter zu drücken. Sie bebte wie Espenlaub, ließ aber widerspruchslos zu, dass er sie an sich zog und ihren Kopf an seine Schulter drückte.
"Lass es raus, Miriam. Weine. Lass es einfach raus." flüsterte er immer wieder. Endlich kam der Schrei. Er schien sich seinen Weg durch ihre Lungen freikämpfen zu müssen, dumpf und voll endlosem Schmerz. Dann riss sie mit verblüffender Kraft ihren Kopf frei, warf ihn zurück und der Schrei, den sie ausstieß wollte nicht mehr aufhören.

1 Kommentar:

  1. Jetzt muss die kleine Miriam alles herauslassen. Jetzt muss sie sich ausweinen und dann wird es schon wieder gut werden.

    Irgendwann!

    Das arme Kind hat innerhalb weniger Tage Mutter und Vater verloren. Sie hat ihr ganzes Leben verloren, ihr Haus ihre Sicherheit, ihre Heimat.

    Gestern noch ein gut behütetes Kind aus besserem Hause mit der Aussicht auf eine 'gute Partie' in den Kolonien. Heute die Konkubiene eines Gesetzlosen, eines gesuchten Mannes. Da warten noch viele Umstellungen auf sie.

    Und jetzt ist noch nicht einmal Anya da um dem Mädchen zur Seite zu stehen. Denn Anya hat eigene Probleme. Hoffentlich läuft die kleine nicht irgendwann in Panik weg.

    Sie wird viel zu akzeptieren haben.

    Liebe Grüße
    Joe

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