Donnerstag, 28. Juli 2011

Noctambule II: Rückblick - Die Höhle

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Genauso plötzlich, wie es angefangen hatte, hörte es auch wieder auf. Tiefe Stille legte sich über den Berg, auf dem Armand in ungefähr halber Höhe an einem Felsen kauerte. Als er es wagte, den Kopf vorsichtig zu heben, rieselten Staub und Steinchen von ihm herunter. Fassungslos starrte er auf das Geröllfeld vor ihm, das vor kurzem noch eine saftige Wiese gewesen war.
In der Dunkelheit konnte er die gegenüber liegende Seite des Feldes nur schwach erkennen, doch dort, wo einmal seine Hütte gestanden hatte, konnte er nun gar nichts mehr sehen außer Geröll und Steinbrocken.

Vorsichtig, als könne er dem Boden unter seinen Füßen nicht mehr trauen, richtete er sich auf und streckte die schmerzenden Glieder. Sein Rücken war übersäht mit Prellungen und Schürfwunden, die allerdings schnell wieder verheilen würden. Doch konnte er durch die Risse und Löcher im Hemd die kühle Nachtluft spüren.
Stolpernd kletterte Armand über die Steinwüste hinweg zu der Stelle, an der einmal seine Hütte gestanden hatte. Gott sei Dank war sie am Rand der Wiese aufgebaut worden und hier hatte die Lawine nicht sonderlich zugeschlagen. Überall verstreut entdeckte Armand zersplitterte Bretter und Baumstämme. Irgendwo unter den Steinen mussten seine Habseligkeiten liegen und auch wenn er auf den größten Teil verzichten konnte, so wollte er unter gar keinen Umständen auf die Tasche mit den verschiedenen Besitzurkunden verzichten, die er sich im Laufe der Jahrhunderte angeeignet hatte.
Bevor er sich aber darum kümmern konnte, betrachtete er scharf seine Umgebung. Er konnte weder George noch Isabelle wahrnehmen, was sein Herz schneller schlagen ließ. Sollte die Lawine seinen Plan vollendet haben? Wären sie nur bewusstlos, müsste er ihre Anwesenheit spüren, doch konnte er nicht das Geringste wahrnehmen.
Trotzdem traute er dem Frieden nicht und blieb wachsam, während er begann, Steine abzutragen und nach seiner Tasche zu suchen. Eine Stunde lang arbeitete er sich mühsam durch den Schutt und schwitzte dabei mächtig. Er hatte sich lange nicht mehr so anstrengen müssen und während er seine Muskeln bis zum äußersten strapazierte dachte er zum ersten Mal seit Ewigkeiten an seine Lehrzeit als Steinmetz und den alten Meister Ustul zurück.
Von Ustul hatte er sich damals die ersten Besitzurkunden geholt und sie hatten noch immer ihre Gültigkeit. Zwar hatte er ein Stück Land für den Weinanbau verkauft, doch ein Gut und ein Stadthaus in Toulouse gehörten noch immer ihm und brachten ihm ein gutes Einkommen dank der Verpachtung.
Als er seine Tasche endlich gefunden und die Papiere darin sicher gestellt hatte, fühlte er sich erleichtert. Nun brauchte er nur noch eine Unterkunft und das möglichst schnell, denn der Tag würde bald anbrechen. Er wusste, dass in erreichbarer Nähe keine andere Hütte mehr war und selbst wenn wäre es fraglich gewesen, ob sie überhaupt noch stand.
Auf dem Berg fühlte er sich keineswegs sicher, doch das Tal war wohl der denkbar ungeeigneteste Ort, den er im Moment hätte aufsuchen können. Ohne sich weiter um den Verbleib von George und Isabelle zu kümmern verließ er das Geröllfeld und kletterte noch ein gutes Stück durch den Wald bergauf.
Keuchend erreichte er ein ganzes Stück weiter oben die Baumgrenze und direkt dahinter ein weiteres Geröllfeld. Doch dieses hier war wesentlich älter und hatte sich bereits fest abgesetzt. Gras und kleine Pflanzen hatten die Steinzwischenräume bereits zurück erobert und gaben den Felsbrocken dadurch Halt.
Armand kannte diesen Fleck des Berges bereits und wusste, wohin er sich nun wenden musste. Bepackt mit seiner Tasche und seinem Umhang kletterte er weiter aufwärts bis er den Felsüberstand fand, und erleichtert feststellen konnte, dass er nicht zusammengebrochen war. Wind und Wetter hatten hier eine Nische von lockerem Gestein über tausende von Jahren aus festeren Gesteinsmassen herausgespült und so eine längliche Höhle gebildet, die tief genug war, um ihn vor dem einsetzenden Tageslicht zu schützen.
Armand kletterte hinein und breitete am hinteren Ende seinen Umhang als Unterlage aus. Dann erst sank er erschöpft auf den Boden und streckte die schmerzenden, langen Glieder aus. Während der Tag anbrach und Armand geblendet die Augen schloss, nahm er kurz die schwache Präsenz zweier Artgenossen war und stieß ein tiefes Grollen aus. Doch dann verschloss er sich vor ihnen und hoffte, für lange Zeit von ihnen unentdeckt zu bleiben. Für eine Auseinandersetzung fehlte ihm jetzt die Kraft und das Tageslicht dürfte ihnen fürs Erste genug Probleme bereiten. Mit diesem Gedanken schlief er zufrieden ein und wurde erst an Nachmittag von erneutem Grollen und Beben der Erde geweckt.

1 Kommentar:

  1. So schützt ein Vampir also seine Reichtümer. Wie die Leute heutzutage auch: Mit Immobilien :)
    Wie die Menschen wohl reagieren, wenn 100 Jahre später irgendjemand auftaucht und eine Besitzurkunde für ein Haus vorlegt? :)

    Aber das ist ja erstmal nicht sein Problem. Wie der Leser ja schon wusste, haben George und Isabelle die Katastrophe ja nun leider auch überlebt. Aber hoffentlich sind sie beide erbärmlich verletzt und lecken sich ihre Wunden. Schade, dass Armand nicht die Chance wahrnehmen möchte Die Sache jetzt zu beenden. Vermutlich wäre das tatsächlich eine gute Chance gerade.

    Liebe Grüße
    Joe

    AntwortenLöschen

Bitte beim Kommentieren höflich bleiben. Es gibt hier die Möglichkeit Anonym zu kommentieren, aber denke bitte kurz nach ob du das wirklich möchtest. Unterzeichne deinen Kommentar doch mit einem Pseudonym oder deinen Initialen, dass man weiß, welche Kommentare alle von dir sind. Oder noch besser, du nutzt nicht die Auswahl "Anonym" sondern "Name/URL" und lässt das Feld für die URL einfach frei. Dann wird dein Kommentar mit deinem selbst gewählten Namen angezeigt.

Vielen Dank.