Montag, 10. Januar 2011

Noctambule: Rückblick - Seltsame Unruhe

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Rom 1268

Armands nächtliche Streifzüge dienten neben der Jagd auch der Beschaffung von Informationen. Gerüchte, Kneipendiskussionen und gezieltes Belauschen von Gesprächen hielten ihn auf dem Laufenden, was in der Welt geschah. Die verschiedenen Kriege, Schlachten und Gemetzel, die in Europa stattfanden, waren immer wieder Grundlage für Heldengeschichten von Heimkehrern. Besonders die Geschichten aus dem letzten Kreuzzug und Gerüchte um einen möglicherweise neuen Kreuzzug hielten die Gemüter erhitzt und brachten Armand auf eine neue Idee.


Er hatte genug von dem Stadtleben. In regelmäßigen Abständen musste er umziehen, das einsame Leben enthielt wenig Würze und Abwechslung. Spontan hatte er beschlossen, selbst auf Reisen zu gehen. In den Nächten war er französischen Rittern gefolgt, die sich Karl von Anjou verpflichtet hatten und bei Rom zu ihm gestoßen waren.
Die Schlachten hatten Armand reiche Beute ermöglicht. Das Adrenalin der kämpfenden Männer war hoch, die Anstrengung der Kämpfe würzte ihr Blut mit frischem Sauerstoff und die Leichen waren ohne besondere Untersuchungen einfach zu den übrigen der Schlachtfelder geworfen und verbrannt worden.
Zwei Jahre lang hatte Armand sich damit vergnügt, das Land und die Gebräuche zu erkunden und unter den mitreisenden Frauen immer wieder ansprechende Beute gefunden, die sich mit Vergnügen hingegeben hatte, nachdem er die von Adaliz gelernten Fähigkeiten der mentalen Suggestion ausgebaut hatte.
Inzwischen fühlte er sich wie ein einsames aber unschlagbares Raubtier in einem Meer von wehrloser Nahrung. Zwar behielt er seine Vorsicht bei, denn die Menschen waren stets misstrauisch und zurückhaltend Fremden gegenüber. Doch war ihm mittlerweile klar, dass allein seine Erscheinung bereits eine magische Anziehungskraft ausübte und die natürliche Achtsamkeit der Menschen außer Kraft setzte.

Nun hatte sich das Schlachtfeld aufgelöst. Die Ritter sammelten sich für einen neuen Kreuzzug gen Osten und Armand musste eine Entscheidung treffen, wohin seine nächsten Wege ihn führen würden. Aber zuerst wollte er Rom einen Besuch abstatten.
Die riesige Stadt würde ihm mit Sicherheit genug Neues bieten, das die Eintönigkeit seines Lebens vertreiben könnte.
Vor den Toren Roms wählte er ein abgebranntes Gut als vorläufige Unterkunft, um in den verlassenen Mauern des alten Weinkellers der heftig brennenden Sonne am Tag zu entgehen.
In den Jahren des Streunerns hatte Armand gelernt, sich mit Wenigem zu begnügen. Er streckte sich erschöpft auf seinem harten Lager aus und war bereit, schnell in seinen leichten Schlaf hinüber zu dämmern, aus dem er jederzeit bei Gefahr hochjagen konnte.
Aber es ging nicht. Ein seltsames Unwohlsein befiel ihn, drückende Unruhe ließ ihn sich hin und herwälzen und unerklärliche Angst befiel ihn. Immer wieder schreckte er mit dem Gefühl drohender Gefahr hoch, aber seine empfindlichen Sinne konnten keine Gefahr in seiner Umgebung aufspüren.
Schließlich sprang er ungeduldig von seinem Lager auf und rannte wie ein gefangener Tiger in den Kellergewölben herum. Aber auch das hielt er nicht lange aus. Sein Herz raste, kalter Schweiß stand ihn auf der Stirn und neben dem Gefühl, sofort fliehen zu müssen quälte ihn der Drang, den Grund der unsichtbaren Gefahr zu ergründen.

Als er schließlich fast kopflos hinaus stürmte, prallte er mit einem schmerzlichen Aufschrei wieder zurück. Die brütende Sonne hatte noch nicht einmal ihren Höchststand erreicht, aber sie ließ die Luft flimmern und brannte entsetzlich auf seiner Haut. Stöhnend floh er zurück in den Schatten und rang nach Luft. Es half nichts, trotz der Hitze musste er seinen bodenlangen Umhang mit der Kapuze überwerfen, um sich vor dem Sonnenlicht zu schützen.
Hastig rannte er im schnellsten Tempo, zu der er fähig war durch den schattigen Wald. Sein Verstand schrie in ihm, sofort umzukehren und diesen wahnwitzigen Ausflug zu beenden. Er tat es nicht. Und er wusste nicht einmal, wohin es ihn trieb. Bis er die entsetzlichen Schreie hörte.

1 Kommentar:

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