Donnerstag, 13. Januar 2011

Noctambule: Das etwas andere Halsband

Dies ist ein Kapitel aus KayGees Noctambule. Für eine Inhaltsübersicht zu bisherigen Inhalten schaut doch bitte hier: Inhaltsübersicht Noctambule


Marseille 1748

Der große Tag verursachte bei Anya Herzklopfen. Bei dem morgendlichen Spaziergang erhielt sie noch ein paar Tipps von Miriam.
"Du darfst auf keinen Fall knicksen. Die Herren werden dir die Hand küssen. Nicht richtig, sie hauchen nur darüber. Sei die Königin wie bei Lechaivre vor ein paar Tagen, das war richtig prima!" Sie kicherte vergnügt.
"Zeig mir mal, wie du mit dem Fächer umgehst. Naaheeeeeein!! Nicht so!! Um Himmelswillen! Kleine, kurze Bewegungen! Elegant, ein bisschen schnippisch, schau!" Sie spielte fröhlich mit dem Fächer, verdeckte ihre untere Gesichtshälfte und kokettierte mit den Augen. Anya schüttelte lachend den Kopf.
"Das kann ich nicht! Ich bin nicht so wie du!" Zur Strafe erhielt sie einen mahnenden Klapps mit dem Fächer.


"Dann wedle damit wenigstens nicht so herum, als wäre er ein Tischtuch!" Und so ging es weiter. Das Ordnen der Kleider beim Hinsetzen und vor einem Herzog müsse man aber sehr wohl knicksen, sonst aber vor keinem. Zum Abschied drückte Miriam ihr mit leuchtenden Augen einen Kuss auf die Wange.
"Ich freue mich auf heute Abend! Mach einfach, was ich tue, ich helfe dir, ja?" Ihre Absicht, Anya zu beruhigen, hatte die gegenteilige Wirkung. Nun war sie erst Recht nervös.
Bereits am späten Nachmittag erschien Armand auf der Bildfläche und unterbrach ihre Übungen am Klavier, um mit ihr gemeinsam einen Tee zu trinken. Und da er den Aufwand einer Frau kannte, sich einzukleiden, begleitete er sie mit amüsiertem Schmunzeln in ihr Zimmer, um ihr dort zu helfen.
Zu ihrer großen Freude war dieser Abend Anlass genug für ihr elegantes, dunkelrotes Abendkleid aus kostbarer Atlasseide. Armand zauberte mit einem kleinen Schmunzeln ein neues Unterkleid hervor, dessen Dekolletee so kunstvoll verziert war, dass Anya die Luft anhielt. Ihr Reifrock hatte bereits die modische schlankere Form, die ihre zierliche Taille noch deutlich betonte aber nicht mehr so schrecklich ausladend war. Fasziniert betrachtete Anya die weichen Faltenwürfe des glänzenden Stoffes.
"Ich werde mich selbst umziehen. Ruf bitte Francoise, damit sie dir bei deiner Frisur helfen kann." raunte Armand ihr zu und verschwand durch die Seitentür. Anya ließ die Küchenhilfe gern kommen. Die junge Francoise hatte eine geschickte Hand bewiesen, wenn es darum ging, Anyas blonde Haarpracht in eine Hochsteckfrisur zu verwandeln.
Als Armand zurückkehrte, saß Anya vor dem Spiegel ihres kleinen Frisiertisches und ordnete ein paar Strähnen, die Francoise frei gelassen und zu zierlichen Locken geformt hatte. Armand blieb einen Moment stehen und genoss den Anblick der kleinen Frau. Wie zierlich und zerbrechlich sie wirkte! Hingerissen erkannte er das aufgeregte Funkeln in ihren blauen Augen. Noch während er in ihren Anblick versunken war, entdeckte sie ihn durch den Spiegel. Ihr Gesicht hellte sich freudig auf.
"Armand!" hauchte sie. Francoise sank sofort in einen artigen Knicks. Nach einem fragenden Blick zu Anya, den diese nickend erwiderte, huschte sie still aus dem Raum. Sie schien jedes Mal froh zu sein, Armand aus dem Weg gehen zu können.
Anya betrachtete Armand durch den Spiegel. Er hatte seine Tageskleidung mit einer eleganten Abendgarderobe vertauscht. Die schwarze Kniehose war aus der gleichen glänzenden Seide wie Anyas Kleid und ebenso wie ihr Stoff war seine Hose frei von verschnörkelten Zierstickereien, die noch immer hoch im Modekurs standen. Seine Jacke – oder besser sein Rock – war ebenfalls schwarz und lediglich die Ränder an Ärmeln und Revers waren mit mattschwarzen Stickereien versehen. Die Schöße hatten exakt die gleiche Länge wie seine Hose. Armands Schneider musste zu den Besten gehören.
Sie wollte sich zu ihm umwenden, aber er war blitzartig hinter ihr und bremste ihre Bewegung ab. Seine Hände legten sich auf ihre nackten Schultern und streichelten ihre zarte Haut.
"Du bist wunderschön, kleine Anya." Seine Stimme hatte ein kleines Schnurren, was sie errötend lächeln ließ. Mit großen Augen schaute sie durch den Spiegel zu ihm auf und spürte, wie seine Fingerspitzen streichelnd zu ihrem Hals gingen. Vorsichtig begann er, ihr Halsband zu öffnen. Anya hielt den Atem an. Ihr Blick wurde unsicher. Zaghaft legte sie ihre Finger an das warme Leder. Er schüttelte lächelnd den Kopf.
"Heute wirst du es nicht tragen. Das wäre ein Stilbruch, den nicht einmal ich befürworten würde." raunte er leise. Das Halsband verschwand. Anya betrachtete ihren schlanken Hals, der ihr auf einmal erschreckend nackt vorkam. Die Finger seiner linken Hand umschlossen ihren schmalen Hals fast komplett und hielten sie so. Anya genoss das Gefühl und schloss die Augen mit einem kaum sichtbaren Lächeln an den Mundwinkeln.
Sekunden später riss sie ihre Augen aber wieder auf, denn etwas kühles berührte ihre Haut. Blinzelnd starrte sie auf ihr Spiegelbild, während Armand eine Perlenkette anlegte und sie geschickt schloss. Fassungslos schnappte sie nach Luft. Noch nie hatte sie Schmuck besessen oder getragen. Bei ihren Herrinnen hatte sie die funkelnden Edelsteine zwar ob deren Schönheit bewundert, aber die Damen hatten sich stets so mit Schmuck überladen, dass die einzelnen Schönheiten nicht mehr zur Geltung kamen.
Und nun sollte sie diese kostbare Kette tragen? Eine Gänsehaut rieselte über ihren Körper. Die Perlen hatten einen unglaublich seidigen Glanz und mussten lupenrein sein. Armand streichelte wieder ihre Schultern.
"Dieses Halsband finde ich heute Abend angemessen." erklärte er und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen.
"Ich.. ich weiß nicht.. was ich sagen soll." stammelte Anya noch immer fassungslos. "Sie ist.. wunderschön." Armand grinste kurz, was seine Eckzähne aufblitzen ließ.
"Ich finde, das reicht schon. Mehr musst du dazu nicht sagen. Du wirst später genug dafür schreien." Anya lächelte leicht konfus. Zu der Freude über die Kette gesellte sich die Frage, ob er tatsächlich den ganzen Abend ein Grinsen oder Lächeln unterdrücken konnte, um sein Gebiss nicht zu verraten. Sie hoffte es inständig.

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