Donnerstag, 21. Juli 2011

Noctambule II: Fragen über Fragen

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

Armand war ziemlich erschöpft, als er endlich den alten Bauernhof erreicht hatte. Unterwegs hatte er einen Stock gefunden, der ihm als Krücke diente und so wenigstens ein bisschen Erleichterung verschaffte. Es würde wohl noch einen Tag dauern, bevor er seine Beine wieder gewohnt einsetzen konnte. Das warf ihn mächtig in seiner Suche nach Anya zurück und machte ihn zornig.

Nur in Sergejs Zimmer schimmerte Kerzenlicht, was Armand darauf schließen ließ, dass Maurice bereits zu Bett gegangen war. Das war ihm ganz Recht. Er humpelte zu Anyas Zimmer und öffnete es hoffnungsvoll. Aber es hatte sich nichts verändert. Anya war nicht zurückgekehrt. Seufzend ging er weiter zu Sergejs Zimmer und klopfte leise an. Vermutlich lag Miriam auch dort. Er hoffte, dass Sergej ihn bereits kommen gehört hatte und wusste, wer dort vor der Tür stand.
So war es auch. Sergej öffnete die Tür und ließ Armand einen Blick auf die schlafende Miriam werfen, bevor er ihn hinaus drängte.
"Wir müssen reden." raunte er mit einem begrüßenden Nicken und zog die Tür hinter sich zu. Er hatte die Kerze mitgenommen und schirmte sie nun mit der Hand ab, damit das Licht nicht beim Gehen ausging. Armand folgte ihm ins Wohnzimmer und sank erschöpft auf das Sofa. Sergej stellte die Kerze hin und setzte sich vorsichtig in den reparierten Sessel.
"Maurice kann wohl alles." grinste er und betrachtete den Sessel skeptisch. Doch er hielt.
"Was war das gestern?" fragte Armand ohne Umschweife. Er zog sein Bein auf das Sofa und streckte es ächzend. Beim Befühlen konnte er spüren, dass die Knochen beinahe regeneriert waren. Bänder und Sehnen waren wieder stabil. Sergej beobachtete ihn dabei und machte es sich bequem.
"Ich habe keine Ahnung. Warum ausgerechnet Miriams Haus? Und warum genau an diesem Abend? Ich habe keine Ahnung, wer dieser Schläger war." Armand winkte ab.
"Unwichtig. Der ist tot." murrte er nachdenklich.
"Ich denke nicht, dass der unwichtig war. Ich war viel zu abgelenkt durch den toten Comte um zu spüren, dass da ein unbekannter Vampir war. Aber im Nachhinein bin ich sicher, dass ich ihn bemerkt hatte. Ich habe nur alles unterschätzt." Armand musterte seinen Freund gedankenverloren. Auch er fragte sich, warum er weder George noch den Fremden als nahe Gefahr erkannt hatte. Aber soviel er auch nachgedacht hatte, er fand keine Antwort.
"Vielleicht hat George den irgendwo aufgegabelt. Der machte nicht den Eindruck, besonders helle zu sein. Sicher hat er George geglaubt. Wir wissen, wie überzeugend er sein kann." Sergej kratzte sich am Kinn.
"Oder er hat ihn erschaffen. Nach dem, was ich so am Rande mitbekommen habe, hatte der die menschlichen Schlägertechniken sehr gut drauf. Besser als seine vampirischen Reflexe. Und was macht man in einem Kampf? Man setzt das ein, was man am Besten kann." Armand blinzelte. Darüber hatte er nicht nachgedacht. Aber Sergej hatte Recht! Wenn er den Kampf im Rückblick betrachtete, dann hatte dieser Typ jede Technik angewandt, die ein Schläger brauchte.
"Das würde zu George passen. Sich einen Kerl holen, der skrupellos und blöd genug für alles ist. Bleibt die Frage, warum ausgerechnet dieses Haus." stimmte er Sergej zu. Dieser wog den Kopf nachdenklich hin und her.
"Ich vermute, dazu müssen wir George selbst fragen. Mir fällt einfach keine Antwort ein. Übrigens.." er grinste seinen Freund herzlich an.
"Schön, dass du lebst! Du hast dich so abgeschottet, dass ich dich einfach nicht finden konnte. Dachte schon, du bist nun Asche." Armand grinste leicht.
"Mach dir keine Hoffnungen. Wir sollten uns komplett abschotten. Anya weiß wo wir sind und selbst wenn nicht, kann sie uns nicht aufspüren. George schon." Die beiden verfielen in brütendes Schweigen. Armand beendete es schließlich wieder.
