Sonntag, 10. Juli 2011

Noctambule II: Schutt und Asche

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

"Du bist bei Armand und mir zuhause. Wir reden später darüber, ich muss erst zu Armand und sehen, ob ich ihm noch helfen kann." erklärte er ausweichend. Miriam riss die Augen noch weiter auf.
"Helfen? Sergej, meine Mutter! Der Kerl hatte meine Mutter!" Sie begann erneut zu schluchzen. In Sergej baute sich Wut auf. George und dieser andere hatten seine Miriam nicht nur bedroht und verletzt, sie brachten sie auch noch zum Weinen! Zu gerne hätte er nun einen von Beiden noch einmal in die Finger bekommen.


"Beruhige dich bitte. Du bist jetzt in Sicherheit." brachte er etwas hilflos heraus, aber Miriam schluchzte dennoch weiter. Dass in diesem Moment Maurice das Zimmer betrat, erleichterte ihn sehr.
"Wir haben leider nicht viel im Haus, Monsieur. Nicht einmal Kühlkugeln. Ich habe diesen Metalldeckel eines Topfes mitgebracht. Er ist recht kalt. Ich könnte noch Essigumschläge machen." entschuldigte er sich. Sergej nickte und drückte einfach den Deckel auf Miriams Schulter.
"Ein Versuch ist es wert." meinte er und schnaufte tief durch. Nun erst fiel ihm auf, dass Maurice ihn interessiert musterte und ihm wurde klar, dass er nicht nur voller Ruß und Schmutz war, sondern auch die eine oder andere Prellung im Gesicht hatte, was auf eine Schlägerei hinwies.
"Darf ich Eure Jacke zum Flicken mitnehmen, Monsieur? Ich habe den einen oder anderen Riss entdeckt. Gott sei Dank an den Nähten, das kann ich persönlich beheben." schlug Maurice zu allem Überfluss vor. Sergej zuckte mit den Schultern und erhob sich wieder.
"Später. Ich will zurück. Armand kann Hilfe brauchen." meinte er lediglich und schaute zu der weinenden Miriam herunter.
"Pass auf sie auf und hilf ihr ein wenig. Wir kommen schnell zurück." versprach er, während seine Hand über ihre Wange strich. Dann verließ er das Haus und spurtete sofort los.

Ganz ohne Last, die er tragen musste, brauchte er nicht lange. Die Dunkelheit unterstützte ihn darin, einfach so schnell wie möglich zu sein und keine Rücksicht auf passierende Menschen nehmen zu müssen, die er erschrecken könnte. Dennoch war er atemlos, als er sich in den Schatten der Häuser drückte und mit zusammengekniffenen Augen die Umgebung und das brennende Haus betrachtete.
Die Feuerknechte waren inzwischen eingetroffen und hatten Ordnung in das Chaos gebracht, so gut es ging. Die Straße vor dem Haus war geräumt worden und endlich versperrte keine Kutsche und kein gaffendes Volk mehr den Zugang. Soldaten der Garde hielten die neugierigen Zuschauer zurückgedrängt in Schach, indem sie breitbeinig eine dichte Kette gebildet hatten, durch die kein Durchkommen möglich war.
Das Feuer hatte reichlich Nahrung gefunden und blendendes Licht schien auf die Straße. Als Sergej ankam, ertönte gerade ein ächzendes, knarrendes Geräusch, was Alarmrufe auslöste. Sekunden später brach eine Decke im Erdgeschoss ein und dichter Funkenflug wurde von noch dichterem Rauch verfolgt. Unmittelbar danach fauchte das Feuer durch die bessere Sauerstoffzufuhr noch lauter.
Holz knackte, Glas zersplitterte, Funken knisterten und Löschwasser trag zischend auf die Flammen. Der Lärm war ohrenbetäubend. Sechzehn Männer arbeiteten an der Pumpe des Löschwagens, um das Wasser durch das lange Holzrohr auf den Brand zu richten, aber sie schienen nur winzige Erfolge zu erzielen. Ihre größte Sorge war es längst nicht mehr, das Haus zu retten. Ihnen ging es in erster Linie darum, zu verhindern, dass das Feuer auf die anderen Häuser übersprang.
Verheerende Brände hatten die Stadt bereits oft genug verwüstet. Der Stadtrat gab Unsummen dafür aus, bessere Brandschutzmaßnahmen zu finden. Hier bei diesem Brand hatte der Löschmeister klug entschieden.
Das Haus war verloren. Man konnte zwar versuchen, immer wieder den Brand einzudämmen, aber er feuerte seine Männer immer wieder an, die Nebengebäude nass zu halten und dabei möglichst nicht auf die zerbrechlichen Fenster zu zielen.
Das alles interessierte Sergej nicht. Verzweifelt hielt er Ausschau nach seinem Freund. Aber selbst seine mentale Suche nach Armand brachte kein Ergebnis. Entweder war Armand schwer verletzt oder er lebte bereits nicht mehr. Einen anderen Grund konnte Sergej nicht finden.
Zutiefst besorgt und die Stirn in schwere Falten gezogen machte er sich auf den Heimweg.

4 Kommentare:

  1. Es gab damals Kühlkugeln? Wie waren die denn gemacht? *recherchier*

    Ich bin erstaunt, wie funktionierend damals schond ie Feuerwehr war. Spritzen und sogar ein Verständnis für Brandausbreitungsbekämpfung. Man unterschätzt die frühe Neuzeit immer wieder.

    Aber jetzt muss er warten der arme Sergej. Nur einen Vorteil hat das ganze. Wenn er ihn nicht finden kann, kann George es auch nicht. Und Armand wird sich da im Vorgarten der Dubres schon noch auskurieren. 30 Stunden? Da muss doch in Hörweite mal irgendein Wort über Anya verloren werden. Wetten, dass er dann wieder ganz schnell gesund ist? :)

    LG
    Joe

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  2. Ja, es gab Kühlkugeln. Allerdings meistens nur für die reichen Häuser und dennoch waren sie recht selten.

    Kühlkugeln bestanden aus Bergkristallen, die man in runde Formen geschliffen hatte. Es herrschte die verbreitete Meinung, dass Bergkristalle versteinertes Eis seien und man legte sie in Rosenwasser, um ihre kühlende Kraft zu aktivieren. Dann hielt man sie in den Händen oder auf die Augen - leider wohl nie so richtig effektiv, aber der Glaube daran war wohl das eigentliche Heilmittel.
    In Miriams Fall hätten diese Kühlkugeln auch nicht besonders gut geholfen, vermute ich.

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  3. Also das mit den Kühlkugeln wusste ich auch nicht :) Aber dafür bin ich jetzt um einiges schlauer....Und wie Joe schon gesagt hat, die "Feuerwehr" hatte damals schon denke ich einiges zu tun und dennoch irgendwie darauf vorbereitet. Es wird von Tag zu Tag spannender und ich zähle die verstrichenen Stunden, wann endlich ein neues Kapitel online ist.....Ich komme nicht mehr weg von Noctambule und will es auch gar nicht mehr!!!

    Lg LuLu

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  4. Hallo Lulu :)

    Ich hoffe aber, du hättest dann im Kommentar auch gefragt, was Kühlkugeln sind! Dafür ist ein Kommentar nämlich auch da :) Auch Fragen oder Dinge, die einem irgenwie komisch vorkommen, helfen uns weiter.
    Ich freue mich, dass es dir immer noch gut gefällt. Viel Spaß weiter und nicht mit Fingernägelkauen anfangen ;)

    Liebe Grüße
    KayGee

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