Sonntag, 30. Januar 2011

Noctambule: Rückblick - Nefandii

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Ungarn 1319

Sie waren nachts gewandert und ruhten tagsüber im tiefen Schatten des Waldes versteckt unter ihren Mänteln, die sie vor dem Tageslicht zusätzlich schützten. Sergej hatte Armands Zweifel über diese Reise abgewunken. Seiner Meinung nach war die Entfernung nach Rom groß genug und die Nachrichtenübermittlung zu träge, als dass man ihnen hier gefährlich werden konnte.
"Und wen interessiert schon ein Sergej Komarov? Sei nicht so übervorsichtig, das ist Familie, da will man sich doch kennenlernen!" verkündete Sergej gut gelaunt.


Je tiefer sie in das Tal gekommen waren, das Milan beschrieben hatte, desto deutlicher spürte Armand die zahlreiche Gegenwart anderer Vampire.
Auch sie mussten ihn wahrnehmen. Unbekannte Emotionen überfluteten Armand und er begann, sie abzublocken, um nicht aus der Entfernung bereits gelesen zu werden wie ein offenes Buch. Sergej grinste vergnügt.
"Schön abschotten! Vergiss nicht, die sind erfahrener als du!" mahnte er fröhlich und spazierte im entspannten Schritt auf das Schloss zu, dessen Silhouette sich nun düster gegen den Nachthimmel abhob. Armand schaute nach oben. Es wirkte wie ausgestorben. Dennoch warteten dort mindestens 20 Wesen und lauerten auf ihr Erscheinen.
Armand konnte sie deutlich spüren. Nicht nur, dass ihm Emotionen entgegen rollten wie Wellen, sie unterschieden sich je nach Individuum so stark, dass er die ungefähre Anzahl einschätzen konnte. Zorn, Angriffslust, Abwehr, Neugier, Hinterlist, Skrupellosigkeit und Argwohn prallten gegen ihn, dass es ihm kurz die Luft raubte.
"Das ist nicht gut! Es sind viele. Und sie sind nicht gut gelaunt." raunte er seinem Freund zu. Sergej nickte.
"Ich fühle es auch. Aber das ist gut. Es sind Nefandii. Kein Wunder, dass sie so abgelegen wohnen." Armand warf ihm einen erschreckten Blick zu.
"Nefandii? Was bedeutet das?"
"Die sind wie wir. Die haben was auf dem Kerbholz. Banditen sozusagen. Ausgestoßene! Vampire, die die Familien meiden, weil sie etwas zu verbergen haben!" Diese Worte machten Armand nicht gerade sorgloser. Er gehörte nicht hierher. Er fühlte sich nicht wie ein Verbrecher. Zwar hatte er wohl die wichtigste Regel gebrochen und auch in seinem Gerechtigkeitssinn war er ein Mörder. Aber kein skrupelloser Bandit. Er bereute seine Tat. Musste er nun doch umdenken?
Niemand begrüßte sie am Tor, das am Ende einer Zugbrücke immerhin halb offen stand. Armand hielt sich dicht neben Sergej. Er war aufgeregt und nervös. Sein Freund hingegen war das nicht. Er marschierte scheinbar unbeeindruckt durch das Tor in den Gang dahinter, der völlig dunkel vor ihnen lag und in dem sich die Schritte der beiden doppelt so laut anhörte.
Armand hatte nicht das Gefühl, besonders freundlich willkommen geheißen zu werden. Skeptisch und misstrauisch sah er sich um. Die waren doch garantiert alle versammelt! Aber wo steckten sie?
Am Ende des Gangs öffnete sich ein Innenhof. Ratlos blieben die Beiden stehen und sahen sich um. "Wenn wir wieder gehen sollten, hätten sie uns spätestens hier abgebremst. Haben sie aber nicht." kombinierte Sergej fröhlich und deutete grinsend mit dem Kinn nach vorne. Als Armand genauer hinsah, erkannte er im Schatten jemanden, der sich nun daraus löste und hervortrat.
Er wirkte älter als Sergej und Armand. Seine Gestalt war kompakt und muskulös. Seine langen Haare fielen frei über die Schultern herunter und sein blasses Gesicht wirkte durch die hohen Wangenknochen und den leicht aggressiven Ausdruck grob. Wortlos nickte er den beiden Männern zu und winkte ihnen ihm zu folgen. Die Zwei warfen sich einen kurzen, fragenden Blick zu und betraten hinter dem Mann einen großen Saal.

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