Samstag, 9. Juli 2011

Noctambule II: Erste Hilfe dank Maurice

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

George kochte vor Zorn. Die ganze Situation hatte ihn überfordert und überrumpelt. Am Meisten ärgerte er sich über sich selbst und seine Fehler, aber ganz entsprechend seiner alten Gewohnheit projizierte er die Wut auf andere.
Zwar hatte er die Nähe von Armand und diesem Sergej gespürt. Aber er hätte sie niemals in diesem Haus erwartet. Im Gegenteil, er war sicher, dass sie an ihm vorbeiziehen würden und ihm aus dem Weg gehen wollten, besonders nach seiner kleinen Auseinandersetzung mit Anya und Sergej.

Zugegeben, die süße kleine Miriam hatte ihn kurzfristig massiv abgelenkt mit ihrer Angst und Abwehr. Um ein Haar hätte er sie gehabt und dem Pärchen damit einen bösen Schlag versetzt.
Mitschuld an allem hatte natürlich auch Batiste. George hatte sich viel mehr von ihm versprochen.
Im Grunde war Batiste tatsächlich der ideale Mitläufer gewesen. Er dachte nicht weiter nach, wollte nicht zu viel Information und lebte in erster Linie zu seinem eigenen Vorteil. Nachdem George Batiste auf dem Boden liegen sah, hatte er ihn von seiner Liste gestrichen. Ob Batiste nun tot oder bewusstlos war, interessierte ihn nicht besonders. Vielleicht verbrannte er, vielleicht konnte er sich retten. Wenn er Batiste wieder sehen würde, konnte er dem Trottel alle möglichen Geschichten aufbinden und hätte wieder einen treuen Gefolgsmann. Wenn nicht, dann musste er eben noch einmal von vorne anfangen. Auf jeden Fall hätte er sich selbst nie für Batiste in weitere Gefahren begeben. Dafür war Batiste zu leicht ersetzbar.
Aber bevor er sich erneut auf die Suche begeben konnte, musste er sich erst einmal erholen. Seine Verletzungen waren ertragbar, aber Sergej hatte ihm ordentlich zugesetzt und eine erstaunliche Wut dabei freigesetzt.
Bisher hatte er Sergej als schlechten Kämpfer eingestuft. Er selbst war auch nicht gerade gerne in Prügeleien verwickelt, aber Sergej war viel zu fair, um auf Dauer ein ernstzunehmender Gegner für ihn zu sein. Das schien sich geändert zu haben. Er durfte Sergej nicht wieder unterschätzen.

Fürs Erste musste sich George in seinen halb abgebrannten Unterschlupf zurückziehen und dort neue Pläne schmieden. Kurz überlegte er sogar, ob er sich nicht einfach weit weg absetzen sollte, irgendwo wo Armand seinen Weg nicht kreuzen würde und dort ein neues Leben aufbauen. Er könnte sich wieder eine Gefährtin suchen oder erschaffen. Mit etwas Geduld könnte er sich auch wieder ein Vermögen aufbauen.
Doch befürchtete er, dass Armand ihn irgendwann doch wieder aufspüren würde. Er beging den großen Fehler, Armand den gleichen Hass zuzuschreiben, den er selbst immer wieder in sich schürte. In letzter Zeit musste er sich sogar manchmal bewusst den Grund dafür ins Gedächtnis rufen. Doch die letzte Niederlage in Florenz schürte seinen Zorn erneut und wenn er schon nicht die Sanghieri bestrafen konnte für seine infame Beseitigung, müsste Armand herhalten. So einfach war das und er würde endlich Ruhe haben.
Mit einem tiefen Seufzen streckte er sich auf seinem improvisierten Lager aus und schloss die Augen, während der Heilprozess endlich einsetzte.