"Was ist mit deiner Kleinen?" erkundigte er sich. Sergej schnaufte und wirkte nicht gerade froh darüber, dass Armand nachfragte.
"Sie schläft. Ich habe ihre Schulter wieder eingerenkt. Sie steht unter einem bösen Schock." Armand nickte und fuhr sich müde durch die Haare.
"Kein Wunder nach alldem."
"Naja." druckste Sergej. "Sie weiß auch, was wir sind. Das hat sie wohl ein wenig von ihrer Trauer abgelenkt." gestand er. Armand warf ihm einen missmutigen Blick zu, ließ aber nicht erkennen, ob Sergejs geschickte Formulierung dazu führte, dass er glauben könnte, sie habe das bei den Kämpfen bemerkt.
"Und jetzt? Umbringen, verwandeln oder hält sie dicht?" fragte er gelassen. Sergej hob die Lider und musterte seinen Freund verblüfft.
"Ich weiß es noch nicht. Sie hatte das Bewusstsein noch mal verloren. Ich habe Maurice mit der Pflege und Überwachung beauftragt und war so frei, dein Bett zu benutzen. Als ich aufwachte, schliefen beide schon wieder oder noch oder was weiß ich." Armand nickte nur kurz. Das Ganze war sehr unbefriedigend.
"Ich habe keine Ahnung, wo ich Anya suchen soll." schnaufte er und schlug mit der Faust in das weiche Polster des Sofas. Sergej rieb sich das Kinn.
"Naja, sie kann inzwischen schon weit weg sein. Ich habe darüber nachgedacht. Wohin sollte sie gehen? Zurück nach Paris? Zu wem dort? Und wohin sonst? Das einzige, was mir logisch erscheint wäre Florenz. Da weiß sie, dass eine Familie lebt und in so einer Situation braucht sie wohl sicher eine Frau." Armand hob den Kopf und musterte Sergej nachdenklich.
"Auch auf die Gefahr hin, dass die Sanghieri nicht gut auf sie zu sprechen sind?" fragte er zweifelnd. Sergej winkte ab.
"Wenn der Alte noch lebt, macht das nichts. Und außerdem ist sie schwanger. Kein anständiger Vampir vergeht sich an einer Schwangeren. Die sind zu selten und extrem kostbar. Jeder Vampir wird sie vorsichtig auf Händen tragen." erklärte er. Armand überlegte eine Weile. Anya konnte das nicht wissen. Aber es wäre logisch, wenn sie Schutz dort suchen würde. Wenn sie wirklich schwanger war. Er konnte das noch nicht glauben.
Ihre plötzliche Ohnmacht verwirrte ihn. Er hatte keine Ahnung, was bei schwangeren Frauen passierte, aber ein Vampir besaß genug Heilkräfte, um nicht einfach so ohne weiteres umzukippen, weil der Kreislauf versagte. War das bei schwangeren Vampirfrauen anders? Oder lag das an ihrer schwierigen Verwandlung? Er blieb ratlos und verärgert, in dieser Situation so hilflos zu sein.
Er hatte nicht gerade wirkliche Lust, zurück in diese Stadt reisen zu müssen. Die Erinnerungen waren nicht gerade gut, aber immerhin hatte George seinen Plan verfehlt und würde dort nicht so schnell auftauchen. Ihm wurde bewusst, dass er begonnen hatte, George aus dem Weg zu gehen und diese Tatsache verärgerte ihn. Er war noch nie einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. George taugte nichts und war schwächer als er. Allerdings auch hinterhältiger.
"Also auf nach Florenz." seufzte er ergeben und ließ den Kopf mit geschlossenen Augen zurückfallen. Erst einmal ausruhen. Er würde diese Reise nicht überstürzen können. Eine Jagd vorher war dringend notwendig.

1 Kommentar:

  1. Florenz? Ihr zwei seid doch vollkommen PlemPlem...

    Die Stadt aus der sie mit Müh und Not davongekommen sind, soll sie jetzt als Zuflucht missbrauchen? Unerfahren in vampirischem Reisen soll sie viele hundert Kilometer alleine schaffen?

    Das kann nicht euer Ernst sein.

    Hoffentlich gibt es ein Zeichen bevor die beiden aufbrechen. Und hoffentlich geht Anya George aus dem Weg. So sehr kann sie doch gar nicht verzweifelt sein. Seit so langer Zeit lebt sie mit Armand und ein fragender Blick hat gereicht um dieses so innige Verhältnis zu zerstören?

    Ach verdammt... :(

    Gruß
    Joe

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