Freitag, 22. Juli 2011

Noctambule II: Gut für George

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule Band Zwei. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule II

George streckte sich gähnend und bleckte dabei seine beachtlichen Zähne. Die Nacht war noch jung und es war an der Zeit, sich nach Beute umzusehen und gleichzeitig nach einem würdigen Nachfolger für Batiste zu suchen.
Außerdem gedachte er, seine Kleidung in eine Wäscherei zu bringen, nachdem er sich frisch eingekleidet hatte. Sein Unterschlupf war noch nie elegant gewesen und auch keine feine Adresse. Ein kleines, baufälliges Haus mitten im Arbeiterviertel war genau das Richtige für ihn.

Es kostete nicht viel und hier waren die Menschen so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie keine Zeit hatten, sich besonders um ihre Nachbarn zu kümmern.
Er galt als zurückgezogen lebender seltsamer Kauz und das amüsierte ihn. Er legte noch immer Wert auf gute Kleidung und ein gepflegtes Äußeres und nun, nach einer ausgiebigen Ruhezeit hatte er sich ebenso ausgiebig um gründliche Körperpflege bemüht. Er fühlte sich fit, erholt und ziemlich hungrig.

Sein Weg führte ihn durch die stiller werdenden Straßen Richtung Hafen. Dort herrschte immer Betrieb und reges Treiben. Die Bordelle waren überfüllt, die Kneipen nicht weniger. Betrunkene Männer torkelten an ihm vorbei, teilweise gestützt von schrill lachenden Huren, die nur darum bemüht waren ihre Freier so lange wach zu halten, bis sie gezahlt hatten. Viele von den Männern würden einschlafen, bevor es zu mehr kommen konnte.
Die Huren pflegten dann einige Minuten zu warten, dann ihre Freier rüde zu wecken und hinauszuwerfen. Wenn sie nicht gehen wollten, wurden die Wirte gerufen, die meist schon durch ihre massige Statur beeindruckten, aber auch nicht zögerten, einen unwilligen Gast am Kragen zu packen und auf die Straße zu werfen.

Anfangs war George abgestoßen gewesen von diesem Gesindel. Inzwischen aber amüsierte es ihn. Er fühlte sich abgehoben und den Menschen weit überlegen. Für ihn spielten sie wie ahnungslose Kinder direkt vor einer lauernden Gefahr, versuchten ihr armseliges Leben Abend für Abend mit Alkohol, Wetten und Boxkämpfen zu verschönern und wussten nicht das Geringste darüber, wessen hungrige Augen sie musterten.
Er hatte recht schnell herausgefunden, welche der Nutten am skrupellosesten vorging, wenn es darum ging, einen Freier zu prellen. Ab und zu nahm er sich eine der Frauen, holte sich eine Runde harten Sex und tötete die Frau dann in aller Ruhe. Er fühlte sich dann wie ein Racheengel, der ja nur die Bösen ausmerzte und die armen Männer rächte.

Immer wieder lauschte er Gesprächen von zusammen sitzenden Seeleuten, die frisch angekommen waren und sich gegenseitig auf den aktuellen Stand der Geschehen in der Stadt brachten. So erfuhr er rasch, dass die Mordserie nur kurz unterbrochen gewesen war und man nun besonders im Hafen immer wieder neue Opfer fand. George amüsierte es, dass keiner der Seeleute wusste, wie nah der Mörder ihnen war.
Mit wachsender Eigenliebe erfuhr er, dass man noch immer kein Täterprofil hatte und kein Schema in den Morden entdeckte. Die Gerüchteküche brodelte. Von einem brutalen und geisteskranken Serienkiller bis hin zu unheimlichen Monstern, Teufeln, Dämonen war alles vertreten, man sprach sogar von Werwölfen.
Auf einen Vampir kam aber nicht ein Einziger unter den Entwicklern der Gerüchte. Noch immer hingen im Volksglauben mit einem Vampirbiss zwei kleine Einstiche am Hals zusammen. Als ob das einem Vampir reichen würde, um genügend Blut zu saugen! Das war lächerlich!

Georges Hochstimmung sank bei seinen Wegen durch das Hafenviertel. Er entdeckte reichlich drahtige oder kompakte Männer, durch die Bank weg muskulös. Den meisten merkte er auch sofort an, dass sie nicht hinterfragen würden, was er ihnen sagen würden, aber entweder waren sie betrunken oder aber ihnen fehlte einfach die brutale Skrupellosigkeit, die Batiste ausgezeichnet hatte.
Die Suche gestaltete sich nicht so einfach, wie er erwartet hatte.
Doch als er den Hafen selbst erreichte und die Straße direkt an den Kais betrat, blieb er jäh stehen und zog sich in den Schatten der Häuser zurück. Die Straße hätte breit genug für zwei Fuhrwerke sein können, wäre nicht die dem Wasser zugewandte Seite restlos mit riesigen Kisten zugestellt. Drei Schiffe waren gleichzeitig am entladen. Schwitzende Männer wuchteten Stoffballen, Kisten oder Fässer auf die Schultern, Befehle und Anfeuerungen wurden laut gebrüllt, irgendwo krachte ein Stapel polternd um.
Kutscher fluchten und beschimpften die Arbeiter, weil sie den Weg behinderten und ihre Fuhrwerke nicht durch kamen, Frauen standen auf der anderen Seite und lockten bereits mit zurufen und anzüglichen Bewegungen. Unzählige Fackeln warfen wilde Schatten, Pferde wieherten und Schimpfkanonaden erhöhten den Lärmpegel.
In diesem Chaos hatte George eine Figur ausgemacht, mit der er ausgerechnet hier nie gerechnet hätte. Die junge Frau hatte ihm halb den Rücken zugewandt und schien gebannt den Trubel der Straße zu beobachten. Ihre blonden Haare waren zu einem festen Zopf zusammengebunden und ihr zierlicher Körper, den er so sehr genossen hatte, verschwand unter dem langen Umhang. Am verblüffendsten fand er jedoch, dass sie barfuß dort stand. Sofort stieg Erregung in ihm auf.
Eine Frau mit nackten, schmutzigen Füßen vermittelte ihm eine verarmte, heruntergekommene und hilflose Frau und genau das war es, was bei George nicht nur den Puls in die Höhe trieb. Er verzog sein Gesicht zu einem bösen Grinsen, verdeckte aber seine Zähne schnell wieder mit den Lippen. Das tiefe Knurren konnte er aber nicht unterdrücken. Anya war ihm direkt in die Arme gelaufen. Und so sehr er sich auch umsah, konnte er weder Armand noch Sergej in ihrer Nähe entdecken.

1 Kommentar:

  1. George als Racheengel. Wenn man es nur oft genug wiederholt kann man sich scheinbar alles einreden. :)

    In Marseille glaubt man also an alles, außer einem Vampir? Na dan werden sie noch lange brauchen um die Mordserie aufzuklären. George besitzt also weiterhin nicht die Feinheit, dafür zu sorgen, dass man seine Opfer nicht findet.


    Anyaaaa!!!! Lauf weg. Oder gib George gleich was er verdeint. Eine kräftige Tracht Prügel! Das kann doch nicht dein Ernst sein, dass du diesen Kerl tatsächlich treffen willst? *seufzt*

    Ich hoffe nur, dass geht gut aus für die Arme.

    Gruß
    Joe

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