Freitag, 29. Juli 2011

Noctambule II: Rückblick - Glück im Unglück

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II


Mit einem Satz war Armand auf den Beinen, doch hatte er das Gefühl, auf Pudding zu stehen, so sehr wackelte der Boden unter ihm. Er stürzte, rappelte sich wieder hoch, stürzte erneut und kroch auf allen Vieren zu seinem Rucksack, den er an sich riss. Wieder stand er auf, um an die Wand gestützt endlich Halt zu finden. Der Lärm um ihn herum war ohrenbetäubend. Doch das war noch lange nicht alles.
Dieses Beben war unglaublich heftig, stärker als alles zuvor. Staub und kleine Steinchen rieselten von der Decke herunter, das Sonnenlicht draußen blendete ihn und brachte die Staubwolke zum Glitzern. Dann brach das Chaos aus. Im Boden bildete sich plötzlich ein immer länger werdender Riss quer durch die Höhle. Mit hektischen Sprüngen rettete sich Armand in den hintersten Teil der Höhle und kauerte sich dort an die Felswand gedrückt auf den Boden.

Dass er den Rucksack schützend über seinen Kopf hielt, rettete ihm das Leben. Nicht nur am Boden entstanden Risse, auch die Decke begann sich zu öffnen. Immer größere Brocken stürzten polternd herunter und trafen auch Armand. Es wurde dunkel um ihn, als wäre die Sonne untergegangen, doch hatte er eher das Gefühl, dass die ganze Welt unterging. Außer dröhnende, Lärm hörte er gar nichts mehr. Der Halt der Wand, an die er sich gekauert hatte, brach weg, als die Höhle einstürzte. Armand fiel seitlich und brüllte auf, als er in die Tiefe stürzte. Den Aufprall eines Steines an seinem Kopf spürte er als stechenden Schmerz, dann verlor er das Bewusstsein.

Armand hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war. Als er aufwachte, spürte er eine drückende Last auf seinem Körper und versuchte vorsichtig, seine Arme und Beine zu bewegen. Sollte er verletzt gewesen sein, hatte er wohl Glück gehabt und lange genug dort gelegen, um sich selbst wieder zu regenerieren. Auch wenn seine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt war, gehorchten ihm alle Muskeln.
Er konnte gut atmen und sein Kopf war frei. Doch umfing ihn tiefe Dunkelheit und nicht einmal seine hochempfindlichen Augen konnten Umrisse erkennen. Vorsichtiges Bewegen löste bereits das Bröckeln von Steinen aus und er konnte spüren, wie die Last auf ihm in Bewegung geriet. Bald hatte er seine Arme so weit befreit, dass er Steinbrocken wegschieben und sich herauszwängen konnte.
Blind tastete er um sich herum und fand zu seiner Erleichterung seinen Rucksack wieder, den er sofort über seine Schulter hängte. Sein Kopf dröhnte noch immer leicht, als er sich bewegte. Vorsichtig richtete er sich zu voller Größe auf, immer darauf wartend, mit dem Kopf an eine Decke zu stoßen. Er hatte keine Ahnung, wo er war, wie tief er gefallen war und ob es einen Ausweg aus dieser Falle gab. Aber er war wild entschlossen, hier nicht elendig zu verrecken.
Seine feine Nase sog frische Luft in die Lungen. Das bedeutete, dass hier irgendwo ein Weg nach draußen sein musste, womöglich nur eine kleine Öffnung, aber ausreichend genug für frischen Sauerstoff. Stolpernd und tastend bewegte er sich vorwärts. Schnell kam er nicht voran. Doch als er über einen großen Felsen klettern musste, dankte er dem Schicksal, dass dieser Brocken nicht auf ihm gelandet war.
Armand kroch gefühlte Stunden über Felsen und Erde. Offenbar stimmte die Richtung, denn immer deutlicher spürte er den kühlen Luftzug. Dass es so abgekühlt war, mochte darauf hinweisen, dass es inzwischen Nacht war. Das wiederum bedeutete, dass Armand sehr lange bewusstlos gewesen sein musste. Dennoch ermüdete ihn die blinde Kletterei allmählich. Er wusste nicht, ob er bergauf oder bergab kletterte oder sich vielleicht im Kreis bewegte.
Die Unsicherheit wurde immer größer und zum ersten Mal in seinem Vampirleben sehnte er sich nach Tageslicht, das ihm einen Weg zeigen könnte. Auch wurde der Durst immer quälender und Hunger breitete sich in ihm aus. Die vergangenen Tage waren extrem anstrengend für ihn gewesen. Schließlich sank er atemlos vom Klettern, Ausrutschen und Festhalten auf eine glatte Plattform und lehnte sich erschöpft an die Wand. Müde schloss er die Augen und beschloss, hier zu warten, bis der Tag anbrechen würde. Noch immer war er nicht bereit, aufzugeben und hier vielleicht Jahrhunderte später als Skelett gefunden zu werden. Er würde heraus kommen! Er wusste nur noch nicht genau, wie. Hätte er nach oben gesehen, wäre ihm das kleine Loch aufgefallen, durch das ein paar Sterne funkelten.