Inzwischen hatte Sergej seine zierliche Last sicher zum Bauernhaus gebracht. Sie hatte das Bewusstsein noch nicht zurückerlangt, worüber Sergej mehr als froh war. Im Laufen hatte er bemerkt, dass ihre Schulter eine unnatürliche Haltung hatte und vermutete, dass der Arm aus dem Gelenk gesprungen war. Besorgt darüber beeilte er sich, im Haus anzukommen.
Atemlos knallte er die Eingangstür auf und erschreckte damit Maurice fast zu Tode, der gerade aus dem endlich aufgeräumten Wohnzimmer kam.
"Guter Gott!" stieß er aus und blieb wie angewurzelt stehen. Sergej schob ihn brüsk zur Seite und marschierte direkt in sein Zimmer, wo er Miriam vorsichtig auf das Bett legte.
"Ich brauche Verbandszeug.. irgendwas Stabiles!" knurrte er den erschütterten Maurice an, der ihm gefolgt war. Während der Butler sich im Haus auf die Suche nach festem Stoff machte, zerriss Sergej ohne weiter nachzudenken ihr Kleid, ließ aber immerhin das Unterkleid in Ruhe, damit sie nicht völlig unbedeckt war.
Der heftige, inzwischen schon dunkelblaue Bluterguss war überdeutlich zu sehen. Vorsichtig begann er die Schulter abzutasten und holte Miriam damit aus ihrer Ohnmacht. Schmerzvoll stöhnend schlug sie die Augen auf und sah ihn verständnislos an. Sergej schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln.
"Du hast dir die Schulter ausgerenkt. Es wird jetzt weh tun." erklärte er knapp. Im gleichen Augenblick packte er mit kundigem Griff zu, es gab ein hässliches Geräusch, das von Miriams Schrei überdeckt wurde. Sie verlor nicht wieder das Bewusstsein, viel schlimmer: sie begann zu weinen. Sergej konnte mit weinenden Frauen schrecklich schlecht umgehen. Sie machten ihn hilflos und ratlos. Er hatte keine Ahnung, wie er sie trösten und beruhigen könnte. Sanft legte er sie zurück und strich über ihre nasse Wange.
"Sscht… schon gut.. jetzt wird es besser." murmelte er und sah dankbar zu Maurice auf, der mit einem Stapel Leinen das Zimmer betrat.
"Ich habe etwas Bettwäsche zerrissen, Monsieur. Besser wäre natürlich Tischwäsche gewesen, weil sie stabiler ist." entschuldigte er sich. Sergej nickte nur einverstanden, nahm hastig einige Streifen und richtete Miriam vorsichtig wieder auf, um ihre Schulter zu verbinden.
"Haben wir etwas da, womit wir die Schulter kühlen können?" fragte er dabei über die Schulter, was Maurice veranlasste, mit zweifelnd gekrauster Stirn erneut auf die Suche zu gehen.
"Was ist passiert? Wo ist Maman? Und wo bin ich hier?" fragte Miriam schluchzend. Sergej seufzte. Die Frage nach ihrer Mutter hätte er gerne erst wesentlich später beantwortet. Behutsam strich er über ihre Haare.

1 Kommentar:

  1. Tja... George ist schon ein Schwachkopf. Er müsste tatsächlich nur davongehen und er würde Armand vermutlich nie wiedersehen. Aber er will ja seine Rache. Das kann einen echt zerfressen.

    Und warum Sergej auf einmal ein guter Kämpfer ist? Fass niemals eines Kerls Mädchen an.... Niemals..... Aber da hat es George ja nicht so mit.

    Nun ist also einmal mehr Maurice gefragt. Das Gehalt für diesen armen Mann kann ja kaum hoch genug sein.

    Aber auf Sergej kommen schwere Zeiten zu. Er muss ihr erklären, was passiert ist. Er muss erklären wer er ist, wer Anya ist, wer Armand ist und er muss ihr den Tod ihrer Mutter beibringen. Arme Miriam.

    Gruß
    Joe

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