Ein feines Prickeln auf seiner Stirn holte ihn aus seinem erschöpften Tiefschlaf heraus. Doch er wollte die Augen noch nicht öffnen. Er war noch immer müde, träge und erschöpft. Zudem stellten sich prompt wieder Hunger und Durst ein, nachdem er wacher wurde. Aber das Prickeln veränderte sich und begann schmerzhaft zu brennen. Stirnrunzelnd drehte Armand den Kopf, doch dann setzte schlagartig sein Überlebenswille ein und er warf sich mit einem Aufschrei zur Seite.
Fast panisch rollte er über den Boden bis er an der gegenüber liegenden Wand anstieß und sprang auf die Beine. Mit stark verengten Augen starrte er auf den Sonnenfleck, der genau dort den Felsen beschien, an dem er gerade eben noch gelehnt hatte. Das reflektierende Licht blendete ihn, hielt ihn jedoch auch fasziniert gefangen. Licht! Er hatte genau unter einem Zugang an die Oberfläche geschlafen!
Sein Blick wanderte nach oben und sein Gesicht verzog sich vor Freude. Die Öffnung war breit genug, um sich hindurch zu schieben. Der prüfende Blick an den Wänden hinunter bestätigte ihm, dass er es nicht leicht haben würde, die Öffnung zu erreichen. Doch setzte er auf seine Sprungkraft und die Kraft seiner Arme, um sich noch oben zu ziehen. Lächelnd befeuchtete er seine Lippen. Er musste nur noch den Tag über hier ausharren, dann war er frei!
Nun, wo das Tageslicht sein Gefängnis beschien, hatte Armand Muße, sich genauer umzusehen. Er blickte zurück und erkannte, dass er zwar das Gefühl gehabt hatte, die ganze Nacht geklettert zu sein, doch war die Strecke, die er zurückgelegt hatte, erschreckend kurz. Er war das Geröll hinauf geklettert und hatte sogar noch Glück gehabt. Nun erkannte er, dass er rein zufällig in die richtige Richtung gekrabbelt war. Hätte er die andere Richtung genommen, wäre er einen Gang entlang gegangen, der ihn noch tiefer in den Berg gebracht hätte.
Dann stutzte er und verengte erneut die Augen, um schärfer sehen zu können. Sein Blick glitt über die Wände und tastete die Oberfläche genau ab. Um sicher zu gehen, kletterte er ein Stück den Hang hinunter und fuhr mit der Hand über die raue Oberfläche. Seine Finger wanderten über die helle, glitzernde Schicht, die sich wie eine Ader durch das Gestein zog.
Suchend blickte Armand nun nach unten und drehte sich dabei um sich selbst. Dann bückte er sich und hob ein seltsam geformtes, bizarres Gebilde hoch. Die Oberfläche glänzte im Halbdunkel der Höhle teils hell, teils ein wenig rötlich. Der untere Teil war dunkel und rau. Und dennoch begann Armand erst vorsichtig und ungläubig, dann immer breiter zu grinsen. Wieder betrachtete er die Felswand und nickte langsam. Das Schicksal hatte ihn mitten in ein Silbervorkommen geworfen.
Armand würde wieder kommen und das Silber abbauen. Diese Höhle war die Grundlage für seinen zukünftigen Reichtum.

1 Kommentar:

  1. Armand ist doch wirklich ein Kind der Sonne.. äh des Mondes.. ach egal!

    Er versteckt sich vor andauernden Erdbeben in einer Höhle. Und statt das zu tun, was jeder normale mensch tun würde, wenn er drinnen ist, und es bebt, nämlich hoffentlich rauszurennen, verkriecht er sich in den letzten Winkel. Jaaa das Tageslicht hätte weh getan.. Aber die Brocken, die ihn nicht getroffen hatten, hätten noch sehr viel mehr weh tun können.

    Und nun fällt er da zig meter in den Berg hinein. Wird von dankbarer Ohnmacht umfangen und wacht unverletzt auf. Kein Mensch hätte das wohl überlebt.

    Und dann klettert er auch noch in die Richtige Richtung und findet auch noch Silber. Das ist ja schon bald ungerecht. :)

    Liebe Grüße
    Joe

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